Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die Begriffe „Demenz“ und „Alzheimer“ oft synonym verwendet, aber sie sind nicht bedeutungsgleich. Demenz ist ein klinisches Syndrom, das durch verschiedene Symptome wie z.B. Vergesslichkeit, Orientierungsstörungen, Sprachstörungen und Veränderungen der Persönlichkeit gekennzeichnet ist.
Dieses Syndrom kann durch unterschiedliche Krankheiten verursacht werden wie Alzheimer oder Parkinson. Es gibt aber noch weitere Demenzformen, z.B. die vaskuläre Demenz oder die frontotemporale Demenz. Kennzeichnend ist, dass bei allen Demenzen eine Störung der Kognition (z.B. Gedächtnis, Planungsfunktionen, etc.) vorliegt. Die Alzheimer-Demenz ist mit 70 Prozent die häufigste.
Für die Entwicklung neuer Therapien einer Demenz ist es wichtig, die zugrundeliegende Erkrankung zu diagnostizieren. Bei einer durch Gefäßschäden verursachten (sogenannten vaskulären) Demenz ist es beispielsweise von großer Bedeutung, Gefäßrisikofaktoren zu korrigieren und das Blut zu verdünnen, Therapien gegen Alzheimer sind bisher symptomatisch wirksam, verändern aber den Krankheitsverlauf nicht.
Bislang Analyse des Gehirnwassers und PET-Scan des Gehirns
Die S3-Leitlinie „Demenzen“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie2 gibt einen Algorithmus vor, um eine Demenz zu diagnostizieren und die krankheitsauslösende Ursache zu bestimmen. Doch die Abgrenzung möglicher zugrundeliegender neurodegenerativer Erkrankungen ist in der Praxis nicht immer einfach, zumal es auch Mischformen der Demenz gibt. Eine sicherere Diagnose ergibt sich aus der Analyse des Nervenwassers (Liquor), oder einem PET-Scan des Gehirns, Untersuchungen, die invasiv sind bzw. teuer.
Ein Bluttest auf Alzheimer wäre wünschenswert, um die Erkrankung sicher und vor allem auch schneller diagnostizieren zu können, und zwar nach Möglichkeit, bevor sich eine schwere Demenz entwickelt hat. Diese Erwartung könnte sich perspektivisch erfüllen. Eine internationale Studiengruppe hat nun vielversprechende Ergebnisse für den Biomarker Phospho-tau217 im Blutplasma vorgelegt1. Der Biomarker wurde von der Studiengruppe an drei unterschiedlichen Kohorten mit Patienten unterschiedlichen Alters getestet (das Durchschnittsalter in Kohorte 1 betrug 83,5 Jahre, in Kohorte 2 69,1 Jahre und in Kohorte 3 35,8 Jahre).
Potenzial von Phospho-tau
Was ist „Phospho-tau“ und wieso hat es prädiktives Potenzial? Bei der Alzheimer-Demenz gibt es verschiedene bekannte krankheitsauslösende Mechanismen: Amyloid, ein Eiweiß, sammelt sich im Gehirn an und setzt sich dort zwischen den Nervenzellen wie ein Belag ab, man spricht daher auch von Alzheimer-Plaques. Darüber hinaus kommt es zu einer krankhaften Veränderung von Tau, einem Strukturprotein. Bei Alzheimer lagert es sich in den Fasern der Nervenzellen ab und trägt zum Untergang der Nervenzellen bei.
Typischerweise werden bei Alzheimer-Patienten daher erhöhte Tau-Proteinkonzentrationen gefunden, allerdings ist die Spezifität des Gesamt-Taus nicht sehr hoch, denn erhöhte Werte können auch bei anderen Krankheiten wie z.B. der Creutzfeld-Jakob-Erkrankung vorliegen. Deshalb hat man nach exakteren Markern gesucht. Untersucht wurden in der Vergangenheit u.a. das an Position 181 hyperphosphorylierte Tau-Protein (Phospho-Tau181/ pTau181) und der Marker Neurofilament (Nfl) im Blut, doch beide erwiesen sich nicht als ausreichend genau.
Vielversprechender Biomarker
Die nun vorliegende Arbeit untersuchte das an Position 217 hyperphosphorylierte Tau-Protein (pTau217) und es zeigte sich in allen drei Kohorten mit insgesamt 1402 Personen, dass es mit einer hohen Spezifität Alzheimer-Patienten und sogar Träger einer Mutation, die zu Alzheimer führen kann, identifizieren kann. Es hatte eine signifikant höhere Treffsicherheit als pTau181 und NfL. Die Genauigkeit der Bestimmung war vergleichbar mit der der Liquor-Untersuchung oder eines PET-Scans.
„Die Studienautoren verweisen darauf, dass weitere Untersuchungen durchgeführt werden müssen, aber die vorliegenden Daten bestätigen, dass pTau217 ein vielversprechender Biomarker sein könnte, der eine frühzeitige Diagnose ermöglicht“, kommentiert Prof. Dr. Richard Dodel, Neurologe und Inhaber des Lehrstuhls für Geriatrie an der Universität Duisburg-Essen.
Prävention von Risikofaktoren
„Im Moment haben wir keinen Wirkstoff, der eine Alzheimer-Demenz heilen könnte, umso wichtiger ist daher die Prävention. Es gibt verschiedene Risikofaktoren für eine Demenz wie Bluthochdruck, Übergewicht, Rauchen, körperliche Inaktivität, Diabetes mellitus, Depression und ein geringer sozialer Kontakt und man kann auf diese Faktoren aktiv Einfluss nehmen. Zu wissen, dass man ein ‚Alzheimer-Kandidat‘ ist, wird viele Menschen zu einem gesünderen Lebensstil motivieren. Ein Alzheimer-Frühtest kann somit perspektivisch die Krankheitslast senken.“
„Hinzu kommt, dass die Forschung intensiv an neuen Therapien arbeitet und es auch für die Durchführung wissenschaftlicher Studien von Bedeutung ist, dass eine gesicherte Alzheimer-Diagnose vorliegt. Ein einfacher Bluttest könnte den Aufwand zur Diagnosesicherung bei Therapiestudien zu Alzheimer verschlanken, zu einer höheren Effizienz beitragen und Studien beschleunigen. Das ist eine gute Botschaft zum Welt-Alzheimertag, der im nächsten Monat stattfinden wird,“ erklärt Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN, abschließend.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.
Originalpublikation:
- Sebastian Palmqvis et al; Discriminative Accuracy of Plasma Phospho-tau217 for Alzheimer Disease vs Other Neurodegenerative Disorders; JAMA, 2020, DOI:10.1001/jama.2020.12134
- S3-Leitlinie Demenzen: https://bit.ly/2PVIEoo