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Mikroskop.

Die Studie zeigt wie wichtig „altmodische“ Methoden, wie Untersuchungen mit dem Mikroskop, weiterhin sind, um verlässliche Forschungsergebnisse zu erzielen. © sutlafk / iStock / Getty Images Plus

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Öko­lo­gi­sche Zu­sam­men­hän­ge: Neue Erkenntnisse über das Wachstum von Bakterien während Algenblüte

Meerwasser ist voll mit Bakterien, Hunderttausende leben in jedem Liter. Wie viele Bakterien im Wasser leben, hat aber nicht unbedingt viel zu bedeuten. Wichtiger ist, wie aktiv sie sind und wie schnell sie sich vermehren. Das zeigt eine Studie von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen. Die Forschenden stellten fest, dass sich beispielsweise SAR11-Bakterien, die häufigsten Bakterien im Meer, fast zehnmal so schnell teilen wie angenommen.

Um fest­zu­stel­len, wie schnell eine Po­pu­la­ti­on von Bak­te­ri­en wächst, wird häu­fig ge­mes­sen, wie sich ihre Zell­zahl mit der Zeit ver­än­dert. Die­se Me­tho­de hat aber ei­nen gro­ßen Man­gel: Sie er­hebt nicht, wie schnell sich die Bak­te­ri­en ver­meh­ren oder ster­ben. Die­se Fak­to­ren sind je­doch sehr wich­tig, um öko­lo­gi­sche Pro­zes­se zu ver­ste­hen.

Des­we­gen ha­ben nun For­schen­de des Max-Planck-In­sti­tuts für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie in Bre­men ei­nen ge­naue­ren Blick auf die­se Pro­zes­se im Rah­men ei­ner Früh­jahrs­blü­te in der Deut­schen Bucht ge­wor­fen. Da­bei ge­rie­ten ei­ni­ge bis­he­ri­ge Dog­men ins Wan­ken.

Die For­schen­den um Jan Brüwer, Bern­hard Fuchs und Ru­dolf Amann un­ter­such­ten das Wachs­tum von Bak­te­ri­en wäh­rend der Früh­jahrs­blü­te vor Hel­go­land mit ver­schie­de­nen Me­tho­den: Mit dem Mi­kro­skop zähl­ten und be­stimm­ten sie nicht nur die vor­han­de­nen Zel­len, son­dern auch die Häu­fig­keit von Zel­len, die sich ge­ra­de teil­ten. So konn­ten sie an­schlie­ßend be­rech­nen, wie schnell sich ver­schie­de­ne Bak­te­ri­en­ar­ten in ih­rer na­tür­li­chen Um­welt ver­mehr­ten.

Zellen werden sichtbar

„Wir ha­ben in tau­sen­den Bil­dern mit mo­der­nen mi­kro­sko­pi­schen Me­tho­den sich tei­len­de Zel­len sicht­bar ge­macht und ge­zählt“, er­klärt Jan Brüwer, der die Stu­die im Rah­men sei­ner Dok­tor­ar­beit durch­führ­te. „Da­bei ha­ben wir uns zu Nut­ze ge­macht, dass das ver­dop­pel­te Ge­nom in die zu­künf­ti­gen Toch­ter­zel­len auf­ge­teilt wer­den muss, be­vor sich eine Zel­le teilt. Wir konn­ten die­se Zel­len also auf­grund der DNA-Ver­tei­lung in der Zel­le gut er­ken­nen.“ So konn­ten die For­schen­den die Wachs­tums­ge­schwin­dig­kei­ten ein­zel­ner Bak­te­ri­en­grup­pen über grö­ße­re Zeit­räu­me be­stim­men.

„Die Er­geb­nis­se hiel­ten ei­ni­ge Über­ra­schun­gen für uns be­reit“, sagt Grup­pen­lei­ter Bern­hard Fuchs. „So ha­ben wir bei­spiels­wei­se fest­ge­stellt, dass sich die am häu­figs­ten im Meer vor­kom­men­de Bak­te­ri­en­grup­pe na­mens SAR11 fast zehn Mal schnel­ler teilt als an­ge­nom­men.“ Die ge­mes­se­nen Wachs­tums­ra­ten pas­sen zu­dem in vie­len Fäl­len nicht mit der Häu­fig­keit der je­wei­li­gen Bak­te­ri­en im Meer zu­sam­men.

„Wenn Bak­te­ri­en sich oft tei­len und trotz­dem nicht so häu­fig vor­kom­men, deu­tet das dar­auf hin, dass sie ein be­lieb­tes Op­fer von Jä­gern oder Vi­ren sind“, er­klärt Brüwer. „Auch der Zeit­punkt der Bak­te­ri­en­ver­meh­rung war über­ra­schend: SAR11-Bak­te­ri­en teil­ten sich häu­fig schon vor dem Ein­set­zen der Al­gen­blü­te in der Nord­see. Wo­her sie die da­für er­for­der­li­che En­er­gie nah­men, ist bis jetzt rät­sel­haft.“

Eine neue Betrachtungsweise

Nicht alle Bak­te­ri­en­grup­pen ver­hiel­ten sich so un­er­war­tet wie SAR11; bei an­de­ren Grup­pen pass­ten die nun er­ho­be­nen Er­geb­nis­se eher zu den Er­war­tun­gen der For­schen­den – bei ih­nen stimm­ten Wachs­tums­ge­schwin­dig­kei­ten und Zell­zah­len weit­ge­hend über­ein.

Bis­her nimmt man an, dass SAR11, die sehr klei­ne Zel­len ha­ben, mit we­ni­gen Nähr­stof­fen aus­kom­men, sich nicht be­son­ders häu­fig tei­len und we­gen ih­rer ge­rin­gen Grö­ße nur we­nig ge­fres­sen wer­den.

An­de­re grö­ße­re Bak­te­ri­en, bei­spiels­wei­se die Bacteroidetes, wer­den da­ge­gen als be­lieb­tes Fut­ter an­ge­se­hen, die sich schnell ver­meh­ren und eben­so schnell wie­der ver­schwin­den, wenn Jä­ger und Vi­ren ih­nen auf die Spur kom­men. Die neue Stu­die von Brüwer und sei­nen Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen ent­wirft ein ganz an­de­res Bild.

Mikroskopiebilder mit hohem Informationsgehalt

„Un­se­re Er­geb­nis­se be­ein­flus­sen un­ser Ver­ständ­nis von Stoff­kreis­läu­fen, vor al­lem des Koh­len­stoff­kreis­laufs, im Meer“, be­tont Brüwer. „Die häu­figs­ten Bak­te­ri­en im Meer, SAR11, sind ak­ti­ver und tei­len sich schnel­ler als bis­her an­ge­nom­men. Das könn­te be­deu­ten, dass sie we­ni­ger Nähr­stof­fe be­nö­ti­gen und eine be­lieb­te­re Nah­rungs­quel­le für an­de­re Or­ga­nis­men sind als ver­mu­tet. Au­ßer­dem scheint der ge­ne­rel­le Um­satz an Bak­te­ri­en wäh­rend der Al­gen­blü­te schnel­ler zu sein als wir dach­ten.“

„Die vor­lie­gen­de Ar­beit ist me­tho­disch sehr auf­wän­dig und sie zeigt, wie viele In­for­ma­tio­nen man aus Mi­kro­sko­pie­bil­dern zie­hen kann“, sagt Ru­dolf Amann, Di­rek­tor am Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie.

„Ich bin sehr stolz auf die be­tei­lig­ten For­schen­den, dass sie die­se Mam­mut­auf­ga­be ge­stemmt ha­ben und froh, mit ih­nen zu­sam­men­ar­bei­ten zu dür­fen. Die er­ziel­ten Er­geb­nis­se wer­den Aus­lö­ser sein für vie­le span­nen­de Dis­kus­sio­nen über die öko­lo­gi­schen Zu­sam­men­hän­ge wäh­rend ei­ner Früh­jahrs­blü­te und ge­ne­rell im Meer.“

Quelle: Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie


Ori­gi­nal­publikation: Fuchs, BM et al.; In situ cell division and mortality rates of SAR11, SAR86, Bacteroidetes, and Aurantivirga during phytoplankton blooms reveal differences in population controls; mSys­tems, 2023; DOI: 10.1128/msystems.01287-22

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