Drogen „manipulieren“ das Gehirn. Sie setzen Botenstoffe frei, die zunächst Wohlbefinden auslösen und so zur Sucht führen. Verschiedene Mechanismen im Gehirn sorgen dafür, dass das Verlangen immer größer wird, gleichzeitig die Bedeutung anderer Dinge wie Partnerschaft, Freundschaften, Hobbies oder Beruf abnimmt. „Drogen machen uns zu Zombies, wir werden fremdgesteuert und verlieren uns als Mensch, das eigene Sein wird der Droge untergeordnet“, so der Neurologe und Psychologe Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung.
Drogen und neurologische Schäden
„Erklären lässt sich das durch drogenkonsumbedingte Erhöhung von Botenstoffen im Gehirn – z. B. Dopamin, wodurch das ‚Belohnungszentrum‘ befeuert wird. Das gewöhnt sich an die hohen Konzentrationen und möchte immer mehr ‚Stoff‘ – damit beginnt die Sucht.“ Drogen ebnen aber nicht nur im Gehirn den Weg in die Abhängigkeit, sie richten dort auch viele andere Schäden an – Halluzinationen, Agitiertheit, Psychosen und Paranoia sind bekannte Begleit- und Folgeerscheinungen.
Weitgehend unbekannt ist jedoch, dass der Konsum von Kokain langfristig auch schwere neurologische Krankheiten nach sich ziehen kann, worauf die Deutsche Hirnstiftung und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie zum Weltdrogentag eindringlich hinweisen, zumal sich der Kokainkonsum in Deutschland deutlich erhöht hat.
Erhöhtes Risiko für Schlaganfälle
Vor zwei Jahren zeigte eine systematische Metaanalyse von 36 Studien, dass der Konsum von Kokain das Risiko für Hirnblutungen und ischämischen Schlaganfällen verfünffacht. „Ein Schlaganfall tritt meistens erst in der zweiten Lebenshälfte auf. In aktuellen epidemiologischen Studien sehen wir aber, dass gerade die Schlaganfallrate von jüngeren Menschen unter 50 Jahren angestiegen ist, möglicherweise hängt das auch damit zusammen, dass deutlich mehr Kokain in Deutschland konsumiert wird“, erklärt Prof. Dr. Peter Berlit, DGN-Generalsekretär.
Eine weitere Erkenntnis der Metaanalyse: Die Kokainkonsum-bedingen Schlaganfälle enden öfter tödlich (OR: 1,77) und gehen häufiger mit Komplikationen wie Gefäßspasmen (OR: 2,25) und epileptischen Anfällen (OR: 1,61) einher. Von Bedeutung sind dabei Kokain-induzierte Gefäßveränderungen, denn die Droge beeinträchtigt die vaskuläre Funktion, führt zur Verengung und Entzündung der Blutgefäße (Vasokonstriktion und Vaskulitis). Das verursacht nicht nur die suchttypischen Kopfschmerzen, sondern scheint auch ein Grund für die erhöhte Schlaganfallrate von Kokain-Abhängigen zu sein.
So katalysiert Kokain die Hirnalterung
Eine weitere Folge des regelmäßigen Kokainkonsums ist besonders weitreichend: Kokain beschleunigt den Alterungsprozess des Gehirns, indem es die Hirnstruktur verändert. Eine 2023 publizierte Studie verglich das Hirngewebe von Kokain-Abhängigen und Nicht-Konsumenten. Festgestellt wurde bei den Suchtkranken eine ausgedehnte Atrophie der grauen Substanz in den Bereichen Temporallappen, Frontallappen, Insula und limbischer Lappen. Dieser Schwund an Nervenzellen ist ein typisches Zeichen für sogenannte neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson – und führte auch bei Kokain-Abhängigen zu einem höheren „Gehirnalter“.
Schon 2012 war eine Arbeitsgruppe der Frage nachgegangen, warum Langzeit-Kokain-Abhängige Einschränkungen in Bezug auf Gedächtnisleistung, Aufmerksamkeit und Reaktionszeit aufweisen und führte eine Bildgebungsstudie durch. Auch hier zeigte sich eine schnellere Abnahme der grauen Substanz, der Schwund ging doppelt so schnell vonstatten wie bei gesunden Menschen. Die Hirnscans von 30- und 40-jährigen Kokain-Konsumenten zeigen die gleichen pathologischen Veränderungen wie die von über 60-Jährigen ohne Drogenproblem.
„Das Perfide ist, dass Kokain oft von Menschen geschnupft wird, die ihre kognitive Leistungsfähigkeit steigern wollen. Die Droge hat hier zwar tatsächlich einen kurzfristigen Effekt, doch den zahlt man langfristig doppelt und dreifach in der gleichen Währung zurück. Sogar gelegentlicher Kokain-Konsum könnte einer Erhebung zufolge bereits mit kognitiven Defiziten verbunden sein. Dieses Risiko kennen jedoch die wenigsten Konsumenten, hier gilt es aufzuklären“, betont Erbguth anlässlich des anstehenden Weltdrogentags am 26. Juni.