Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat in der jüngsten Vergabe ein weiteres Graduiertenkolleg (GRK) an der Universität Stuttgart bewilligt. Das GRK „EpiSignal – Interaktion von intrazellulären Signalwegen und Chromatin Modifikationsnetzwerken“ ist in den Zukunftsfeldern der Molekularen Biologie und Biomedizin angesiedelt.
„Zellen werden durch zwei sehr komplexe Regulationsnetzwerke gesteuert. Wir werden im Rahmen des GRKs erforschen, wie diese Netzwerke zusammenwirken und dadurch herausfordernde Regulationsaufgaben bewältigen“, sagt Prof. Albert Jeltsch vom Institut für Biochemie und Technische Biochemie (IBTB). Jeltsch ist Sprecher des neuen GRKs, an dem neben der Universität Stuttgart die Universität Tübingen beteiligt ist. Insgesamt fördert die DFG im Rahmen von EpiSignal zehn Forschende über fünf Jahre mit 5 Millionen Euro. Die ersten Promotionsprojekte sollen im Oktober 2025 die Arbeit aufnehmen.
Zwei eng verbundene Steuer- und Regelsysteme
Zellen, die Grundbausteine aller Gewebe und Organe des menschlichen Organismus, sind dynamisch. Jede Zelle kann Veränderungsprozesse durchlaufen, die den Körper an äußere Einflüsse anpassen: Zellteilung ermöglicht Wachstum und Regeneration. Zellreparatur oder der Zelltod defekter Zellen halten den Körper gesund. Durch Zelldifferenzierung bilden sich spezialisierte Zellen heraus, die unterschiedliche Funktionen im Körper übernehmen.
Zellveränderungsprozesse steuert der menschliche Körper über zwei Regulierungssysteme: Epigenome Chromatinmodifikationen und Zellsignalnetzwerke. Chromatinmodifikationen sind chemische Veränderungen an der DNA oder an der „DNA-Verpackung“ einer Zelle. Sie können einzelne Gene dauerhaft aktivieren oder deaktivieren und so Zellveränderungsprozesse anregen. Zellsignalnetzwerke sind wie ein Kommunikationssystem innerhalb der Zelle.
Spezielle Empfänger, sogenannte Rezeptoren, erkennen eingehende Signale und lösen entsprechende Reaktionen in der Zelle aus. Da es eine Vielzahl von Signalwegen gibt, können die Zellen in komplexer Weise auf äußere Einflüsse, wie zum Beispiel Wachstumsfaktoren oder Hormone, reagieren. Dabei können vorübergehende Signale auch eine Chromatinmodifikation auslösen und zu einer dauerhaften genetischen „Umprogrammierung“ der Zelle führen.
Rolle von Wachstumsfaktoren
Das ermöglicht zum Beispiel die ständige Bildung von Blutzellen: In Vorläuferzellen wird durch Wachstumsfaktoren eine Spezialisierung angeregt, die diese Zellen dann durch Zellteilungen dauerhaft die verschiedenen Typen der Blutzellen bilden lässt.
„Das Blutbildungssystem ist nur eines von vielen Beispielen, das zeigt, wie eng Chromatinmodifikationen und Zellsignalnetzwerke miteinander verbunden sind. Beide Netzwerke beeinflussen sich gegenseitig. Gemeinsam bilden sie ein Metanetzwerk der Zellregulierung. Wie dieses Metanetzwerk funktioniert ist bisher kaum erforscht. Hier hat das neue Graduiertenkolleg EpiSignal seinen Schwerpunkt“, so Prof. Jeltsch.
„Metanetzwerk“ der Zellregulierung
Wie reagieren Zellen auf externe Signale, wie leiten sie die Informationen ins Zellinnere weiter? Wie wirken Umwelteinflüsse auf die Zelleigenschaften und die Aktivität von Genen? Warum reagieren Zellen unterschiedlich auf bestimmte Signale? Wie können vorübergehende Signale dauerhafte Veränderungen der zellulären Eigenschaften verursachen?
„Im Rahmen von zehn Promotionsprojekten wollen wir die molekularen Mechanismen aufdecken, die das Zusammenspiel von Chromatinmodifikationen und Zellsignalnetzwerken bestimmen. Mit unserer Arbeit leisten wir einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der zellulären Entscheidungsfindung und helfen, die fundamentalen Vorgänge aufzuklären, die diesen Prozessen zugrunde liegen“, so Jeltsch. Ein besonderes Augenmerk werden die Forschenden auch auf fehlerhafte Zellveränderungen richten, die für die Entstehung und das Fortschreiten von Krankheiten verantwortlich sind.
Starke interdisziplinäre Ausrichtung
Das GRK „EpiSignal“ ist stark interdisziplinär ausgerichtet: Promovierende aus der Biochemie, Zellbiologie, Genetik, Systembiologie, Mathematik und Informatik werden eng zusammenarbeiten. „Unser Ausbildungskonzept wurde punktgenau für diesen interdisziplinären Ansatz entwickelt“, so Jeltsch. „Dazu gehört, dass jede Doktorandin und jeder Doktorand von zwei hauptverantwortlichen Forscher:innen aus komplementären Disziplinen betreut wird.“
Alle Promovierenden durchlaufen ein strukturiertes Qualifizierungsprogramm. Es umfasst Spezialvorlesungen, Seminare, Tagungen, Summer Schools und Weiterbildungsangebote. Inhaltlich baut die Ausbildung auf drei Säulen auf: Einer intensiven experimentellen und theoretischen Ausbildung in den in EpiSignal vertretenen Disziplinen, dem Erwerb überfachlicher Kompetenzen und der individuellen Betreuung. „Unser Ziel ist es, vernetzt denkende, kritische und aufgabenorientierte Wissenschaftler:innen heranzubilden“, erklärt Jeltsch abschließend.
Quelle: Universität Stuttgart