Die Studie wurde von der Wilhelm Sander Stiftung mit 100.000 Euro über 2 Jahre gefördert und kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Warum Frauen seltener an Darmkrebs erkranken als Männer, beschäftigt Forschende seit langem. „Unsere Studie zeigt erstmals, wie derselbe hormongesteuerte Faktor sowohl das Tumorwachstum hemmen als auch fördern kann – je nachdem, wo er aktiv ist“, erklärt Projektleiter Dr. Tobias Reiff vom Institut für Genetik.
Innovative Tumorforschung mit Taufliegen
Für ihre Forschung entwickelte das Team ein innovatives Modellsystem mit Taufliegen (Drosophila melanogaster). „Die Taufliege eignet sich hervorragend für unsere Untersuchungen, da ihr Darmgewebe dem menschlichen in Struktur und Funktion sehr ähnlich ist“, erläutert Dr. Reiff. „Auch die relevanten Signalwege und Hormone sind nahezu identisch.“
Den Forschenden gelang es, zwei entscheidende Tumormodelle zu entwickeln: eines für gutartige Stammzelltumore und ein weiteres, das bösartige Tumore nachbildet. „Diese Modelle ermöglichen uns erstmals, nicht nur die Tumore selbst, sondern auch ihre Umgebung – das sogenannte Tumormilieu – gezielt genetisch zu verändern und anschließend Effekte auf das Tumorwachstum zu untersuchen“, betont Dr. Reiff.
Zwei Gesichter von Crol
Ein Durchbruch gelang dem Team mit der Identifizierung des Faktors Crooked-legs (Crol). „Wir konnten nachweisen, dass Crol eine doppelte Rolle spielt“, erklärt Doktorandin Lisa Zipper, die Erstautorin der Studie. „Im Tumorgewebe selbst wirkt er als Tumorsuppressor, wird er jedoch im umgebenden Gewebe aktiviert, fördert er das Tumorwachstum.“ Diese Entdeckung erklärt auch einige bisher widersprüchlichen Forschungsergebnisse zur Rolle von Hormonen bei Darmkrebs.
Besonders bedeutsam ist die Verbindung zu einem der wichtigsten Signalwege bei Darmkrebs: „Wir konnten zeigen, dass Crol im Tumormilieu die Produktion des Signalmoleküls Wnt/Wingless reguliert“, so Zipper. Dieser Signalweg ist bei über 80 Prozent aller Darmkrebspatienten durch Mutationen gestört.
Hormone und ihre Tumor-Dynamik
In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Bernat Corominas-Murtra von der Universität Graz entwickelte das Team zusätzlich ein mathematisches Modell. „Dieses Modell stellt nach, wie Crol in gesundem Gewebe die Darmgröße und Zellzahl dynamisch stabilisiert – eine Funktion, die Tumore sich zunutze machen“, erläutert Dr. Reiff.
Die neuen Erkenntnisse könnten den Weg für gezieltere Therapieansätze ebnen. „Wir verstehen jetzt besser, warum Hormone geschlechtsspezifisch wirken und Therapieerfolge unterschiedlich ausfallen.“, resümiert Dr. Reiff. „Dies ist ein wichtiger Schritt zur Entwicklung personalisierter Therapiestrategien.“
Quelle: Wilhelm Sander-Stiftung
Originalpublikation: Lisa Zipper et al.; Steroid hormone-induced wingless ligands tune female intestinal size in Drosophila; Nat Commun 16(1): 436., 2025, DOI: 10.1038/s41467-024-55664-2