Millionen Menschen in aller Welt sind von Schilddrüsenerkrankungen betroffen. Zu den bekanntesten gehören die Schilddrüsenüberfunktion, wie bei der Basedow Erkrankung, und die Schilddrüsenunterfunktion mit Kropfbildung. Sehr viele Menschen mit Schilddrüsenfunktionsstörungen wissen nicht einmal davon, jedoch können diese für Herzrhythmusstörungen, Gewichtsprobleme, Unfruchtbarkeit (Infertilität) und psychische Störungen verantwortlich sein.
Deshalb werden auch Neugeborene routinemäßig auf Schilddrüsenfunktionsstörungen untersucht. Die Schilddrüse ist eine Hormonfabrik, die unter normalen Bedingungen durch das Schilddrüsen-stimulierende Hormon TSH reguliert wird. TSH bindet an einen speziellen Rezeptor, den TSH-Rezeptor, der sich an der Oberfläche von Schilddrüsenzellen befindet.
Dieses TSH-Signal führt zu einer Produktion und Freisetzung von Schilddrüsenhormonen, genannt Thyroxin und Triiodthyronin. Diese beiden Hormone sind für nahezu alle Prozesse im Körper wie Stoffwechsel, Entwicklung und Wachstum, Reproduktion essentiell.
Manchmal jedoch können auch Autoantikörper oder Mutationen, die die gleiche Wirkung auf den TSH-Rezeptor haben, die Schilddrüse unkontrolliert aktivieren. Dies führt dann zu einer übermäßigen Hormonproduktion mit zum Teil fatalen Folgen für den Gesamtorganismus.
Antwort im TSH-Rezeptor
Ein Wissenschaftlerteam vom Institut für Biochemie der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig widmete sich nun der Frage, wie TSH, Autoantikörper und Mutationen unabhängig voneinander die gleiche aktivierende Wirkung auf die Schilddrüse haben können. Die Antwort dafür lag im TSH-Rezeptor selbst.
„Wir fanden eine kurze Peptidsequenz, wir nennen diese p10, da sie aus zehn Aminosäuren besteht, innerhalb des TSH-Rezeptors. Bei Bindung des TSH oder von Autoantikörpern funktioniert diese interne Sequenz als Aktivator für den Rezeptor. Der Rezeptor schaltet sich also selber an, wenn TSH, ein Autoantikörper oder eine Mutation ihn dazu bewegen", sagt Studienleiter Schöneberg.
„Bei den meisten anderen Hormon-Rezeptorsystemen im Körper aktiviert das Hormon den Rezeptor direkt", erklärt die Nachwuchswissenschaftlerin und Erstautorin der Arbeit, Antje Brüser. Diese neu gewonnenen Informationen über den Mechanismus des An- und Ausschaltens dieser Rezeptorfamilie können Wissenschaftler nutzen, um gezielt therapeutische Substanzen zu entwickeln.
„Zum Beispiel ist es uns gelungen, mit modifizierten p10 Peptiden die Aktivierung des TSH-Rezeptors durch Autoantikörper zu blockieren. Auch wenn man diese Peptide noch nicht therapeutisch einsetzen kann, so zeigen sie, dass es prinzipiell möglich ist, solche Rezeptorfehlfunktionen direkt zu beeinflussen", erläutert Schöneberg.
Diese Ergebnisse eröffnen nun die Möglichkeit zur Entwicklung von Pharmaka, die bei Schilddrüsenerkrankungen und Fertilitätsstörungen ihren Einsatz finden könnten.
Quelle: Universität Leipzig
Weitere Informationen
Publikation: Antje Brüser et al.; The Activation Mechanism of Glycoprotein Hormone Receptors with Implications in the Cause and Therapy of Endocrine Diseases; The Journal of Biological Chemistry, 2015; doi: 10.1074/jbc.M115.701102