Nierensteine gehören weltweit zu einer der Volkskrankheiten. Zehn Prozent der Deutschen leiden nach Angaben der AOK einmal in ihrem Leben an einem Nierenstein. Dessen Größe variiert und kann schlimmstenfalls die Ausmaße einer Walnuss annehmen. Zu den Risikofaktoren für deren Bildung gehören eine unausgewogene Ernährung, Bewegungs- sowie Flüssigkeitsmangel.
Die Behandlungsmöglichkeiten umfassen sowohl medikamentöse als auch minimalinvasive Therapien. Durch die permanent weiterentwickelten technischen Möglichkeiten entscheiden sich Urologen immer häufiger für den Eingriff per Endoskop. Dieses wird über die Harnwege in die Niere eingeführt, um die Steine zu lokalisieren und gezielt zu entfernen.
Ist der Nierenstein größer als fünf Millimeter und damit größer als die natürlichen Harnwege, muss er durch einen Laser zertrümmert werden. Dabei fallen unterschiedlich große Bruchstücke an. Die größeren können mit einem Greifer entfernt werden. Die kleinen Reste sind jedoch zu winzig, um sie mit den Greifinstrumenten zu fassen. Die in der Niere zurückbleibenden Fragmente können so innerhalb weniger Monate zu einem großen Stein heranwachsen, der erneut Beschwerden auslöst.
Biokompatibles Zweikomponentensystem
Dieses Problems hat sich die Purenum GmbH angenommen. Das Unternehmen wurde im Dezember 2017 aus dem Fraunhofer IFAM in Bremen von Manfred Peschka und Prof. Dr. Ingo Grunwald ausgegründet. Die Grundlage für den erfolgreichen Start des Unternehmens legte die Teilnahme am Förderprogramm GO-Bio (kurz für Gründungsoffensive Biotechnologie) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung BMBF.
Das Mittel der beiden Forscher im Kampf gegen die winzigen Steinreste ist ein Hydrogel, welches aus biokompatiblen Grundstoffen hergestellt wird. Es besteht aus zwei flüssigen Komponenten, die für einen guten Farbkontrast blau und gelb eingefärbt sind. Auf diese Weise kann der Operateur die Dosierung sehr genau steuern. Als Erstes wird die blaue Komponente appliziert. Sie umfließt und benetzt die Steinreste. Im nächsten Schritt wird die gelbe Komponente zugegeben. Die Anwendung ist sehr einfach, weil die beiden Komponenten nicht gemischt werden müssen.
Die Zugabe der gelben Komponente führt innerhalb weniger Sekunden zur Gelbildung. Dieses Gel ist fest genug, um die kleinen Steinreste im Inneren festzuhalten. Es ist auch elastisch genug, um mit einem Greifer gegriffen und durch enge Kanäle (wie ein Endoskop) gezogen werden zu können.
So kann der Operateur das Gel mit den Steinresten problemlos via Endoskop aus der Niere herausziehen. Nach der Operation lässt es sich einfach auflösen, um die Steine analysieren zu können. „Unter dem Namen mediNiK®-basic soll es im zweiten Quartal dieses Jahres deutschlandweit auf den Markt kommen“, erläutert Manfred Peschka, CEO der Purenum GmbH.
Internationales Interesse
„Der Begriff ›steinfrei‹ ist nicht genau beschrieben, es gibt mehrere Definitionen. Auch fehlen systematische Untersuchungen bei Patienten, die Auskunft geben über die während der OP geborgenen Steingrößen“, sagt Dr. Ingo Grunwald, CTO bei Purenum, und fährt fort: „Hierfür lassen wir aktuell eine klinische Studie an fünf verschiedenen Standorten durchführen. Mit Abschluss der Studie können wir unser Leistungsversprechen untermauern, dass wir mit mediNiK® in der Lage sind, mehr von den kleinen Steinfragmenten zu entfernen als ohne den Einsatz unseres Hydrogels.“
Das Medizinprodukt weckt auch internationales Interesse. Die Purenum GmbH erhält Anfragen aus aller Welt. „Es gibt bislang kein vergleichbares Produkt, mediNiK® ist in der Urologie eine Weltneuheit“, so der Biologe, und sein Kollege Manfred Peschka ergänzt: „Unseren Erfolg verdanken wir zu einem großen Teil dem Fraunhofer IFAM. Ohne die hervorragende Unterstützung durch dessen Institutsleiter Prof. Dr. Bernd Mayer gäbe es die Purenum GmbH nicht.“
Die Vision
Die Forschungsaktivitäten der Purenum GmbH beschränken sich nicht auf mediNiK®: Im BMBF geförderten Projekt »mediGLUE« untersuchen die beiden Forscher mit ihren Mitarbeitern Klebstoffformulierungen, die für das Kleben von Knochenfragmenten geeignet sein könnten. Die Vision hinter diesem Forschungsvorhaben ist, eines Tages bei einem komplizierten Knochenbruch im Gelenkbereich auch die bislang nicht fixierbaren kleinen Splitter in den Heilungsprozess zu integrieren.
Dadurch wird erwartet, dass nach Abschluss der Heilung wieder eine vollständige Beweglichkeit des Gelenks erzielt wird. Noch weiter in der Zukunft liegt die Möglichkeit, einen Klebstoff an großen Knochen als Ersatz für Platten, Schrauben und Nägel zu verwenden. Der Einsatz eines solchen Klebstoffs würde eine zweite Operation überflüssig machen, bei der das Osteosynthesematerial wieder entfernt wird. „Das ist aktuell noch Science Fiction“, sind sich die beiden Gründer einig, ergänzen aber sofort: „Wer etwas erreichen will, muss sich hohe Ziele setzen und auch die Möglichkeit des Scheiterns mit einkalkulieren. Wir sind Optimisten!“
Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft