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Frau schließt Nase mit der Hand wegen schlechter Verkehrsbelastung.

Feinstaubbelastung verursacht jährlich mehr als sechs Millionen Todesfälle. © Werawad Ruangjaroon / iStock / Getty Images Plus

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Feinstaub-Analyse: Innovative Echtzeitmessung enthüllt unterschätzte Gesundheitsgefahr

Wer über Jahre hinweg belastete Luft atmet, hat ein höheres Risiko für eine Vielzahl an Erkrankungen. Im Verdacht stehen dabei hochreaktive Komponenten im Feinstaub, die Prozesse im Körper verändern. Forschende der Universität Basel zeigen nun aber: Genau diese Komponenten verflüchtigen sich binnen Stunden, sodass bisherige Messungen ihre Menge völlig unterschätzten.

Chronische Atemwegsprobleme, Herz-Kreislauferkrankungen bis hin zu Diabetes und Demenz: Die gesundheitlichen Schäden durch Feinstaubbelastung sind vielfältig und schwerwiegend. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass jährlich über sechs Millionen Todesfälle von erhöhter Feinstaubexposition verursacht werden.

Noch vielfältiger ist die chemische Zusammensetzung dieser winzigen Partikel in der Luft, die aus menschengemachten und natürlichen Quellen stammen. Welche Partikel im Körper welche Reaktionen und langfristig Erkrankungen auslösen, ist Gegenstand intensiver Forschung.

Gefahren durch Sauerstoffradikale

Im Fokus stehen besonders reaktionsfreudige Komponenten, in Fachkreisen Sauerstoffradikale oder „Reactive Oxygen Species“ genannt. Diese können in den Atemwegen mit Biomolekülen auf und in Zellen reagieren – Fachleute sprechen von „oxidieren“ – und sie dadurch schädigen, was wiederum Entzündungsreaktionen auslösen und Auswirkungen auf den ganzen Körper haben kann.

Bisher sammelten Fachleute den Feinstaub auf Filtern und analysierten die Partikel mit einer Verzögerung von Tagen bis Wochen. „Weil diese Sauerstoffradikale so schnell mit anderen Molekülen reagieren, müsste man sie aber ohne Verzögerung messen“, erklärt der Atmosphärenwissenschaftler Prof. Dr. Markus Kalberer den Gedanken hinter der Studie, die er und sein Team soeben in „Science Advances“ veröffentlicht haben.

Echtzeitmessung von Feinstaub

Das Team vom Departement Umweltwissenschaften hat eine neue Methode entwickelt, um Feinstaub in Sekundenschnelle zu messen. Die Partikel werden dabei direkt aus der Luft in einer Flüssigkeit gesammelt. Dort kommen sie mit verschiedenen Chemikalien in Kontakt. Die Sauerstoffradikale reagieren in dieser Lösung und erzeugen quantifizierbare Fluoreszenzsignale.

Die Messungen mit der neuen Methode zeigen: 60 bis 99 Prozent der Sauerstoffradikale verschwinden binnen Minuten oder Stunden. Die bisherigen Analysen von Feinstaub über die Filterablagerung hat somit ein verzerrtes Bild geliefert. „Weil der Messfehler bei der verzögerten Analyse aber nicht konstant ist, lässt er sich nicht so einfach herausrechnen“, so Kalberer. Der echte Anteil schädlicher Substanzen im Feinstaub liege deutlich höher als bisher angenommen.

Die Herausforderung bei der neuen Methode bestand laut dem Atmosphärenforscher vor allem darin, ein Messgerät zu entwickeln, dass autonom und kontinuierlich chemische Analysen unter stabilen Bedingungen nicht nur im Labor, sondern auch während Feldmessungen an unterschiedlichsten Standorten durchführt.

Stärkere Entzündungsreaktionen

Weitere Untersuchungen mit Lungenepithelzellen im Labor lieferten außerdem Hinweise, dass insbesondere die kurzlebigen hochreaktiven Bestandteile des Feinstaubs anders wirken als die Partikel, die mit den bisherigen verzögerten Messungen analysiert wurden. Die kurzlebigen Feinstaubpartikel lösten andere und stärkere Entzündungsreaktionen aus.

In einem nächsten Schritt soll das Messgerät weiterentwickelt werden, um tiefere Einblicke in die Zusammensetzung und Auswirkungen von Feinstaub zu gewinnen. „Wenn wir den Anteil hochreaktiver, schädlicher Komponenten genauer und zuverlässig messen, lassen sich auch besser Schutzmaßnahmen ergreifen“, erklärt Markus Kalberer.

Quelle: Universität Basel


Originalpublikation: Steven J. Campbell et al.; Short-lived reactive components substantially contribute to particulate matter oxidative potential; Science Advances, März 2025, DOI: 10.1126/sciadv.adp8100

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