Bis 2018 gab es für Dialysepatienten und andere immungeschwächte Personen wenig Hoffnung, sich mit fortschreitendem Lebensalter gegen Gürtelrose impfen zu lassen. Bis dahin gab es nur einen so genannten Lebendimpfstoff gegen das Virus „Varizella zoster“ aus der Familie der Herpesviren, das im Kindesalter Windpocken auslöst, sich dann inaktiv im Körper einnistet und später, wenn das Immunsystem schwächer wird, wieder aktiv wird und den schmerzhaften Ausschlag auslösen kann.
„Der Lebendimpfstoff, der inzwischen nicht mehr angeboten wird, wirkt ähnlich wie der Erreger selbst und kann bei Immungeschwächten eine heftige Immunreaktion auslösen“, erklärt Martina Sester, Professorin für Transplantations- und Infektionsimmunologie an der Universität des Saarlandes.
Impfschutz bei Dialysepatienten
„Immungeschwächten Personen, darunter zählen zum Beispiel auch Dialysepatienten, sollte dieser Impfstoff nicht verabreicht werden.“ Ausgerechnet bei diesen immungeschwächten Menschen hatte der Erreger bis dahin also noch leichteres Spiel als bei immungesunden Personen im fortgeschrittenen Lebensalter.
Seit 2018 aber gibt es einen so genannten Totimpfstoff, auf den das Immunsystem bei Gesunden deutlich weniger heftig reagiert als auf den Lebendimpfstoff und der daher von der Ständigen Impfkommission (Stiko) für immungeschwächte Personen auch empfohlen wird. Allerdings war bisher noch nicht untersucht worden, wie das Immunsystem von immungeschwächten Menschen wie zum Beispiel Dialysepatienten genau reagiert. Das hat Martina Sester gemeinsam mit ihrer Doktorandin Franziska Hielscher sowie weiteren Kolleginnen und Kollegen untersucht. Die Studie wurde nun im Fachmagazin eBioMedicine veröffentlicht.
Totimpfstoff gegen Varizella-zoster
„Unterm Strich konnten wir herausfinden, dass die Impfung mit dem Totimpfstoff gegen das Varizella-zoster-Virus bei Dialysepatienten sehr gut wirkt und im Vergleich zu immungesunden Personen sogar leichtere Nebenwirkungen hervorruft“, fasst Franziska Hielscher das zentrale Ergebnis ihrer Studie zusammen. Eine besondere Rolle spielen hierbei die so genannten T-Zellen, die neben den Antikörpern Krankheitserreger im Körper bekämpfen.
„Wir haben uns die T-Zellen vor der Impfung angeschaut und dann nochmal die Konzentration der T-Zellen nach der ersten Impfung und nach der zweiten Impfung, die zwei bis sechs Monate nach der ersten Impfung verabreicht wird“, so Franziska Hielscher. Kurz nach der ersten Impfung sieht man demnach einen Anstieg in der Konzentration der T-Zellen sowohl bei Gesunden als auch bei den Dialysepatienten.
Langzeiteffekte und Wirksamkeit
Zwei Wochen später sinkt die Konzentration der T-Zellen allerdings wieder ungefähr auf das Ausgangsniveau, das die natürliche Immunisierung darstellt, die sich durch die Infektion im Kindesalter entwickelt hat. „Bei der zweiten Impfung sehen wir dann einen deutlich stärkeren Anstieg der T-Zellen als nach der ersten Impfung“, führt Martina Sester weiter aus. „Aufgrund der besonderen Rolle der T- Zellen bei der Abwehr des Virus ist hierdurch auch von einem Anstieg der Wirksamkeit auszugehen“, so die Immunologin weiter.
Die beiden Wissenschaftlerinnen schlussfolgern daraus, dass die Wirkung der Impfung daher sehr gut ist und die immungeschwächten Dialysepatienten nach der Impfung einen ähnlich hohen Impfschutz genießen wie immungesunde Personen. Zwar sprechen immungesunde Menschen noch leicht besser auf die Impfung an und die Immunität ist ein Jahr nach Impfung etwas deutlicher erhalten, aber sehr groß ist der Unterschied nicht.
Auffrischungsimpfungen für vulnerable Gruppen
Auch im Hinblick auf die Nebenwirkungen haben Franziska Hielscher und Martina Sester eine erfreuliche Botschaft für Dialysepatienten: „Insgesamt zeigten die Dialysepatienten sogar weniger starke Impfreaktionen als die gesunde Kontrollgruppe“, fasst Franziska Hielscher zusammen. Rötungen und Schwellungen um die Einstichstelle, Schmerzen, Fieber: All diese unangenehmen Begleiterscheinungen traten bei den immungeschwächten Patienten im Mittel schwächer zu Tage als bei den gesunden Personen.
Ob der Impfschutz bei dieser vulnerablen Gruppe auch genauso lange anhält wie bei den gesunden Probanden, muss allerdings noch untersucht werden. „Falls die Immunantwort dann im Laufe der Zeit zu stark abfällt, könnten sich die betroffenen Menschen ganz einfach mit einer Auffrischungsimpfung boostern lassen, ähnlich wie es vulnerablen Gruppen im Gegensatz zu gesunden Menschen mit einer Corona-Impfung auch empfohlen wird“, so Martina Sester. An der wichtigen Botschaft jedoch ändert das nichts: Die Impfung gegen die Gürtelrose ist auch für immungeschwächte Menschen nachgewiesenermaßen ebenso wirksam wie verträglich.
Quelle: Universität des Saarlandes
Originalpublikation: Franziska Hielscher et al.; The inactivated herpes zoster vaccine HZ/su induces a varicella zoster virus specific cellular and humoral immune response in patients on dialysis; eBioMedicine, 2024, DOI: 10.1016/j.ebiom.2024.105335