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Potenzial von Biomarkern noch nicht ausgeschöpft

Körpereigene Biomarker können zur Diagnostik und Prognose von Herzerkrankungen angewendet werden. © Fuse / Thinkstock

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Herzinfarkt-Diagnostik: Potenzial von Biomarkern noch nicht ausgeschöpft

Biomarker zählen zu den wichtigsten Innovationen der Herz-Kreislaufmedizin. Sie verbessern die Diagnose beim Herzinfarkt und tragen zu einer zielgenaueren Therapie bei. Fortschritte bringt der Biomarker Troponin auch für die Entdeckung von Herzmuskelschädigungen, die nicht auf einen Infarkt zurückgehen. Neueste Daten zeigen, dass noch nicht alle diagnostischen Möglichkeiten von Troponin genutzt werden.

„Es liegen immer mehr Daten vor, die zeigen, welchen Wert Biomarker für die kardiologische Praxis entfalten können, wenn sie mit höchster Spezifität und Sensitivität eine Schädigung des Herzmuskels anzeigen“, betonte Prof. Dr. Hugo Katus, Universitätsklinikum Heidelberg, bei einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK).

„Der Biomarker Troponin, der als eine Methode zur Verbesserung der Herzinfarktdiagnostik startete, hat zu einem regelrechten Paradigmenwechsel in der Herzmedizin geführt. Neue Daten zeigen, dass sein diagnostisches Potential noch nicht ausgeschöpft ist“, so der zukünftige Präsident der DGK.

Veränderte die Praxis der Herzmedizin

Biomarker sind körpereigene Moleküle, zum Beispiel Proteine, Peptide, Metabolite oder Chemokine, die im Rahmen eines Krankheitsprozesses vermehrt gebildet werden oder neu entstehen. In anderen Fällen, zum Beispiel bei Infarktmarkern, werden sie durch Schädigung der Zellmembran aus Zellen freigesetzt. „Biomarker können also, sofern sie spezifisch einen Krankheitsprozess anzeigen und Testsysteme mit ausreichender analytischer Qualität verfügbar sind, für die Diagnostik und Prognose von Erkrankungen angewendet werden“, so Prof. Katus.

Der Biomarker Troponin (T und I) hat weltweit die Praxis der Herzmedizin verändert, ist heute fester Bestandteil der Leitlinien und gilt als Paradebeispiel dafür, was Biomarker leisten können. Seit Prof. Katus und Mitarbeiter 1987 den Troponin T Assay erfunden und entwickelt haben, wurden die Testsysteme kontinuierlich verbessert.

Prof. Katus: „Durch neueste Entwicklungen und weiter optimierte Testsysteme können die Troponine nun mit sehr hoher Empfindlichkeit im Blut nachgewiesen werden. Diese hochsensitiven Tests eröffnen eine neue Dimension in der Erkennung von Krankheits- und Umbauprozessen des Herzens und verändern nachhaltig die Diagnostik des Herzinfarkts und der Herzmuskelschädigungen.“

Ausschluss eines Herzinfarkts

Mit den hochsensitiven Assays können nun auch Blutwerte von Troponin T und I unterhalb der bisher genutzten Grenzwerte gemessen werden. „Überzeugende Daten aus mehreren neueren Studien belegen, dass die Beurteilung von Troponinwerten, die sich noch im Normalbereich bewegen, die Triage von Patienten mit Herzinfarktverdacht erheblich beschleunigt“, so Prof. Katus.

Werden bei Patienten mit Herzinfarktverdacht bei der Aufnahmetestung und der Kontrolle nach einer Stunde Werte von Troponin im unteren Normbereich gefunden (für Troponin T <5ng/L), kann bereits nach dieser kurzen Beobachtungszeit ein akuter Herzinfarkt mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden. „Durch diesen diagnostischen Ein-Stunden-Algorithmus können 25 bis 40 Prozent aller Patienten mit akutem Brustschmerz innerhalb einer Stunde mit der Diagnose Infarktausschluss von der Notaufnahme entlassen werden“, so Prof. Katus.

„Diese Patienten mit Thoraxschmerz, aber Werten von Troponin T oder I im unteren Normbereich, haben auch kurz- und mittelfristig ein sehr niedriges kardiales Risiko: Ihre Mortalität liegt in den nächsten 30 Tagen, sechs Monaten und zwei Jahren bei 0,1, 0,8 und 1,2 Prozent.“

Diese neuen Befunde haben zu einer Änderung der Leilinien geführt, die nunmehr die Verwendung des Ein-Stunden-Algorithmus, statt einer neuerlichen Tropinin-Messung drei Stunden nach der Aufnahme, zum Infarktausschluss. Allerdings gilt diese Empfehlung nur für hochsensitive Troponin-Assays.

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Verringerte Lebenserwartung bei erhöhtem Troponin

Die Daten aus diesen Studien belegen allerdings auch, dass bei Patienten mit Infarktverdacht nicht nur ein eindeutig erhöhter Troponinwert über dem empfohlenen oberen Normwert (für Troponin T >14ng/L), sondern auch schon messbare Troponinwerte im oberen Normbereich (für Troponin T 6 bis 12ng/L), unabhängig von der Entlassungsdiagnose, mit einem deutlich erhöhten kardialen Risiko assoziiert sind.

„Die Mortalität nach zwei Jahren beträgt bei ihnen 15 Prozent gegenüber 1,2 Prozent bei niedrigen Troponinwerten“, so Prof. Katus. „Dies bestätigt Befunde aus früheren Untersuchungen. Demnach ist jede Freisetzung von Troponin bei Patienten mit Thoraxschmerz, unabhängig vom Vorliegen von EKG-Veränderungen, ein schlechtes Zeichen, betroffene Patienten haben eine eindeutig verringerte Lebenserwartung.“

Wichtige Hinweise liefern die Troponin-Werte auch für die Wahl der Therapie, so Prof. Katus: „Patienten mit einem Troponinwert über 14ng/L weisen eine hohe Herzinfarktrate und schlechte Prognose auf, mit einer Mortalität von 2,7 Prozent nach 30 Tagen und 13 Prozent nach zwei Jahren. Diese troponinpositiven NSTEMI-Patienten profitieren von einer Koronarintervention, die Risikoreduktion für Tod und Myokardinfarkt durch die Behandlung nach einem Jahr beträgt 39 Prozent. Patienten mit instabiler Angina, also nicht erhöhten Troppninwerten, erleiden hingegen durch die Koronarintervention sogar mehr Infarkte.“

Mehr Herzinfarkt-Diagnosen

Durch die hochsensitiven Troponin-Tests werden Herzinfarkte nicht nur rascher, sondern auch öfter diagnostiziert: Bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom werden um 20 Prozent mehr Fälle von Herzinfarkt und ent-sprechend weniger Fälle von instabiler Angina festgestellt als mit den normalen Troponin-Tests.

Prof. Katus: „Die so entdeckten Mikroinfarkte sind riskant und müssen entsprechend behandelt werden. Wie in verschiedenen Studien gezeigt wurde, profitieren Patienten auch bei sehr geringer Myokardschädigung von einer aggressiveren Plättchenhemmung und einer Koronarintervention.“ Allerdings können die hochsensitiven Tests auch zur Verwirrung beitragen, gibt Prof. Katus zu bedenken: „Bei 20 bis 30 Prozent der Herzinfarktpatienten, die durch die gängigen Infarktkriterien diagnostiziert werden, finden sich überraschenderweise in der akut durchgeführten Herzkatheter-Untersuchung an den Herzkranzgefäßen weder kritische Stenosen noch Verschlüsse.“

Wird kein okkludierender Thrombus als Infarktursache gefunden, so wird dies als Typ 2-Myokardinfarkt klassifiziert. Typ 2-Myokardinfarkte finden sich sehr häufig bei kritisch kranken Patienten auf der Intensivstation.

Die Prognose dieser Patienten ist deutlich schlechter als die der Patienten mit einem typischen, durch okkludierenden Thrombus verursachten, Typ 1-Infarkt. „Leider gibt es bis heute noch keine standardisierten Therapieempfehlungen für die Typ 2-Herzinfarkte, die mit den neuen Troponin-Tests sehr häufig diagnostiziert werden“, so Prof. Katus.

Gefährliche Herzmuskelschädigungen

Da Troponin durch jede Form der Herzmuskelschädigung freigesetzt werden kann, gibt es auch Troponin-Erhöhungen, die nicht durch einen Herzinfarkt entstehen. „Häufig findet sich in diesen Fällen keine eindeutige zeitabhängige Konzentrationsveränderung von Troponin im Blut, sondern eine nahezu konstante Erhöhung des Troponin über lange Zeiträume“, erklärt Prof. Katus. „Die Diagnose Myokardschaden ist sehr wichtig, da sie mit einem hohen kardialen Risiko vergesellschaftet ist.“

Eine solche Herzmuskelschädigung kann bei unterschiedlichen Patientengruppen diagnostiziert werden: etwa bei Personen mit akuten nicht-ischämischen kardialen Erkrankungen wie Herzmuskelentzündungen, oder bei Patienten mit vermeintlich stabiler chronischen kardialer Erkrankungen wie einer chronischen Herzinsuffizienz, stabilen koronaren Herzkrankheit, chronischem Vorhofflimmern oder kompensierten Herzklappenerkrankungen. „Erhöhte Troponin-Werte bei Patienten mit chronischen, vermeintlich stabilen, kardialen Erkrankungen sind mit einer hohen kardialen Ereignisrate assoziiert“, so Prof. Katus.

„Diese Einsicht eröffnet völlig neue Möglichkeiten der Risikostratifizierung und Therapiekontrolle.“ Erhöhte Troponin-Werte können aber auch auf Myokardschädigungen bei Patienten mit akuten oder chronischen nicht-kardialen Erkrankungen hinweisen: etwa bei Pneumonie, COPD, Niereninsuffizienz, Lungenhochdruck, Chemotherapie oder Vasculitis-Syndromen.

„Unabhängig von der Ursache der Herzmuskelschädigung ist bei diesen Erkrankungen eine Beteiligung des Herzens, erkennbar an den Troponin-Erhöhungen im Blut, regelhaft mit einer erhöhten Mortalität von bis zu 40 Prozent im ersten Jahr assoziiert.“

Troponin-Werte im Blut haben sich darüber hinaus auch als Prädiktoren für das kardiovaskuläre und Sterblichkeits-Risiko in Risikogruppen oder auch bei vermeintlich gesunden Probanden erwiesen, so Prof. Katus: „Die Wertigkeit von Troponin für die Abschätzung des Herzrisikos blieb auch nach Adjustierung für die klinisch etablierten Risikofaktoren bestehen.“

Quelle: idw – Informationsdienst Wissenschaft

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