Pseudomonas aeruginosa ist ein gramnegatives Bakterium, das zur Gruppe der hochgradig antibiotikaresistenten und klinisch relevanten ESKAPE-Erreger gehört. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört es zu den Krankheitserregern mit kritischer Priorität, da es oft gegen Antibiotika resistent ist und Behandlungsmöglichkeiten fehlen.
P. aeruginosa produziert die beiden Lektine LecA und LecB, mit denen es an Zuckermoleküle bindet und die es für die Adhäsion an Wirtszellen sowie zur Biofilmbildung benötigt – zwei Eigenschaften, die für die Pathogenität des Bakteriums entscheidend sind. Das macht diese Lektine zu vielversprechenden Angriffsstellen für synthetische Wirkstoffe, die den krankmachenden Eigenschaften des Bakteriums entgegenwirken und dessen antimikrobielle Resistenz umgehen.
Die Arbeitsgruppe von Prof. Alexander Titz am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) und an der Universität des Saarlandes (UdS) erforscht Moleküle zur Inhibierung bakterieller Lektine, insbesondere von P. aeruginosa.
Lektine beeinflussen Wundheilung und Immunantwort
Das HIPS ist ein Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Zusammenarbeit mit der UdS. Die Gruppe, die auch Teil des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) ist, hatte bereits hochwirksame LecA-Inhibitoren entwickelt, die allerdings nur eine geringe Wasserlöslichkeit und begrenzte Stabilität aufwiesen, was deren weitere biologische Analyse verhinderte.
Die aktuellen Ergebnisse stammen aus einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit der Arbeitsgruppe von Prof. Winfried Römer an der Universität Freiburg und dem Exzellenzcluster CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies. Römer und sein Team untersuchen, wie die Lektine LecA und LecB von P. aeruginosa physiologische Prozesse wie Immunantwort und Wundheilung beeinflussen und wie sich dies durch Inhibitoren verhindern lässt.
Wirkstoffkandidaten haben großes Potenzial
Die stark erhöhte Löslichkeit der Lektin-Inhibitoren ermöglichte es, ihre biologische Wirkung in zellbasierten Tests zu evaluieren. „Wir haben untersucht, welchen Einfluss die Inhibitoren auf die die biologische Funktion von LecA und die Invasivität von P. aeruginosa haben“, erklärt Römer.
„Dabei konnten wir zeigen, dass schon relativ geringe Konzentrationen des LecA-Inhibitors ausreichen, um das Eindringen von P. aeruginosa in Wirtszellen zu verhindern.“ Die Inhibitoren blockieren also effektiv die Bindung von LecA an menschliche Zellen. „Neben diesen positiven Ergebnissen in den Zellassays haben wir auch gesehen, dass der neue Inhibitor lange im Urin nachweisbar ist und sich somit möglicherweise weitere Behandlungsmöglichkeiten für Harnwegsinfektionen eröffnen“, sagt Titz, Leiter der Forschungsgruppe „Chemische Biologie der Kohlenhydrate“ am HIPS.
Diese Ergebnisse zeigen, dass die entwickelten Wirkstoffkandidaten das Potenzial haben, die Antibiotikaresistenz gefährlicher Krankheitserreger zu umgehen. Insbesondere die Hemmung der LecA-vermittelten Virulenz bietet einen vielversprechenden Ansatzpunkt für neue Wirkstoffe zur Behandlung von oft hochproblematischen Infektionen mit P. aeruginosa. Die aktuellen Ergebnisse sind ein erster Schritt und öffnen die Tür für die zukünftige Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten.
Quelle: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI)
Originalpublikation: Titz, A.* et al.; Neutralizing the Impact of the Virulence Factor LecA from Pseudomonas aeruginosa on Human Cells with New Glycomimetic Inhibitors; Angew. Chem. Int. Ed. Engl., 2022; doi: 10.1002/anie.202215535.