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Natürliche Antibiotika erhöhen Überlebenschancen

Forscher haben beim Rundwurm Caenorhabditis elegans über 4500 verschiedene Genmutationen analysiert. © HeitiPaves / iStock / Getty Images Plus

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Antimikrobielle Moleküle: Natürliche Antibiotika erhöhen Überlebenschancen

Wenn unser Körper verwundet wird, löst er eine komplexe Immunantwort aus. Als Teil davon produziert die Wunde kleine antimikrobielle Moleküle, um die Krankheitserreger lokal abzuwehren. Forschende des Biotechnologischen Zentrums (BIOTEC) der TU Dresden und des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie in Zusammenarbeit mit dem Centre d'Immunologie de Marseille-Luminy (CIML) in Frankreich haben herausgefunden, dass diese natürlichen Antibiotika auch als weitreichende molekulare Botenstoffe wirken können.

Schlaf ist die beste Medizin, wie ein altes Sprichwort sagt. Tatsächlich haben Studien gezeigt, dass längerer Schlaf zu einer besseren Erholung führt. Es ist keine Überraschung, dass unser Gehirn auf eine Verletzung reagiert, indem es unseren Schlaf verlängert. Aber wie geschieht das? Wie erfährt das Gehirn von der Verletzung? Wird von der Wunde eine Art weitreichende Nachricht an das Gehirn gesendet? Ein Wissenschaftlerteam untersuchte diese Fragen anhand von Verletzung und Schlaf bei Würmern.

„Der Wurm Caenorhabditis elegans ist das einfachste Tier, an dem wir den Schlaf untersuchen können. Es ist ein Modell, das ein breites Spektrum molekularbiologischer Techniken erlaubt, um grundlegende biologische Prozesse im Detail zu erforschen“, erklärt Prof. Bringmann, Forschungsgruppenleiter am Biotechnologiezentrum (BIOTEC) der TU Dresden und Gastgruppenleiter am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie.

Ein Team unter der Leitung von Prof. Bringmann hat damit begonnen, nach Genen zu suchen, die für die Verlängerung des Schlafes bei Würmern verantwortlich sind. Sie haben ein großangelegtes genetisches Screening durchgeführt und über 4500 verschiedene Genmutationen analysiert.

Genexpression von Würmern

Eines der gefundenen Gene hat ihre besondere Aufmerksamkeit erregt. Die Steigerung der Aktivität dieses Gens führte zu einem enormen Anstieg der Produktion von antimikrobiellen Peptiden (AMPs). Bei den AMPs handelt es sich um natürliche Antibiotika, die der Körper im Inneren der Wunde produziert, um die Krankheitserreger lokal abzuwehren.

Um den Zusammenhang zwischen den antimikrobiellen Peptiden und der Schlafsignalisierung herauszufinden, haben die Dresdner WissenschaftlerInnen mit den ImmunologInnen Dr. Nathalie Pujol und Dr. Jonathan Ewbank vom Centre d’Immunologie de Marseille-Luminy (CIML) in Frankreich zusammengearbeitet.

Gemeinsam hat das Team die Genexpression von Würmern manipuliert. Sie haben die Produktion der natürlichen Antibiotika ausgeschaltet und sich angesehen, was mit den verletzten Würmern geschieht. Was sich anhört, als würde man einfach einen Schalter umlegen, war in Wirklichkeit gar keine einfache Aufgabe. Es hat sich herausgestellt, dass antimikrobielle Peptide hochgradig redundant sind.

Schlaf ist die beste Medizin

Die WissenschaftlerInnen haben festgestellt, dass insgesamt 19 verschiedene Gene, die für die Produktion von AMPs verantwortlich sind, gleichzeitig ausgeschaltet werden mussten, um einen erstaunlichen Unterschied zu beobachten. „Wir haben gesehen, dass die Würmer, die keine antimikrobiellen Peptide produzieren, nach einer Verletzung viel weniger schlafen“, erklärt Prof. Bringmann.

„Normalerweise überleben Würmer Verletzungen recht gut. Wir haben jedoch beobachtet, dass der Schlafverlust die Anzahl der Würmer erhöhte, die eine scheinbar nicht bedrohliche Verletzung nicht überlebten“, fügt Prof. Bringmann hinzu. Die Forscher konnten zeigen, dass die AMPs, einmal aus der Hautwunde freigesetzt, als Botenstoff wirken und Rezeptoren im Gehirn aktivieren. Diese Aktivierung wirkt als Schalter und schaltet Schlaf-Neuronen an, die dann die Schlaf-Menge steigern.

„Es ist seit langem bekannt, dass AMPs lokal wirken, aber unsere Studie hat gezeigt, dass sie auch als Botenmoleküle mit großer Reichweite wirken, die dem Nervensystem den Schlafbedarf von Wunden signalisieren“, sagt Prof. Bringmann. Diese Ergebnisse stärken die Rolle des Schlafs bei der Erholung von Verletzungen weiter.

„Da Schlaf bei praktisch allen Tieren vorkommt, deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass Schlaf nicht nur für Caenorhabditis elegans-Würmer, sondern auch für andere Tiere und möglicherweise sogar für den Menschen entscheidend für die Erholung und das Überleben nach einer Verletzung sein könnte“, folgert Prof. Bringmann. Seine Gruppe wird durch den Starting Grant SLEEPCONTROL des Europäischen Forschungsrates (ERC) finanziert.

Quelle: Technische Universität Dresden (TU)


Publikation: Henrik Bringmann et al.; Innate immunity promotes sleep through epidermal antimicrobial peptides; Current Biology, 2020; doi: 10.1016/j.cub.2020.10.076

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