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Eine Pinzette greift aus einer Ansammlung Mikroplastik auf.

Mikroplastik entsteht aus Alltagskunststoffen, transportiert Gifte und dringt tief in den Körper ein. © Svetlozar Hristov / iStock / Getty Images Plus

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Unsichtbare Gefahr: Mikroplastik gelangt bis ins Gehirn und bedroht die Gesundheit

„Mikroplastik ist eine wachsende Bedrohung für die Gesundheit der Menschen“, warnt Prof. Dr. Ingo Tausendfreund von der Westfälischen Hochschule. Er machte deutlich, wie allgegenwärtig Mikroplastik inzwischen ist – und wie schwer es fällt, die winzigen Teilchen überhaupt nachzuweisen oder ihre Auswirkungen auf Menschen und Umwelt vollständig zu verstehen. Die Hochschule entwickelt derzeit innovative Messmethoden, um besonders kleine Kunststoffpartikel – sogenanntes Submikroplastik (kleiner als 1 Mikrometer) und Nanoplastik (kleiner als 0,1 Mikrometer) – zuverlässig erfassen zu können.

„Nur wenn klar ist, wo und wie viel Mikroplastik in Umwelt, Lebensmitteln oder dem menschlichen Körper vorkommt, lassen sich sinnvolle Grenzwerte festlegen und überwachen“, erklärt der Spezialist für instrumentelle Analytik.

In der Ringvorlesung „Gemeinsam nachhaltig. Submikroplastik – die unsichtbare Gefahr für unsere Umwelt“ präsentierte Tausendfreund alarmierende Zahlen: „In den Gehirnen verstorbener Menschen wurden bei einer 2024 durchgeführten Untersuchung durchschnittlich mehr als fünf Gramm Mikroplastik gefunden – das entspricht etwa dem Gewicht einer Scheckkarte!“

Mikroplastik im menschlichen Körper

Die besondere Gefahr liegt in der winzigen Größe der Partikel: Sie können Zellwände durchdringen und sogar die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Zudem können sie Umweltgifte wie Schwermetalle oder Pestizide mittransportieren und diese direkt in empfindliche Organe einschleusen. Mikroplastik entsteht nicht nur durch industriell gefertigte Produkte, sondern auch im Alltag – etwa beim Abrieb von Autoreifen und Schuhsohlen oder beim Waschen synthetischer Kleidung.

Ein weiterer Ursprung ist die Verwitterung achtlos weggeworfener Kunststoffe in der Umwelt. „Das Plastik, das wir heute in Flüssen, Meeren, Pflanzen, Tieren – und eben auch im Menschen – finden, wurde oft vor Jahrzehnten produziert. Es baut sich nur sehr langsam ab – während ständig neues hinzukommt“, erklärt Tausendfreund. „Was heute achtlos entsorgt wird, ist morgen Mikroplastik.“

Plastik bis zum Mond

Die Vorlesung fand im Rahmen der Nachhaltigkeitsallianz für angewandte Wissenschaften NRW (NAW.NRW) statt, einem Netzwerk von 20 Mitgliedshochschulen in NRW. Interaktive Umfragen sorgten für Überraschungsmomente. Eine Frage lautete: „Wie hoch wäre ein Turm aus einem Kubikmeter großen Kunststoffwürfeln, wenn man die weltweit jährlich produzierte Plastikmenge aufstapeln würde?“

Antwort: Bis zum Mond! Und auch beim Thema Reifenabrieb staunten viele: Mehr als ein Kilogramm Mikroplastik pro Person entsteht jährlich allein in Deutschland durch Autoreifen, zusätzlich etwa 100 Gramm durch abgetragene Schuhsohlen.

Gesundheit und Umweltschutz

Die Teilnehmenden stellten zahlreiche Fragen – etwa zu den gesundheitlichen Folgen von Mikroplastik in Organen oder Möglichkeiten zur Entfernung der Partikel aus der Umwelt. Prof. Tausendfreund betonte, dass viele dieser Themen aktuell Gegenstand intensiver Forschung sind.

An der Westfälischen Hochschule arbeitet sein Team gemeinsam mit Studierenden an neuen Analyseverfahren und Entsorgungsstrategien, um Mikroplastik besser zu erkennen und die Belastung zu verringern.

Plastik differenziert betrachten

Trotz aller Risiken warnt Prof. Tausendfreund davor, Kunststoff grundsätzlich zu verurteilen: „Kunststoffe haben auch ökologische Vorteile – etwa, weil sie Autos leichter machen und so CO₂-Emissionen senken. Die Herausforderung liegt im richtigen Umgang damit.“

In Deutschland wird zwar über ein Drittel des gesammelten Plastikmülls recycelt. Doch die Vielzahl an Kunststoffsorten und Verunreinigungen erschwert das Recycling technisch wie wirtschaftlich. Recyclingkunststoff ist oft teurer als Neuware. Eine mögliche Lösung: Eine CO₂-basierte Besteuerung von Neuprodukten könnte Recycling wirtschaftlich attraktiver machen – und so den Einsatz von Altplastik fördern.

Quelle: Westfälische Hochschule

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