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Die meisten etablierten Krebsmedikamente beeinflussen direkt oder indirekt den hyperaktiven Tumorstoffwechsel. © CIPhotos / iStock / Getty Images Plus

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Tumorforschung: KI sagt Wirkungsweise neuer Antikrebsmittel voraus

Pflanzen, Pilze und Bakterien produzieren eine Vielzahl an Wirkstoffen, die den Zellstoffwechsel, mitunter bis zum Zelltod, verändern. Das macht sie zu aussichtsreichen Kandidaten für neue Medikamente gegen Krebs und andere Erkrankungen. Trotz dieser Vielfalt an vorhandenen Wirkstoffen gestaltet sich die Weiterentwicklung dieser bioaktiven Substanzen zu neuen Antikrebsmitteln schwierig, vor allem, weil die Aufklärung ihrer Wirkungsweise sehr zeitaufwendig und teuer ist. Wissenschaftler/innen des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie und Partnern an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Universität Dhofar (Oman) ist nun ein großer Schritt gelungen, diese Hürde künftig besser zu meistern. Mit ihrer modernen Analytik der Zell-Inhaltsstoffe und KI-basierter Auswertung konnten sie erfolgreich die Wirkungsweise von neuen Antikrebswirkstoffen vorhersagen.

Krebszellen zeichnen sich durch unkontrollierte Zellteilungen aus, die durch einen extrem erhöhten Zell- und Energiestoffwechsel ermöglicht werden. Für die Bildung von immer wieder neuen Zellen müssen zudem ausreichend DNA-Bausteine und Fette für neue Zellmembranen bereitgestellt werden. Diese abnorme Hochregulierung der zentralen Stoffwechselwege unterscheidet entartete Zellen von normalen Zellen und bildet daher einen guten Angriffspunkt für Therapeutika.

Die meisten etablierten Krebsmedikamente beeinflussen direkt oder indirekt den hyperaktiven Tumorstoffwechsel, was in der Konsequenz zum Absterben der teilungsfreudigen Zellen führt. Wirkstoffe gegen Krebs können beispielsweise die Aufnahme von Zucker in die Zellen blockieren oder bestimmte Enzyme hemmen, die zur Energiegewinnung gebraucht werden oder die zur Produktion von Fettsäuren unerlässlich sind.

Tumor-Inhibitoren und ihre Wirkung

Da jeder Zellteilung zunächst eine Verdopplung des Erbguts vorangeht, ist auch die Blockade der DNA-Biosynthese und der Zellteilung selbst ein gutes Angriffsziel für Antikrebsmittel. Ganz konkret bewirken die verschiedenen Tumor-Inhibitoren, dass die Krebszellen – je nach eingesetztem Wirkstoff – bestimmte Zwischenprodukte ihres Stoffwechsels nicht mehr ausreichend bilden können.

Diese Stoffwechselprodukte der Tumorzellen – man nennt sie auch Metaboliten – bilden also in ihrer Gesamtheit ein ganz spezifisches Muster oder Metabolitenprofil. Die Ermittlung solcher Metabolitenprofile, also die Bestandsaufnahme aller Zell- oder Gewebe-Metaboliten, ist beispielsweise mit massenspektrometrischen Methoden möglich und wird Metabolomik genannt.

Zelltoxische Substanzen

Laut Hypothese der Hallenser Wissenschaftler sollten jene Wirkstoffe, die in den Krebszellen die gleichen Zielproteine attackieren, dort auch ähnliche Metabolitenprofile hervorrufen. Zur Bestätigung dieser Annahme applizierten sie 38 verschiedene zelltoxische Substanzen mit bereits bekannter Wirkungsweise – darunter einige zurzeit eingesetzte Krebsmedikamente – auf Prostatakrebszellen und erfassten anschließend die Metabolitenprofile der behandelten Zellen.

Auf diese Weise fand man in der Tat, dass Tumor-Inhibitoren mit gleichen Wirkmechanismen ähnliche Metabolitenprofile hervorrufen und konnte die Metabolitenmuster der behandelten Tumorzellen den getesteten Krebsmedikamenten zuordnen. Diese Zusammenhänge zwischen der Wirkungsweise eines Medikaments und dessen metabolischen Fingerabdruck in den behandelten Krebszellen wurden als Trainingseinheiten an die KI verfüttert.

Prädiktive Modellierung der Wirkstoffwirkung

Anschließend applizierten die Hallenser Wissenschaftler neue pflanzliche Naturstoffe mit gesicherten krebshemmenden Eigenschaften auf die Prostatakrebszellen und erstellten auch hier die entsprechenden Metabolitenprofile. Mit Hilfe des maschinellen Lernens konnten sie so die Wirkungsweise der neuen Wirkstoffe sicher vorhersagen.

So blockieren beispielsweise Triterpene wie 11-Keto-β-Boswelliasäure aus dem Weihrauch, die Maslinsäure als Bestandteil des Olivenöls und die Betulinsäure aus der Birkenrinde den Energiestoffwechsel der Krebszellen und töten sie damit ab. Die maschinellen Wirkungs-Vorhersagen aus dem Mustertraining des Prostatakrebsmodells wurden anschließend auch an Brustkrebs- und Ewing-Sarkom-Zellmodellen getestet, wo sie ebenfalls gute, allerdings weniger exakte Vorhersagen lieferten, da die KI nicht an diesen Zelltypen trainiert wurde.

Optimierung der Chemotherapie-Effizienz

Die Kombination aus Metabolomik und KI ist eine hervorragende Methode, um die Wirkungsweise von zellabtötenden Naturstoffen besser vorherzusagen und damit die Entwicklung von neuen Krebsmedikamenten zu beschleunigen, so das Fazit der Hallenser Wissenschaftler. Das neue Verfahren ist zudem geeignet, die Wirkungsweise von bereits eingesetzten Chemotherapeutika noch genauer zu verstehen und eventuell noch unbekannte physiologische Wirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten aufzudecken.

Das ist besonders hilfreich für den Einsatz von verschiedenen Antitumormitteln bei Kombinations-Chemotherapien. Die Vorhersagekraft dieses Ansatzes wird sich weiter verbessern, wenn die Anzahl der Trainingssätze erhöht und auf weitere Trainingsmedikamente und andere Krebszelltypen ausgeweitet wird.

Quelle: Institut für Pflanzenbiochemie


Originalpublikation: Mohamad Saoud et al.; Advancing Anticancer Drug Discovery: Leveraging Metabolomics and Machine Learning for Mode of Action Prediction by Pattern Recognition; Advanced Science, 2024, DOI: 10.1002/advs.202404085

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