Ist die Gelenkzerstörung schon weit fortgeschritten, kann ein baldiger Gelenkersatz – auch in jungen Jahren – langfristig die bessere Option sein. Die Sorge vor einem frühzeitigen Prothesenwechsel sei häufig unbegründet. Moderne Implantate halten heute deutlich länger als früher – und schützen vor den irreparablen Folgeschäden jahrelangen Schmerzen und Schonhaltungen.
Arthrose ist kein reines Altersleiden: Laut dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) waren im Jahr 2023 in Deutschland 7,19 Prozent der Menschen an Kniegelenksarthrose erkrankt (1-Jahres-Prävalenz). Davon waren 30,35 Prozent unter 60 Jahre alt. Eine Hüftgelenksarthrose wiesen 3,73 Prozent der Bevölkerung auf, davon 11,82 Prozent der Menschen unter 60 Jahren. Zu den Ursachen gehören neben einem Verschleiß, eine angeborene Hüftgelenksdysplasie, Fehlstellungen des Beckens sowie X- und O-Beine, schlecht ausgeheilte Sportverletzungen, Überlastungen und entzündliche Erkrankungen wie Rheuma.
Irreparable Schäden durch Schonhaltung
Arthrose ist keine Bagatelle: „Arthrose-Schmerzen führen oft zu Bewegungsmangel und Muskelabbau, Gewichtszunahme und Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes“, sagt Professor. Dr. med. Georgi Wassilew, Generalsekretär der AE und Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie am Universitätsklinikum Greifswald. Dadurch sinke die Leistungsfähigkeit in Beruf und Freizeit.
Hinzu kommt: Schonhaltungen, wie beispielsweise Hinken, können durch Einseitigkeit und Überlastung Schäden im gesamten Bewegungsapparat verursachen. „Je länger sie bestehen, desto schwieriger ist ihre spätere Korrektur“, erläutert Wassilew. Oft sind die Schäden bleibend, zum Beispiel Rückenschmerzen.
Auch die dauerhafte Einnahme von Schmerzmitteln birgt Risiken für Magen, Leber und Nieren, so der Orthopäde und Unfallchirurg weiter.
Frühe Eingriffe, bessere Ergebnisse
Ist die Arthrose noch nicht fortgeschritten, kommen operative Korrekturen von Beinachsenfehlstellungen, die sogenannten Umstellungsosteotomien, zum Zug. „Dabei wird der Druck auf den geschädigten Gelenkabschnitt von Hüfte oder Knie reduziert und die Belastung gleichmäßiger verteilt.“ Gerade bei jungen Patientinnen und Patienten könne der Eingriff den Bedarf an Endoprothesen um Jahre oder sogar Jahrzehnte hinauszögern, so der Experte.
„Bei weit fortgeschrittenem Gelenkverschleiß ist der Gelenkersatz häufig die verlässlichere und funktionell bessere Lösung – gleich, ob man nach landläufiger Meinung zu jung dafür ist“, sagt Professor Dr. med. Robert Hube, Präsident der AE und Chefarzt der Orthopädischen Chirurgie in München (OCM). „Wer denkt, künstliche Gelenke seien nur etwas für Menschen im Ruhestand, liegt falsch“, betont Hube.
Was viele nicht wissen: „Bei späteren Operationen ist das Gelenk häufig schwieriger zu rekonstruieren, der Eingriff belastender – und das Ergebnis schlechter“, so Hube. Es können dauerhafte Schmerzen bleiben und eine Einschränkung des Bewegungsradius. Zudem kann sich eine spätere Wechseloperation als sehr aufwändig erweisen. Im Gegenzug stellt der Gelenkersatz die Arbeitsfähigkeit meist wieder her und ermöglicht die Teilhabe am Leben.
Moderne Implantate halten länger
Neue Materialien und roboterassistierte OP-Verfahren ermöglichen heute Standzeiten von über 90 Prozent nach 15 Jahren – auch bei aktiven Patientinnen und Patienten unter 60 Jahren. Die Zahl der Wechseloperationen sinkt laut Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) seit Jahren. Ein Grund ist die Behandlung in zertifizierten EndoProthetikZentren (EPZ), die mit hohen Fallzahlen und standardisierten Abläufen für Qualität sorgen.
Die AE warnt vor pauschalen Empfehlungen, künstliche Gelenke grundsätzlich erst im höheren Alter einzusetzen. „Ein rechtzeitiger Eingriff kann die Gesundheit erhalten und Erwerbsunfähigkeit verhindern – und Teilhabe am Leben ermöglichen“, betont Hube. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sei das auch gesundheitsökonomisch ein wichtiger Aspekt. Die Entscheidung für ein Implantat müsse individuell getroffen werden – aber nicht aus Angst vor dem Lebensalter verschoben werden.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V.