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3D-Animation menschlicher Antikörper.

Betroffene mit fehlgeleiteten Antikörpern können keine vollständige Immunabwehr aufbauen & sind anfällig für Virusinfektionen. © mirror images / iStock / Getty Images Plus

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Immunsystem: „Ködermoleküle“ neutralisieren schädliche Antikörper und stärken Abwehr

Ein Immundefekt macht Betroffene anfällig für schwere Viruserkrankungen wie Grippe oder COVID-19. Ursache sind körpereigene Antikörper, die wichtige Proteine des Abwehrsystems blockieren. UZH-Forschende haben nun die Grundlage für eine mögliche neue Therapie entwickelt: „Ködermoleküle“ fangen die fehlgeleiteten Antikörper ab und stellen so die Virenabwehr wieder her.

Interferone vom Typ I sind Proteine, die Zellen als Reaktion auf Virusinfektionen ausschütten. Sie sind zentrale Akteure der angeborenen Immunabwehr und alarmieren andere Zellen, um das Eindringen der Viren und deren Vermehrung einzudämmen.

Etwa 2–4 Prozent der Menschen über 65 Jahre – weltweit rund 100 Millionen – haben Autoantikörper im Blut, die ihre eigenen Typ-I-Interferone neutralisieren. Betroffene mit solchen fehlgeleiteten Antikörpern können keine vollständige Immunabwehr aufbauen und sind besonders anfällig für schwere Virusinfektionen wie Grippe, COVID-19 oder Gürtelrose. Eine zielgerichtete Behandlung gibt es bisher nicht.

Blutproben von Betroffenen

Ein Forschungsteam der Universität Zürich (UZH) hat nun im Detail entschlüsselt, wie diese Autoantikörper die Typ-I-Interferone erkennen und blockieren. „Unsere Idee war es, basierend auf diesen Erkenntnissen Ködermoleküle zu entwickeln, die an die Autoantikörper binden und sie daran hindern, die körpereigenen Interferone zu hemmen“, sagt Studienleiter Benjamin Hale, Professor am Institut für Medizinische Virologie der UZH. Gemäß Hale könnten die künstlichen Moleküle zu einer neuen Behandlungsstrategie führen, die den Immundefekt rückgängig macht und das Risiko für schwere Infektionen senkt.

Zunächst analysierten die Forschenden Blutproben aus einer Biobank von 20 Personen, bei denen zuvor Autoantikörper gegen Typ-I-Interferone nachgewiesen worden waren. Einige dieser Patientinnen und Patienten hatten schwere COVID-19-Verläufe und mussten auf der Intensivstation des Universitätsspitals Zürich (USZ) behandelt werden. „Der Zugang zu diesen Biobank-Proben des USZ und der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie war entscheidend für den Erfolg der Studie“, betont Erstautor Kevin Groen.

Ködermoleküle blockieren Antikörper

Die Forschenden kartierten dann die „molekularen Fußabdrücke“ der Typ-I-Interferone – die genauen Regionen, die diese Autoantikörper auf den Proteinen erkennen. Auf diese Weise konnten sie im Labor Moleküle entwickeln, die aus Sicht der Autoantikörper wie Interferone aussehen, aber inaktiv sind und das Immunsystem nicht überreizen.

In Zellkulturexperimenten zeigte sich, dass die künstlichen Moleküle als Köder fungieren und die schädlichen Autoantikörper abfangen. Dadurch wird die antivirale Wirkung der Typ-I-Interferone wiederhergestellt und Viren wie Influenza können wirksamer bekämpft werden. Zusätzlich könnten die Ködermoleküle genutzt werden, um gezielt pathogene Autoantikörper aus Blutproben zu entfernen, ohne andere für die Virusabwehr wichtige Antikörper zu beeinträchtigen. „Dies könnte langfristig in Therapien wie der Plasmapherese zur Blutreinigung Anwendung finden“, sagt Groen.

Wegbereiter für künftige Therapien

Die Laborstudie liefert einen ersten Nachweis, dass neu entwickelten Ködermoleküle die schädlichen Effekte von Autoantikörpern gegen Typ-I-Interferone wirksam neutralisieren. „Unsere Ergebnisse sind ein vielversprechender Schritt in Richtung einer neuen Behandlung, die die Anfälligkeit für Virusinfektionen und die Schwere der Erkrankung senken könnte“, sagt Kevin Groen. Allerdings seien weitere Optimierungen nötig, bevor klinische Tests beginnen könnten, so Groen.

Quelle: Universität Zürich


Originalpublikation: Kevin Groen et al.; Type I interferon autoantibody footprints reveal neutralizing mechanisms and allow inhibitory decoy design; Journal of Experimental Medicine, März 2025, DOI: 10.1084/jem.20242039

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