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Forschung im Labor

© Bogdanhoda / iStock / Getty Images Plus

Forschung: Auf der Suche nach Krebs-Schwachstellen

„Ein Wundermittel gegen Krebs wird es nicht geben“, sagt Thomas Brabletz. „Krebs muss aus verschiedenen Blickwinkeln bekämpft werden, deshalb wird die erfolgreiche Behandlungsstrategie eine intelligente, oft individualisierte Kombination von Medikamenten sein, die auf verschiedene Schwachstellen zielen.” Der Krebsforscher sucht nach solchen Schwachstellen und konzentriert sich dabei auf einen unerbittlichen Gegner: metastasierenden Krebs, der auch heute noch, trotz großer Fortschritte in den vergangenen Jahren – fast immer zum Tode führt. Außerdem geht er der Frage nach, warum einige Krebsarten eine Resistenz gegen Therapien entwickeln und nach anfänglichen Heilungserfolgen zu Rückfällen führen.

Thomas Brabletz ist Inhaber des Lehrstuhls für Experimentelle Medizin I mit dem Schwerpunkt Pathogeneseforschung und Prodekan für Forschung an der Medizinischen Fakultät. Seit seinem Studium interessiert er sich für die biologischen Mechanismen der Krebsentstehung, er hat sich der molekularen Pathologie verschrieben und 1998 zu diesem Thema an der FAU habilitiert. 2007 folgte er einem Ruf als Professor für Molekulare Onkologie an die Universität Freiburg, 2014 kehrte er nach Erlangen zurück. Brabletz, der auch approbierter Arzt ist, zählt zu den führenden Krebsforschern weltweit, er hat 180 peer-reviewte Publikationen veröffentlicht und präsentierte seine Forschungsarbeit über 270-mal als Redner auf internationalen Tagungen und Kongressen.

Wandernde Krebs-Stammzellen

Vor etwa 20 Jahren hat Brabletz als erster Forscher wandernde Krebs-Stammzellen als Ursache von Metastasen und Therapieresistenzen beschrieben. „Bis dahin galt die irreversible Anhäufung von Mutationen als maßgeblicher Treiber der Metastasierung“, erklärt er. Normale Stammzellen spielen vor allem für die Embryonalentwicklung und Gewebehomöostase eine entscheidende Rolle: Sie sorgen dafür, dass sich aus einem ursprünglich kleinen Zellhaufen die verschiedensten Gewebearten und Organe bilden.

Wichtig dabei ist, dass sich epitheliale Zellen in sogenannte mesenchymale Zellen verwandeln können. Solche Mesenchymzellen wandern dann an vorbestimmte Orte und entwickeln sich dort zu Gewebekomplexen. Sie sind sogar in der Lage, sich wieder in Epithelzellen zurückzuverwandeln und kompakte Organe wie die Leber zu formen oder Schichten zu bilden, mit denen andere Organe, etwa der Darm oder die Lunge, ausgekleidet sind.

Zell-Plastizität

Diese Fähigkeit der Transformation von einem Zelltyp in einen anderen, ein Vorgang, der auch mehrfach ablaufen kann, bezeichnet die Wissenschaft als Zell-Plastizität. „Nach der embryonalen Phase kommt dieser Prozess fast vollständig zum Erliegen“, erklärt Brabletz. „Unglücklicherweise kann er in Tumoren reaktiviert werden, und dann können aus einer Geschwulst heraus einzelne Zellen auf Wanderschaft gehen und nach Rückverwandlung in epitheliale Tumorzellen in fernen Organen Metastasen bilden.“

Entscheidend dabei ist jedoch nicht nur die Wandlungsfähigkeit der Zellen, sondern auch der Auslöser, denn es bedarf eines bestimmten Impulses. Schon 2017 hat die Forschungsgruppe um Thomas Brabletz nachgewiesen, dass aggressive Tumorarten wie Bauchspeicheldrüsen- oder Brustkrebs einen Schlüsselfaktor für das embryonale Plastizitäts-Programm aktivieren, das Protein ZEB1. „Pankreaskrebs bildet sehr schnell Metastasen, bleibt aber selbst meist lange unentdeckt“, sagt Brabletz. „Das macht ihn zu einer der tückischsten und tödlichsten Krebserkrankungen.“

Auslöser und molekulare Signalwege

Ein Schwerpunkt der Forschung im Rahmen der Koselleck-Förderung bildet deshalb die Untersuchung solcher Auslöser und molekularen Signalwege. Brabletz: „Wenn es uns gelänge, ZEB1 oder ähnliche noch unbekannte Faktoren zu kontrollieren, dann könnten wir zwar nicht das primäre Tumorwachstum verhindern, wohl aber die Bildung von Metastasen. Die Überlebensrate von Tumorpatientinnen und -patienten würde sich dadurch erheblich verbessern.“ Weil sich jedoch schwer vorhersagen lässt, wie erfolgreich diese Strategie sein wird, konzentriert Brabletz sich auch auf nachgeschaltete Prozesse der ZEB1-Aktivierung – zum Beispiel darauf, bereits entstandene mobile Krebszellen mit mesenchymalen Eigenschaften unschädlich zu machen.

„Ein entscheidender Ansatz ist die Erkenntnis, dass Epithel- und Mesenchymzellen einen unterschiedlichen Fettsäurestoffwechsel haben“, erklärt der Forscher. „Das hat zur Folge, dass epitheliale Tumorzellen gut auf Chemo- und Immuntherapien ansprechen, während mesenchymale Krebszellen weitgehend resistent gegen diese etablierten Behandlungen sind. Umgekehrt gibt es aber auch Prozesse, die den mesenchymalen Zellen schwer zusetzen und den Epithelzellen nicht.“

Gezielter Zelltod durch Ferroptose

Eine solcher Prozess ist die sogenannte Ferroptose, ein programmierter Zelltod, mit dem der Körper sich gegen fehlentwickelte Zellen wehrt. Wie der Name verrät, spielt zelluläres Eisen dabei eine wichtige Rolle,  in Verbindung mit Fettmolekülen. „Um die Ferroptose auslösen zu können, muss eine große Menge ungesättigter Fettsäuren in der Zellmembran eingelagert sein“, erklärt Brabletz. „Interessanterweise ist das bei mesenchymalen Zelltypen der Fall, während Epithelzellen davon kaum betroffen sind.“

Das Team um Thomas Brabletz will in den kommenden Jahren die grundlegenden Mechanismen der Ferroptose weiter erforschen und nach Möglichkeiten suchen, sie gezielt zur Abtötung mesenchymaler Tumorzellen einzusetzen. Dabei sollen beispielsweise auch neueste Technologien wie CRISPR/Cas zum Einsatz kommen. Brabletz: „Wir wollen alles über Krebszellen wissen, über ihre Molekularstruktur, ihre genetischen Informationen, ihre Signalwege. Nur dann haben wir die Chance, maßgeschneiderte Therapien gegen jede Form von Krebs zu entwickeln.“

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität

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