Es gibt sehr verschiedene Ausprägungen von Morbus Gaucher: Einige Patienten leiden unter gravierenden neurologischen Störungen und sterben oft schon im Kindesalter. Andere Patienten sind vor allem von Organvergrößerungen betroffen, insbesondere der Leber und Milz. Die Symptome können mithilfe von Medikamenten gemildert werden. Heute ist bekannt, dass eine Mutation in einer bestimmten Gensequenz, der sogenannten GBA1, für die Krankheit verantwortlich ist. Rätselhaft ist aber, warum ein und dieselbe Mutation so unterschiedliche Symptome und Krankheitsbilder hervorruft.
Wissenschaftler aus der Forschungsgruppe „Molekulare Physiologie“ unter der Leitung von Dagmar Wachten haben sich die Stoffwechselprozesse genauer angesehen. Die Gensequenz GBA1 ist für die Produktion des Enzyms GBA1 zuständig, das eine wichtige Rolle beim Abbau komplexer Fett-Zucker-Verbindungen spielt. Solche auch als Glycosphingolipide bezeichneten Fett-Zucker-Verbindungen sind Bausteine von Zellmembranen.
Enzym spaltet Verbindungen
In der Zelle werden alte Membranbausteine ständig abgebaut und durch neue ersetzt. Diesen Abbau übernehmen die Lysosomen, Zellorganellen, die in menschlichen und tierischen Zellen die Aufgaben einer Müllverwertungsanlage erfüllen. In den Lysosomen wird das Enzym GBA1 aktiv und spaltet die Glycosphingolipide in kleinere Bruchstücke. Bei Menschen, die unter Morbus Gaucher leiden, funktioniert das Enzym GBA1 nicht richtig.
Dies hat zur Folge, dass die Lysosomen anschwellen und schließlich wie ein Mülleimer überquellen, Fett-Zucker-Verbindungen schwappen aus den Lysosomen heraus und schwimmen in der Zelle herum. Nun tritt ein erster Notfallplan in Kraft: Das Enzym GBA2 übernimmt und spaltet die Fett-Zucker-Verbindungen außerhalb der Lysosomen.
Bei diesem Abbauprozess entsteht unter anderem Sphingosin. Sphingosin wurde vor über einhundert Jahren von einem deutschen Forscher entdeckt, der die rätselhafte Substanz in Anlehnung an eine ägyptische Sphinx benannte. Leider ist Sphingosin für die Zellen giftig. Um die Vergiftung der Zelle zu verhindern, reguliert ein zweiter Notfallplan die Aktivität des Enzyms GBA2.
Sphingosin hemmt GBA2
Um diesen Regulationsmechanismus der Zelle aufzuklären und die Aktivität des Enzyms GBA2 messbar zu machen, haben die Wissenschaftler einen Trick angewendet. Die abzubauende Zucker-Fett-Verbindung wurde durch eine analoge Verbindung ersetzt, bei deren Abbau ein fluoreszierendes Produkt entsteht. Eine Fluoreszenzmessung macht so die Aktivität des Enzyms sichtbar.
Auf diese Weise haben die Forscher herausgefunden, dass die Aktivität des Enzyms GBA2 durch Sphingosin gebremst wird. Experimente in lebenden Organismen und im Reagenzglas lieferten immer die gleichen Ergebnisse: Je höher die Sphingosin-Konzentration in der Zelle ist, desto weniger aktiv ist GBA2. Die Forscher fanden auch heraus, welcher Mechanismus dahinter steckt.
Sphingosin bindet an GBA2 und vermindert so die Aktivität des Enzyms. Dieser Effekt ist umkehrbar; sobald die Sphingosin-Konzentration abnimmt, findet das Enzym GBA2 zu alter Form zurück. Die von den caesar-Wissenschaftlern entschlüsselten Regulationsmechanismen könnten zukünftig dazu beitragen, wirksame Therapien für Morbus-Gaucher-Patienten zu entwickeln.
Es bleiben jedoch noch Fragen offen: Warum bedingen gleiche Gendefekte und biochemische Befunde so unterschiedliche Krankheitsbilder? Besteht ein Zusammenhang zwischen der Aktivität von GBA2 und den neurologischen Störungen, die mit Morbus Gaucher einhergehen können und gibt es eine Möglichkeit in den Abbau von Fett-Zucker-Verbindungen in der Zelle so einzugreifen, dass giftige Abbauprodukte wie das Sphingosin keinen Schaden anrichten?
Quelle: Max-Planck-Gesellschaft