Durchblutungsstörungen in den Arterien können im schlimmsten Fall zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führen. In diesen Fällen müssen dringend Bypässe eingesetzt werden. Bei Gefäßprothesen aus synthetischem Material wie Goretex muss die Blutgerinnung dann dauerhaft durch Medikamente herabgesetzt werden, weil sonst die Gefahr besteht, dass sich der Bypass aufgrund der Materialstruktur zusetzt und es erneut einen Gefäßverschluss gibt.
Die gerinnungshemmenden Medikamente sind in der Anwendung nicht ganz einfach und können Komplikationen auslösen. Synthetische Bypässe können sich außerdem infizieren. Venöses Eigenmaterial, das man Patienten an anderer Stelle aus dem Körper entnehmen und nutzen kann, steht oft nicht in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung.
Daher besteht großer Bedarf an artifiziellen Gefäßprothesen. An Bypässen aus tierischem Material wird schon länger geforscht, allerdings gibt es neben ethischen Bedenken bislang Probleme mit Abstoßungs- und Ablagerungsprozessen. Die Wissenschaftler der Leibniz Universität gehen einen anderen Weg. Sie wollen auf einer röhrenförmigen Gerüststruktur aus synthetischem Material, einem so genannten Scaffold, Zellen des Patienten ansiedeln.
Bypass-Entstehung in zwei bis drei Wochen
In einem Kultivierungsprozess im Bioreaktor entwickelt sich daraus ein Bypass, der dann implantiert werden kann. Der Scaffold wird später abgebaut, so dass die Gefäßprothese nur noch aus körpereigenem Material besteht. Die Wissenschaftler vom Institut für Technische Chemie und vom Institut für Mikroelektronische Systeme haben gemeinsam die Technologie für die Kultivierung entwickelt.
„Im Bioreaktor müssen Umstände herrschen, die den Bedingungen im menschlichen Körper nachempfunden sind“, erläutert Prof. Dr. med. Cornelia Blume vom Institut für Technische Chemie. Herzschlag und Blutdruck werden simuliert, damit in zwei bis drei Wochen ein Bypass entstehen kann. „Der weitere Reifungsprozess findet nach der Implantation im Körper statt. Der beste Bioreaktor ist der Mensch“, ergänzt sie.
Die sensible Regelungs- und Sensortechnik sowie die Überwachung per Ultraschall, der Bioreaktor darf während des Prozesses so gut wie gar nicht geöffnet werden, haben Prof. Dr.-Ing. Holger Blume und sein Team vom Institut für Mikroelektronische Systeme entwickelt. In dem Projekt, das von der DFG gefördert wird, arbeiten die Forscher eng mit der Medizinischen Hochschule Hannover sowie mit weiteren Partnern zusammen.
Die Anwendbarkeit scheint gar nicht so fern: „Wir hoffen, dass wir in etwa drei Jahren so weit sind, die Bypässe in Versuchen mit Schafen zu testen“, sagt Prof. Cornelia Blume. Daran schließt sich die klinische Phase mit dem Genehmigungsverfahren am Menschen an.