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Genetische Ursachen identifiziert

Ihre Forschung zu den Ursachen des „Broken Heart Syndrom“ führten die Göttinger Herzforscher an in der Kulturschale hergestelltem Herzgewebe durch. © grafvision / iStock / Thinkstock

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Broken-Heart-Syndrom: Genetische Ursachen identifiziert

Schmerzen in der Brust, Luftnot, erhöhte Herzenzymwerte im Blut und Veränderungen der Herzstromkurve im EKG – in akuten Fällen deuten die Symptome zunächst auf einen Herzinfarkt hin. Doch etwa zwei Prozent aller Patienten mit der Verdachtsdiagnose Herzinfarkt leiden eigentlich an einer lebensbedrohlichen Funktionsstörung des Herzens mit ähnlichen Symptomen: Das Takotsubo-Syndrom (TTS) wird auch „Broken-Heart-Syndrom“ genannt.

Das Syndrom tritt nach einer starken seelischen Belastung, wie Trauer oder Liebeskummer, auf. Betroffen sind überwiegend Frauen nach der Menopause. Wie dieses Syndrom entsteht, weiß man bislang nicht. Die zugrunde liegenden Mechanismen waren bisher noch völlig unklar und Therapieansätze wenig erfolgreich.

Forschern der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) ist es nun gelungen, neue und grundlegende Erkenntnisse über die Ursachen der Erkrankung und für eine Behandlungsmöglichkeit des „Broken-Heart-Syndrom“ zu bekommen. Sie haben neuartige Signalwege identifiziert und können auch bisher vermutete Annahmen für eine genetische Prädisposition untermauern.

Die Erkenntnisse der Göttinger Forscher beruhen auf Untersuchungen von Stammzellen von erkrankten Patienten, aus denen schlagende Herzzellen hergestellt wurden. Die Forschung wurde durch das Heidenreich von Siebold-Habilitationsprogramm der UMG, das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Molekulare Mechanismen sichtbar

Dr. Katrin Streckfuß-Bömeke © dzhkSenior-Autorin der Studie: Dr. Katrin Streckfuß-Bömeke, Leiterin der Arbeitsgruppe „Translationale Stammzellforschung“ der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG. © dzhk

„Die Identifizierung von bisher unbekannten Signalwegen ist für die Entwicklung neuer Therapieverfahren von besonderer Bedeutung. Mit Hilfe von in der Kulturschale hergestellten Stammzellen und Herzgewebe von betroffenen Patienten konnten wir erstmals die molekularen Mechanismen der Takotsubo-Kardiomyopathie auf Patienten-spezifischer Ebene sichtbar machen“, sagt Dr. Katrin Streckfuß-Bömeke, Senior-Autorin der Publikation und Leiterin der Arbeitsgruppe „Translationale Stammzellforschung“ der Klinik für Kardiologie und Pneumologie.

Die aus Stammzellen von „Broken-Heart-Syndrom“-Patienten hergestellten Herzzellen weisen eine erhöhte ß-adrenerge Signalweiterleitung und eine bis auf das Sechsfache des Normalwerts gesteigerte Sensitivität auf Stresshormone, sog. Katecholamine, auf.

Diese zwei Mechanismen wurden von den Forschern als typisch für Erkrankte identifiziert. In ihrer Studie konnten die Göttinger Herzforscher außerdem die Hypothese bestätigen, dass aufgrund familiärer Häufung eine genetische Komponente für das „Broken-Heart-Syndrom“ zugrunde liegt.

Schlagende Herzzellen aus Patientenzellen

TTS-Herzzellen © Universitätsmedizin Göttingen(A) Die TTS-Herzzellen zeigen eine regulär angeordnete Sarkomerstruktur (über das Herzprotein a-actinin sichtbar gemacht) wie humane Zellen aus dem Herzen. (B) Die TTs-Herzzellen haben ein mitochondriales Netzwerk (MitoSpy) wie humane Herzzellen. © Universitätsmedizin Göttingen

Ihre Forschung zu den Ursachen des Syndroms führten die Göttinger Herzforscher an in der Kulturschale hergestelltem Herzgewebe aus Zellen von Patienten durch, die daran erkrankt sind.

Diese sogenannten „induzierten pluripotenten Stammzell-Kardiomyozyten“ (iPSC-KMs) wurden aus Haut- oder Blutbiopsien von Patienten gewonnen und unter definierten Bedingungen zu schlagenden Herzmuskelzellen generiert.

„Da sie dasselbe genetische Material wie die zuvor entnommenen Zellen des Patienten enthalten, ist es möglich, die Eigenschaften der hergestellten Herzmuskeln mit dem Phänotyp des Takotsubo-Patienten in Beziehung zu setzen. So werden die funktionellen Eigenschaften der TTS-Herzmuskelzellen sichtbar und messbar“, sagt Thomas Borchert, Erstautor der Publikation und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der AG Streckfuß-Bömeke, Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG.

Der Einsatz von Patienten-spezifischen iPSC-KMs erschien dem Forscherteam daher besonders erfolgsversprechend, um einen genetischen Zusammenhang bei TTS zu untersuchen.

Die Zellen für die Grundlagenforschung stammten von ausgewählten Patienten im „Internationalen Takotsubo Register“ aus Zürich und Göttingen.

Forschungsvielfalt und Zusammenarbeit

„Auf Basis dieser Arbeit wollen wir nun genetische Faktoren für eine Vorbelastung in einer großen TTS-Patienten-Kohorte identifizieren und therapeutische Langzeit-Behandlungsmethoden entwickeln“, sagt Dr. Streckfuß-Bömeke. Zudem soll die Wirkweise von verschiedenen Medikamenten auf die erkrankten Herzzellen weiter erforscht werden.

„Die Studie ist eine wichtige Grundlage und ein Durchbruch für ein bis dato wenig erforschtes Krankheitsbild. Forschungsvielfalt und Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen am Herzzentrum Göttingen waren die Voraussetzungen, verschiedene Sichtweisen und Ansätze zum Gewinn neuer, wichtiger Erkenntnisse beizutragen“, sagt Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Vorsitzender des Herzzentrums der Universitätsmedizin Göttingen und Mitautor der Studie.

Quelle: Universitätsmedizin Göttingen


Originalpublikation: Katrin Streckfuß-Bömeke et al.; Catecholamine-Dependent ß-Adrenergic Signaling in a Pluripotent Stem Cell Model of Takotsubo Cardiomyopathy; Journal of the American College of Cardiology, 2017; DOI: 10.1016/j.jacc.2017.06.061

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