Malaria-Erreger sind schnell. Die aus einer einzigen Zelle bestehenden Parasiten bewegen sich rund zehnmal schneller durch das Gewebe unter der Haut als unsere körpereigene Abwehr, die Fresszellen des Immunsystems. Die sogenannten Plasmodien, gelangen durch einen Mückenstich vom Speichel der Mücke in den menschlichen Organismus. Ihr weiterer Weg führt sie von der Haut in die Blutbahn, von dort in Leberzellen und anschließend in Blutkörperchen.
Für diese zielgerichtete Eigenbewegung benutzen die Parasiten die gleichen Proteine wie auch menschliche Muskeln: Aktin und Myosin. Jedoch haben die beiden Proteine bei Plasmodien und anderen Einzellern eine etwas andere Form als beispielsweise bei Wirbeltieren. Aktinproteine bilden eine Art Schiene in Bewegungsrichtung, auf der sich Myosinproteine wie kleine Motoren entlang bewegen und dadurch die Zelle nach vorne schieben. Die Bestandteile dieser Fortbewegungsmaschinerie sind also weitgehend bekannt, die genauen Mechanismen jedoch noch unklar.
Wie können sich die Einzeller so schnell bewegen?
„In unserem nun geförderten Projekt wollen wir vor allem verstehen lernen, wie diese Proteine zusammenspielen, um Kraft und damit Bewegung zu erzeugen", erklärt Professor Frischknecht. „Immerhin erreichen die 0.01 Millimeter langen Parasiten die beachtliche Geschwindigkeit von rund 7 Millimetern pro Stunde." Das Forscherteam wird dazu gentechnisch veränderte Parasiten herstellen, bei denen gezielt kleine Defekte in den Komponenten der Bewegungsmaschinerie erzeugt werden.
Der Vergleich mit unveränderten Plasmodien soll schließlich zeigen, welche Bestandteile welche Funktion ausüben. Erste Messergebnisse zur Kraft, die die Malaria-Erreger für ihre Fortbewegung erzeugen, publizierte die Arbeitsgruppe um Frischknecht in Zusammenarbeit mit dem Team um Professor Dr. Joachim Spatz vom Institut für Biophysikalische Chemie der Universität Heidelberg.
Für ihre Messungen platzierten die Wissenschaftler mit Hilfe feinster Laserstrahlen, einer optischen Falle, winzige Plastik-Kügelchen auf der Oberfläche der Parasiten, ein Kügelchen pro Parasit. Dort bleibt es an bestimmten Oberflächenproteinen fest haften, der Einzeller kann es in der Bewegung nicht abstreifen. Bleibt das Kügelchen nun weiter in den Laserstrahlen gefangen und versucht Plasmodium „sich loszureißen", kann man mit Hilfe eines hochsensiblen Detektors die Kraft erfassen, die es dazu aufwendet.
Muskelproteine erzeugen Kraft zum Weiterkriechen
„Die Kräfte, die hier walten, sind natürlich minimal: Sie sind rund 100 Milliarden Mal kleiner als der Druck, den eine 1-Liter-Flasche Wasser auf unsere Hand ausüben würde", so Frischknecht. „Wir konnten damit aber zeigen, dass die durch Myosin erzeugte Kraft auf die Oberflächenproteine des Parasiten übertragen wird, mit denen er sich auch an seiner Umgebung anheftet. Diese Messungen sind die Grundlage für unsere weiteren Untersuchungen."
Mit dieser Projektidee konnte das Team um Professor Frischknecht einen besonderen Erfolg verbuchen: Die Forscher sind weltweit die einzigen die schon zweimal eine Förderung durch das Human Frontier Science Program einwerben konnten. Im aktuellen Wettbewerb wurde der Heidelberger Antrag sogar am besten bewertet.
Die Human Frontier Science Program Organization (HFSPO) ist ein internationaler Verbund zur Förderung der Grundlagenforschung zu komplexen Mechanismen lebender Organismen. Die geförderten Themen reichen von molekularen Fragestellungen bis hin zur Interaktion zwischen den Organismen. Gewünscht sind interdisziplinäre und internationale Kooperationen an den Überschneidungsgebieten der einzelnen Wissenschaftsgebiete.
Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg
Weitere Informationen
Publikation: Frischknecht F. et al.; Coupling of Retrograde Flow to Force Production During Malaria Parasite Migration; ACS Nano, 2016; DOI: 10.1021/acsnano.5b06417