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Mit neuen Wegen aus dem Stimmungstief

Mit einer Behandlung durch eine Ultraschall-Sonde besser sich die Stimmung der Betroffenen deutlich. © Wavebreakmedia Ltd / Wavebreak Media / Thinkstock

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Depression: Mit neuen Wegen aus dem Stimmungstief

John J.B. Allen ist Psychologieprofessor an der University of Arizona. Mit einem Preis der Humboldt-Stiftung wird er jetzt für ein Jahr an der Universität Würzburg forschen. Er sucht nach neuen Wegen, Depressionen und Angststörungen zu behandeln.

Humboldt-Forschungspreisträger John Allen. © Gunnar Bartsch

Es klingt nach einer schrägen Idee: Menschen, die unter einer Depression oder einer Angststörung leiden, bekommen für kurze Zeit eine Ultraschall-Sonde an ihre Schläfe gehalten. Von dem Ultraschall selbst spüren sie nichts, aber etwa eine halbe Stunde nach dieser Behandlung bessert sich ihre Stimmung deutlich.

Tatsächlich konnte John Allen in den vergangenen Jahren in einer Reihe von Studien den stimmungsaufhellenden Effekt der Ultraschallwellen bei gesunden Probanden nachweisen. Ob dieser Effekt auch bei Patienten auftritt: Das will Professor John Allen in den kommenden Monaten untersuchen. Allen ist, ausgestattet mit einem Forschungspreis der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, ein Jahr lang Gast am Lehrstuhl für Psychologie I bei Professor Johannes Hewig.

„Ich kenne Johannes Hewig gut. Wir arbeiten schon seit 2009 zusammen“, antwortet John Allen auf die Frage, weshalb er sich für die Universität Würzburg als Standort für sein Forschungsprojekt entschieden hat; seit 2013 sei er deshalb regelmäßig einmal pro Jahr am Institut für Psychologie zu Besuch gewesen. Zudem, so Allen, gehöre das Institut für Psychologie der Universität Würzburg zu den besten in Deutschland, und die Universität Würzburg biete hervorragende Möglichkeiten und Rahmenbedingungen für Kooperationen in diesem Forschungsgebiet.

Charakteristische Muster im Gehirn

Allen und Hewig suchen im Gehirn von Menschen mit Depression oder Angststörungen nach charakteristischen Mustern, die sich zur Risikodiagnose anbieten – oder möglicherweise für eine Prognose. Sie kombinieren dabei zwei Techniken, die sich gut ergänzen: Das Elektroenzephalogramm (EEG) liefert Aussagen über die elektrische Aktivität der Nervenzellen mit einer zeitlichen Auflösung im Bereich von Millisekunden und einer schlechten räumlichen Auflösung. Die funktionelle Magnetresonanztomographie, abgekürzt fMRT oder fMRI, verfügt über die entgegengesetzten Eigenschaften: „Sie liefert äußerst exakte Aussagen über den Ort einer speziellen Aktivität, allerdings nur mit einer schlechten zeitlichen Auflösung“, erklärt Allen.

Mit den Daten aus diesen beiden Untersuchungstechniken hat Allen ein Muster der elektrischen Aktivität des Gehirns entdeckt, das für Menschen charakteristisch ist, die an einer Depression erkrankt sind – oder erkrankt waren oder das Risiko in sich tragen künftig daran zu erkranken. „Es zeigt sich bei ihnen eine Asymmetrie der Aktivität zwischen den beiden Frontallappen des Großhirns“, sagt der Psychologe.

Sein Traum wäre es jetzt, im Rahmen einer Langzeitstudie über mehrere Jahrzehnte hinweg zu zeigen, wie gut sich diese Muster dazu eignen, genaue Voraussagen zu treffen, ob ein bestimmter Mensch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit in sich trägt, an einer Depression zu erkranken. „Man könnte dann bei Personen, die solch einen Risikofaktor aufweisen, frühzeitig ein Präventionsprogramm starten, das sie im Idealfall davor bewahrt, tatsächlich zu erkranken“, sagt Allen. Ein Geldgeber für solch eine Studie sei allerdings schwer zu finden und derzeit leider nicht in Sicht. Deshalb will er vorerst versuchen, eine Vorhersage über kürzere Zeiträume genauer zu belegen.

Ein Zufallsbefund gab die Anregung

Ob Ultraschall zur Behandlung einer Depression oder Angststörung tatsächlich beitragen kann, und ob die Effekte von bereits existierenden Behandlungsmethoden verbessert werden können, will Allen während seines Aufenthalts in Würzburg erforschen. Ein Zufallsbefund sei diese Beobachtung gewesen, erzählt er. Ein Kollege von ihm an der University of Arizona, der Anästhesist Stuart Hamerhoff, hatte seinen Patienten Ultraschall „verabreicht“ in der Hoffnung, damit Schmerzen lindern zu können. Dabei entdeckte er, dass die Schmerzen zwar nur gering nachließen, sich aber überraschenderweise die Stimmung der Patienten verbesserte. Diese Beobachtung hatte er Allen geschildert und angeregt, der Sache nachzugehen.

Während seines Aufenthalts in Würzburg will John Allen gemeinsam mit dem Team von Johannes Hewig und anderen Mitarbeitern am Institut für Psychologie untersuchen, ob Ultraschall die Wirksamkeit einer Psychotherapie bei Patienten, die an einer Depression erkrankt sind, steigern kann. Zusätzlich werden sie grundsätzliche Einflüsse von Ultraschall auf Emotion und Motivation gesunder Freiwilliger erforschen.

Allen sagt, dass es unklar ist, ob Ultraschall alleine dafür ausreicht, eine klinische Depression zu behandeln, obwohl er vorschlägt, dies in den USA zu untersuchen. Er ist allerdings zuversichtlich, dass eine Unterbrechung der negativen Selbstwahrnehmung dazu führt, dass Depressive stärker von einer Psychotherapie profitieren.

Ausweg aus dem Gedankenkreislauf

„Menschen, die an einer Depression oder Angsterkrankung leiden, sind häufig in ihren eigenen, negativen Gedanken gefangen“, sagt er. In einer Art permanenten Kreislauf würden sie immer tiefer in der Depression versinken. Wenn dann eine kurze Behandlung mit Ultraschall tatsächlich zu einer Stimmungsaufhellung führt – und sei es nur für ein oder zwei Stunden – könne dies eine Lücke öffnen, in der eine Psychotherapie ansetzen und dem Gedankenkreisen ein Ende setzen kann.

Ein Jahr wird nicht reichen, um am Ende eine neue Therapieform präsentieren zu können, ist sich Allen sicher. Sein Ziel ist es, hinreichend Daten zu gewinnen, um damit einen Antrag für ein neues, weiterreichendes Forschungsprojekt stellen zu können – gerne auch wieder zusammen mit seinem deutschen Kollegen Johannes Hewig und anderen Wissenschaftlern der Uni Würzburg.

Der Humboldt-Forschungspreis

Mit dem Forschungspreis zeichnet die Alexander-von-Humboldt-Stiftung Wissenschaftler für ihr bisheriges Gesamtschaffen aus, „deren grundlegende Entdeckungen, Erkenntnisse oder neue Theorien das eigene Fachgebiet nachhaltig geprägt haben und von denen auch in der Zukunft weitere Spitzenleistungen erwartet werden können“, wie es auf der Homepage der Stiftung heißt.

Der Preis ist mit 60.000 Euro dotiert; jährlich vergibt die Humboldt-Stiftung zu 100 Humboldt-Forschungspreise. Die Preisträger sind dann eingeladen, selbst gewählte Forschungsvorhaben in Deutschland in Kooperation mit Fachkollegen für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr durchzuführen.

Quelle: idw – Informationsdienst Wissenschaft

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