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Nahaufnahme von Pilzen aus dem Boden

Ergothionein ist eine natürliche Verbindung, die in bestimmten Pilzen wie Shiitake- oder Austernpilze oder fermentierten Lebensmitteln vorkommt. © wirestock / iStock / Getty Images Plus

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Natürliche Substanzen: Ergothionein steigert Ausdauer und schützt vor Zellschäden

Nicht nur möglichst lange, sondern währenddessen vor allem ohne gesundheitliche Einschränkungen leben – das ist der Wunsch vieler Menschen. Doch mit steigendem Alter steigt auch das Risiko für altersbedingte Erkrankungen wie etwa Alzheimer oder Sarkopenie (Abbau von Muskelmasse und Muskelkraft im Alter). In der Alternsforschung rückt daher vermehrt die Zeit, in der eine Person innerhalb ihrer Lebensdauer gesund ist, in den Fokus. Dass die natürliche Substanz Ergothionein diese Gesundheitsspanne („Health Span“) alternder Tiere verbessert, zeigt nun ein internationales Team aus Forschenden unter Federführung des Leibniz-Instituts für Analytische Wissenschaften (ISAS).

Beteiligt waren Forschende der Universität Belgrad (Serbien), der Universität Cambridge (UK) und der Universität Heidelberg. Weitere Partner sind Wissenschaftler:innen in Berlin, München, Frankreich, Italien und Spanien. Die Ergebnisse und den zugrundeliegenden molekularen Wirkmechanismus beschreiben die Autor:innen im Fachjournal Cell Metabolism.

Ergothionein ist eine natürliche Verbindung, die in bestimmten Pilzen wie Shiitake- oder Austernpilze oder fermentierten Lebensmitteln vorkommt. Die Aminosäure wird häufig als Nahrungsergänzungsmittel oder als Bestandteil von Kosmetik mit „Anti-Aging“-Effekten vermarktet. Auch wenn es Hinweise auf die gesundheitsfördernden und zellprotektiven Eigenschaften von Ergothionein gibt, war der Wirkmechanismus bisher unbekannt. „Unsere Analysen schaffen nun endlich Klarheit über den Mechanismus und zeigen darüber hinaus, dass Ergothionein ein vielversprechendes therapeutisches Potenzial zur Prävention altersbedingter Erkrankungen birgt“, berichtet Dr. habil. Miloš Filipović, korrespondierender Autor und Leiter der Forschungsgruppe ERC-Sulfaging am ISAS.

Auswirkungen auf Beweglichkeit, Stressresistenz und Ausdauer

Für die Publikation haben die Forschenden mehrere Tiere untersucht, darunter den Modellorganismus Caenorhabditis elegans (Fadenwurm). Die Gruppe am ISAS beobachtete, dass eine Behandlung mit Ergothionein ab dem jungen Erwachsenenalter nicht nur die Lebensdauer der Würmer verlängerte, sondern auch die Beweglichkeit erhöhte, die Stressresistenz steigerte und altersbedingte Biomarker reduzierte. „Je älter die Tiere wurden, desto signifikanter war der Kontrast zur Kontrollgruppe. Außerdem konnten wir keine unerwünschten Nebenwirkungen beobachten – andere Studien übrigens auch nicht“, sagt Dr. Dunja Petrovic, aus deren Promotionsprojekt am ISAS die Publikation entstanden ist.

Diese positiven Effekte konnten auch die Projektpartner der Universität Belgrad bei Säugetieren beobachten. Sie behandelten drei Wochen lang sechs neun Monate alte Ratten mit einer täglichen Dosis von etwa 10 Milligramm Ergothionein – eine Menge, die etwa viereinhalb Gramm getrockneten Austernpilzen entspricht. Im Vergleich zur Kontrollgruppe verbesserte sich nicht nur die Ausdauer der Ratten, sondern es erhöhte sich auch die Muskelmasse, die Vaskularisierung (Neubildung kleiner Blutgefäße) des Muskelgewebes sowie die Anzahl der Muskelstammzellen. Das könnte die Substanz beispielsweise im Kontext der Prävention von Sarkopenie interessant machen.

Mehr schützender Schwefelwasserstoff

Die molekularen Mechanismen hinter ihren Beobachtungen untersuchten die Forschenden mittels massenspektrometrischer Analysen. Anhand von humanen und murinen Zellkulturen konnten sie zeigen, dass Ergothionein als alternatives Substrat für das Enzym Cystathionin-γ-Lyase (CSE) wirkt. Dieses Enzym spielt eine zentrale Rolle bei der Herstellung des gasförmigen Signalmoleküls Schwefelwasserstoff (H₂S), das Zellen durch den Prozess der Persulfidierung vor oxidativem Stress schützt. Eine reduzierte Persulfidierung wird mit Alterung, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung gebracht. Bereits 2019 zeigte ein Team um Filipović, dass die Persulfidierung mit zunehmendem Alter abnimmt, sich aber beispielweise durch eine reduzierte Nahrungsaufnahme positiv beeinflussen lässt (vgl. Zivanovic et al., 2019).

Die neuen Forschungsergebnisse ergänzen die bisherigen Erkenntnisse: Ergothionein stimuliert die Persulfidierung, vor allem die eines spezifischen Enzyms, der Glycerol-3-Phosphat-Dehydrogenase (GPDH). Die so erhöhte Aktivität von GPDH steigert wiederum die Bildung von NAD⁺ – ein bekanntes Coenzym, das positiv auf die Lebensdauer wirkt. „Der menschliche Körper kann Ergothionein nicht selbst herstellen. Ein so spezifischer Verwertungsmechanismus lässt aber darauf schließen, dass es sehr wichtig für uns ist“, resümiert Petrovic. Den CSE-abhängigen Wirkmechanismus von Ergothionein konnten Forschende in Heidelberg, Cambridge und am ISAS unabhängig voneinander bestätigen.

Mögliche leistungssteigernde Effekte

Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse testeten die Forschenden auch, wie sich eine fünftägige Behandlung mit Ergothionein auf eine Gruppe junger Ratten auswirkt. Eine tägliche Dosis mit etwa 10 Milligramm der Substanz führte zu einer signifikanten Steigerung der Ausdauer sowie zu einem deutlich erhöhten NAD⁺-Spiegel im Blutserum. „Das deutet darauf hin, dass Ergothionein den Stoffwechsel ähnlich wie leistungssteigernde Mittel beeinflusst“, sagt Filipović. Um genau dieses Potenzial zu erforschen, plant er eine Studie mit gesunden menschlichen Probanden.

Quelle: Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften – ISAS – e. V.

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