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Mit Mathematik gegen multiresistente Keime

Methicillin-resistente Keime Staphylococcus aureus (MRSA). © DTKUTOO/iStock/Thinkstock

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Forschung: Mit Mathematik gegen multiresistente Keime

Multiresistente Bakterien kommen besonders in Krankenhäusern und in der Massentierhaltung vor. Sie sind sehr gefährlich, weil die meisten Antibiotika bei diesen Erregern nicht mehr wirken. Zwei Forscher vom Forschungszentrum Matheon in Berlin wollen mit mathematischen Methoden Behandlungsmöglichkeiten finden.

Antibiotika-Kreislauf. © Hartmann/MATHEON

Alleine in Nordrhein-Westfalen haben sich im Jahr 2013 fast 31.000 Menschen mit multiresistenten Keimen in Krankenhäusern infiziert. Gerechnet auf die Anzahl der Gesamtpatienten jedoch nimmt NRW damit „nur“ einen Mittelplatz ein, in Thüringen erkrankte beinahe jeder zehnte Krankenhauspatient an multiresistenten Keimen, in Sachsen ist es jeder neunte. Von den geschätzten insgesamt jährlich 400.000 infizierten Patienten sterben etwa 15.000 an den Keimen.

Wiekommt es , dass die lange so hilfreichen Antibiotika immer öfter ihre Wirkung verlieren? Viele Experten machen den übermäßigen Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung dafür verantwortlich, denn über den Verzehr der mit diesen Medikamenten behandelten Tiere nehmen auch die Menschen regelmäßig diese Wirkstoffe ein, ohne dass eine akute Erkrankung vorliegt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stellte im Jahr 2013 fest, dass 90 Prozent des Mastgeflügels in Deutschland mit multiresistenten Keimen belastet ist.

Die Bakterien haben mittlerweile so effiziente Abwehrmechanismen gegen Antibiotika entwickelt, dass diese weitgehend wirkungslos bleiben. Die Mathematiker Carsten Hartmann und Max von Kleist haben sich deshalb am Institut für Mathematik der Freien Universität Berlin und am Forschungszentrum MATHEON in Berlin einen Ansatz überlegt, der diesen Teufelskreis durchbrechen könnte.

„Wir wollen mit mathematischen Methoden versuchen, zu einem effektiveren Einsatz vorhandener Antibiotika zu kommen, denn neben der Tiermast sind die zu häufige und falsche Anwendung der Antibiotika Ursachen für die Ausbreitung der multiresistenten Keime “, so Carsten Hartmann.

Ziel ist eine mathematische Optimierung

Ihre Überlegung: Eine Kombination unterschiedlicher Medikamente verabreichen. „In unserem Forschungsprojekt überlegen wir, wie man verschiedene Mittel optimal anwenden und kombinieren kann, so dass die Anzahl der Bakterien so gering wie möglich gehalten wird und man dann auch relativ schnell die zu bekämpfenden Bakterien abtötet“, erklären die Mathematiker.

Voraussetzungen dafür sind ein mathematisches Modell und effiziente Algorithmen, mit denen man im Computer simulieren kann, wie einzelne Bakterien auf bestimmte Medikamente reagieren. Die Mathematiker wollen auch verstehen, wie lange die Behandlung idealerweise andauern muss und wann die höchste Wahrscheinlichkeit besteht, dass wirklich alle Bakterien eliminiert worden sind.

„Normalerweise sollte es selbstverständlich sein, ein Medikament bis zum Ende zu nehmen. Dafür reicht eigentlich der normale Menschenverstand und man braucht noch keine Mathematik. Aber wenn die Gefahr einer Resistenz besteht, sollte man wissenschaftlich fundierte Methoden zur Verfügung haben, die einem helfen, die entsprechenden Risiken zu minimieren“, sagt Prof. Hartmann. Ziel ist letztlich eine mathematische Optimierung.

Derzeit untersuchen Carsten Hartmann und Max von Kleist, ob mit Hilfe eines deterministischen Modells eine optimale Lösung für die Medikamentengabe erreicht werden kann: „Im Gegensatz zum stochastischen Modell, bei dem die Bakterien in Gänze abtötet werden können, können beim deterministischen Modell die Konzentrationen der Bakterien bestenfalls beliebig klein werden, und das hat Auswirkungen auf die optimale Therapie.“

Die bisherigen Berechnungen zeigen nach Aussage der beiden Forscher, dass durch die auf Basis von Mittelwerten und Konzentrationen optimierte Medikamentengabe eine größere Erfolgswahrscheinlichkeit gegenüber einer standardisierten Therapie erreicht wird. Außerdem kann Therapie sogar zufälligen Schwankungen im Gesundheitszustand der Patienten Rechnung tragen.

Die Forscher nennen diese Eigenschaft „Robustheit der Therapie gegenüber Zufallseinflüssen“. „Es wäre natürlich hervorragend, wenn wir dazu kämen, dass man bei den einzelnen Patienten den Grad der Erkrankung misst und dann eine individuell angepasste Strategie zur Verfügung hat, die für diesen Patienten die optimale ist. Das ist aber sehr aufwendig und daher auch sehr teuer. Deswegen verfolgen wir einen Weg, der auf einem angenäherten deterministischen Modell beruht und zu „Daumenregeln“ führt, die den behandelnden Ärzten eine größtmögliche Sicherheit gibt, die richtige Behandlung anzuwenden“, so die Mathematiker.


Weitere Informationen:

Pressemitteilung

Forschungszentrum MATHEON ECMath

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