Ein Moment der Unachtsamkeit und zack – schon hat man sich in den Finger geschnitten. Es blutet, aber nach einiger Zeit verschließt sich die Wunde von selbst. Auch einzelne Zellen in unserem Körper erleiden tagtäglich „Wunden“ in ihrer Umhüllung, der Zellmembran, und müssen diese wieder verschließen. Forschende der Medizinischen Fakultät der Universität Münster konnten nun zeigen, welche Mechanismen in der Zelle ablaufen, damit ein perfekter Verschluss von Zellmembranschäden möglich ist. Ihre Erkenntnisse wurden in der Fachzeitschrift „Advanced Science“ veröffentlicht.
Für ihre Experimente nutzte die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Volker Gerke vom Institut für Medizinische Biochemie Endothelzellen, also Zellen, die die Blutgefäße auskleiden. „Wir wissen, dass Endothelzellen allein durch Veränderungen im normalen Blutfluss Zellmembranschäden erleiden und diese reparieren, da es sonst zum Zelltod kommt. Um diesen Prozess genauer zu untersuchen, haben wir im Labor den Zellen mit einem Laser einen Defekt zugefügt und dann live im Mikroskop verfolgt, wie sie diesen reparieren“, erklärt Dr. Nikita Raj, Erstautorin der Studie.
Zellmembran repariert Wunden effizient
In einer früheren Studie wiesen die Forschenden nach, dass sogenannte „frühe Endosomen“, deren Aufgabe eigentlich darin besteht, Stoffe von außen in die Zelle aufzunehmen, beim Wundverschluss mit der Zellmembran fusionieren und so das entstandene Loch verschließen. Allerdings ist damit die Arbeit noch nicht getan, da durch das zusätzliche Material eine unebene, lockere Oberfläche auf der Zelle entsteht, die man sich wie eine Narbe vorstellen kann.
„Durch die lockere Zellmembran an den Stellen, wo die frühen Endosomen die Wunde verschlossen haben, sinkt die Membranspannung ab. Wir konnten erstmals zeigen, dass diese Änderung der Membranspannung als Signal wirkt und zur Wiederaufnahme von überschüssiger Zellmembran ins Innere der Zelle führt“, erläutert Volker Gerke den neu entdeckten Mechanismus. Die Wiederaufnahme des überschüssigen Materials führt dazu, dass die Zellmembran wieder eine normale Membranspannung aufweist.
Mechanismen der Zellreparatur entschlüsselt
Diese Mechanismen der Zellreparatur betreffen allerdings nicht nur Endothelzellen, sondern sehr viele weitere Zelltypen und sind vermutlich auch klinisch relevant. „Die fehlende Reparatur von Plasmamembranschäden spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen, beim Muskelabbau und bei Alterungsprozessen“, erklärt Nikita Raj und blickt nach vorn: „Unsere grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Zellbiologie sind für das Verständnis vieler Erkrankungen von großer Bedeutung. Als nächste Schritte möchten wir unter anderem untersuchen, inwiefern bei spezifischen Erkrankungen wie der Arteriosklerose diese Reparaturprozesse beeinträchtigt sind.“
Den Anfang nahm das Projekt durch eine Finanzierung in Höhe von 5.000 Euro durch das „Pilot Projects“-Programm des Cells in Motion Interfaculty Centre der Universität Münster, das junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei ihren ersten Vorhaben unterstützt. Die Studie entstand in Kollaboration mit Prof. Timo Betz von der Universität Göttingen (vormals an der Universität Münster tätig), mit Prof. Britta Trappmann von der TU Dortmund (ehemals Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster), sowie mit Prof. Bart Jan Ravoo vom Center for Soft Nanoscience der Universität Münster.
Quelle: Universität Münster
Originalpublikation: Nikita Raj et al.; Membrane Tension Regulation is Required for Wound Repair; Advanced science vol 11, 2024, DOI: 10.1002/advs.202402317