Prostatakrebs ist in Deutschland mittlerweile der häufigste Krebs bei Männern und macht gut 20 Prozent aller Krebsneuerkrankungen des Mannes aus. 10 Prozent aller Krebstodesfälle bei Männern gehen auf das Prostatakarzinom zurück, es liegt nach Lungen- und Darmkrebs an dritter Stelle der Krebstodesursachen. Weltweit ist Prostatakrebs die zweithäufigste Krebsart bei Männern und die fünfthäufigste Krebstodesursache. Jedes Jahr erkranken hierzulande mehr als 58 000 Männer an diesem Krebs, mehr als 14 000 sterben jährlich daran.
Die Ursachen für Prostatakrebs sind noch wenig verstanden. Ein wichtiger Risikofaktor ist das Alter: 90 Prozent aller Erkrankten sind älter als 60 Jahre, bei Unter-45-Jährigen wird er selten beobachtet. Der stärkste Risikofaktor scheint nach mehreren Studien aber die Familiengeschichte zu sein.
So sind invasive Prostatakarzinome bei Familienangehörigen der stärkste Risikofaktor, selbst an einem solchen Prostatakarzinom zu erkranken. Ob auch bestimmte Vorstufen von Prostatakrebs, z. B. atypische mikroazinäre Proliferation (ASAP) oder prostatische intraepitheliale Neoplasie (PIN) – in der Familiengeschichte dieses Risiko erhöhen, wurde jetzt erstmals in einer großen Studie von Heidelberger Wissenschaftlern untersucht.
Größte Kohortenstudie zu familiären Prostatakrebs
"Das ist die weltweit größte Kohortenstudie zu familiärem Prostatakrebs", sagt Mahdi Fallah, Leiter der Gruppe Risikoadaptierte Prävention in der Abteilung Präventive Onkologie des DKFZ und am NCT Heidelberg. Die Heidelberger Forscher haben in Kooperation mit Kollegen der Universität Lund die Daten von 6,3 Millionen nach 1931 geborenen schwedischen Männern und deren Eltern ausgewertet. Während des Studienzeitraums von 1958 bis 2015 erkrankten 238 196 Männer (3,8 Prozent) an einem invasiven Prostatakarzinom und 5756 Männer (0,09 Prozent) an einer der untersuchten Vorstufen von Prostatakrebs.
"Unsere Auswertungen dieser weltweit größten Datenbank dieser Art zeigten: Wenn bei Verwandten ersten Grades – also bei Vater oder Bruder – eine Vorstufe von Prostatakrebs auftritt, dann ist dies für Männer mit einem 1,7-fachen Risiko verbunden, selbst an einem invasiven Prostatakarzinom zu erkranken – im Vergleich zu Männern ohne Prostatakrebs oder Krebsvorstufen in der Familiengeschichte", berichtet Mahdi Fallah. Dieses erhöhte Risiko für Prostatakrebs ähnelt dem von Männern, die Verwandte mit einem invasiven Prostatakarzinom haben: nämlich ein 2-fach erhöhtes Risiko.
Auswirkungen auf die Prävention
Außerdem haben Männer mit einer Vorstufe von Prostatakrebs bei einem Verwandten ersten Grades ein 1,7-faches Risiko, an einem invasiven Prostatakarzinom zu sterben, auch im Vergleich zu Männern, die keine Verwandten mit Vorstufen von Prostatakrebs oder einem Prostatakarzinom haben. Ein etwas höheres Risiko für Prostatakrebs haben Männer, bei deren Verwandten Vorstufen schon im Alter von unter 60 Jahren entdeckt wurden, im Vergleich zu Männern, bei deren Verwandten Vorstufen in höherem Alter entdeckt wurden.
"Gibt es in der Familiengeschichte Vorstufen von Prostatakrebs, sind diese Tumorformen also genauso relevant wie invasive Formen von Prostatakrebs bei Verwandten, und zwar sowohl in Bezug auf das Auftreten von Prostatakrebs als auch auf die Sterblichkeit", erklärt Mahdi Fallah.
"Da die Familiengeschichte der stärkste bekannte Risikofaktor für Prostatakrebs ist, haben diese Studienergebnisse auch Auswirkungen auf die Prävention, nämlich auf die risikoangepasste Früherkennung von Prostatakrebs", ergänzt Elham Kharazmi, Ko-Leiterin der Studie und Wissenschaftlerin des DKFZ und am NCT Heidelberg. Nicht nur Prostatakrebs, sondern auch Vorstufen davon in der Familiengeschichte sollten in die Beratung familiär belasteter Personen zur Früherkennung und in die Risikoeinschätzung miteinfließen.
Quelle: Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
Originalpublikation: Xing Xu et al.: Risk of invasive prostate cancer and prostate cancer death in relatives of patients with prostatic borderline or in situ neoplasia: A nationwide cohort study; Cancer, 2020, DOI: https://doi.org/10.1002/cncr.33096