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3D-Abbildung eines Teils des RNA-Kette, aus denen die Desoxyribonukleinsäure oder DNA besteht.

Ein neues Verfahren verknüpft Genexpression und Naturstoffproduktion in einzelnen Pflanzenzellen. © Christoph Burgstedt / iStock / Getty Images Plus

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Stoffwechsel: Gleichzeitige Analyse von RNA und Metaboliten in einer Zelle

Ein bahnbrechendes Verfahren ermöglicht die gleichzeitige Analyse von RNA und Metaboliten in derselben Zelle und enthüllt so die molekulare Choreografie, die der Biosynthese medizinisch relevanter Naturstoffe zugrunde liegt.

Ein Forschungsteam am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie hat die Einzelzell-RNA-Sequenzierung (scRNA-seq) und die Einzelzell-Massenspektrometrie (scMS) erfolgreich an derselben Pflanzenzelle kombiniert. Dieser neue Ansatz ermöglicht es Forschenden, die Expression von Genen, die an der Produktion interessanter Naturstoffe beteiligt sind, auf zellulärer Ebene direkt mit deren Vorkommen und Häufigkeit in Zusammenhang zu bringen.

Dies ist ein entscheidender Schritt, der die Aufklärung der Biosynthese komplexer pflanzlicher Naturstoffe erleichtern könnte. Mithilfe der kombinierten Methode können zudem spezialisierte Zelltypen in Pflanzen identifiziert werden, in denen therapeutisch relevante chemische Verbindungen produziert oder gespeichert werden. Dadurch verbessert sich unser Verständnis der Stoffwechselprozesse von Pflanzen grundlegend, was die nachhaltige Entwicklung pflanzlicher Arzneimittel beschleunigen könnte.

Pflanzliche Wirkstoffproduktion

Das Hauptforschungsinteresse der von Sarah O’Connor geleiteten Abteilung Naturstoffbiosynthese gilt dem Verständnis der Biosynthese komplexer chemischer Verbindungen in medizinisch genutzten Pflanzen. Diese Verbindungen entstehen durch eine Abfolge von Enzymreaktionen – sogenannte Biosynthesewege –, die in mehreren Schritten ablaufen. Doch die Biosynthese ist oft nicht in einer einzigen Zelle abgeschlossen. Vielmehr sind die einzelnen Schritte in verschiedene Zelltypen verteilt.

Jede Zelle ist auf bestimmte Reaktionen spezialisiert, und die Zwischenprodukte müssen zur weiteren Verarbeitung in andere Zellen transportiert werden. Zudem können sich Metaboliten in hohen Konzentrationen anreichern – entweder zur Speicherung oder zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage zwischen miteinander verbundenen Stoffwechselwegen.

„All diese Prozesse bilden ein komplexes Stoffwechselnetzwerk, das nur durch die Integration von Genexpressions- und Stoffwechseldaten aus derselben Zelle vollständig verstanden werden kann“, erklärt Moonyoung Kang, eine der Erstautorinnen.

Die Zellfabrik

In der Biologie werden Gene oft als Baupläne einer Zellfabrik beschrieben. Mit der Einzellzell-RNA-Sequenzierung (scRNA-seq) können Forschende diese Baupläne „auslesen“ und erkennen, welche Produkte eine Zelle potenziell herstellen könnte. Die Einzelzell-Massenspektrometrie (scMS) hingegen misst die tatsächlichen Mengen der fertigen Produkte – also die „Endprodukte“, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zelle vorhanden sind.

Wenn wir die Zelle mit einer Bekleidungsfabrik vergleichen, zeigt scRNA-seq, welche Kleidungsstücke die Fabrik herstellen kann – und wie viele Baupläne dafür zur Verfügung stehen. scMS hingegen zeigt, wie viele Artikel gerade im Lager liegen. Ein großer Lagerbestand deutet auf hohe Produktion hin – aber auch auf eine Verzögerung im Transport. Werden die Produkte dagegen sofort abtransportiert, kann die Fabrik trotz voller Produktion fast leer erscheinen.

„Um die gesamte Logistik – von der Produktion über die Lagerung bis zur Verteilung – wirklich zu verstehen, ist es entscheidend, sowohl die genetischen Baupläne als auch die tatsächlichen Mengen der Produkte in den Zellen zu kennen“, sagt Lorenzo Caputi, Leiter der Projektgruppe Naturstoffbiosynthesewege in Pflanzen und Einzelzellen.

Ein neuer Ansatz

Einem von Lorenzo Caputi und Sarah O’Connor geleiteten Forschungsteam ist es in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen des Max-Planck-Instituts für Biochemie in München gelungen, die Einzelzell-RNA-Sequenzierung (scRNA-seq) und die Einzelzell-Massenspektrometrie (scMS) in derselben Pflanzenzelle zu kombinieren. Damit können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erstmals die Genexpression direkt mit der Metabolitenhäufigkeit in Zusammenhang bringen.

Der Ansatz beginnt damit, dass einzelne Zellen in Mikrotiterplatten eingefangen werden. Anschließend überträgt ein Roboter jede Zelle einzeln in eine 96-Well-Platte. Die Zelle wird lysiert, also aufgebrochen, wodurch ihr Inhalt – Gene, Proteine, Metaboliten und Organellen – in eine Lösung auf Wasserbasis freigesetzt wird. Das Lysat wird in zwei Proben aufgeteilt: eine für die Genanalyse (scRNA-seq) und eine für die Stoffwechselanalyse (scMS).

„Weil jede Zelle ihre eigene Position in der 96-Loch-Platte hat, kann später jeder Datenpunkt genau zugeordnet werden. So lässt sich die Genaktivität einer Zelle direkt mit ihren chemischen Inhaltsstoffen vergleichen – und das in derselben Zelle“, betont Anh Hai Vu, die zweite Erstautorin.

Zelltypen als Spezialisten

Das Forschungsteam testete die neue Methode am Madagaskar-Immergrün (Catharanthus roseus), einer Heilpflanze, aus der die Krebsmedikamente Vinblastin und Vincristin gewonnen werden. Die Biosynthese dieser Wirkstoffe ist komplex und wurde bereits intensiv erforscht – und dabei sind mindestens drei verschiedene Zelltypen beteiligt.

„Wir glauben, dass unsere neue Methode die Identifizierung wichtiger Stoffwechselwege beschleunigen wird, indem sie klare Einblicke in die beteiligten Zelltypen liefert. Außerdem wird sie die Entdeckung neuer Zelltypen in anderen Heilpflanzen ermöglichen und Vergleiche der Logistikstrategien verschiedener Pflanzenarten erleichtern“, fasst Sarah O’Connor zusammen.

Weitere Entwicklungen

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler optimieren derzeit mehrere Schritte des Arbeitsablaufs und automatisieren Teile des Protokolls, um die Reproduzierbarkeit zu verbessern und die Versuchszeit zu verkürzen. Zudem wenden sie den Ansatz der kombinierten Analyse von Sequenz- und Metabolitdaten in einer Zelle auch auf andere Pflanzenarten und Gewebe, beispielsweise Blätter, Wurzeln und Stängel, an, um potenzielle Schwachstellen zu ermitteln und robustere Verfahren zur Probenvorbereitung zu entwickeln.

Des Weiteren werden Anstrengungen unternommen, um die Kosten pro Versuch zu senken und die Methode einem breiteren Nutzerkreis zugänglich zu machen. Die Methode trägt zu einem besseren Verständnis pflanzlicher Stoffwechselprozesse bei und könnte die nachhaltige Herstellung pflanzlicher Arzneimittel künftig beschleunigen.

Quelle: Max-Planck-Institut für chemische Ökologie


Originalpublikation: Moonyoung Kang et al.; Single-cell metabolome and RNA-seq multiplexing on single plant cells; PNAS, Oktober 2025, DOI: 10.1073/pnas.2512828122


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