Das Immunsystem verteidigt den Körper gegen eindringende Bakterien und Viren sowie die Ausbreitung von Tumorzellen. Leider verursacht die dafür notwendige Immunreaktion des Körpers unerwünschte Schäden, die der Körper heilen muss. Nach der Bekämpfung dieser Gefahren muss das Immunsystem wieder gedämpft werden, da es sonst zu anhaltenden Entzündungen oder sogar zur Entwicklung einer Autoimmunerkrankung kommen kann.
Die Reduzierung der Immunreaktion und die Einleitung der Gewebeheilung wird teilweise durch gewebeeigene Immunzellen, insbesondere regulatorische T-Zellen, erreicht. Es ist jedoch noch nicht ausreichend erforscht, wie sich gewebeeigene Immunzellen von Immunzellen im Blut unterscheiden und ob verschiedene Immunzelltypen im Gewebe gemeinsame Anpassungsprogramme durchlaufen.
Epigenetik und Immunzellen
Forscher des LIT aus der Abteilung Immunologie haben die DNA von gewebebewohnenden Immunzellen aus verschiedenen Organen epigenetisch untersucht. Die Epigenetik beschreibt, wie Gene wie ein Lichtschalter an- und ausgeschaltet werden können, um dafür zu sorgen, dass sich Zellen unterschiedlich entwickeln. Ein wichtiger Aspekt der Epigenetik ist die Regulierung sogenannter Enhancer, zugänglicher DNA-Abschnitte, die die Genexpression beeinflussen.
„Überraschenderweise fanden wir bemerkenswert ähnliche epigenetisch gesteuerte Anpassungsprogramme in verschiedenen Immunzelltypen im Gewebe. Dieser Befund deutet auf übergeordnete Genregulationsmechanismen hin“, erklärt Dr. Philipp Stüve, einer der Erstautoren der Studie. „Auf der Suche nach diesen übergeordneten Genregulationsmechanismen sind wir auf eine Anreicherung von sogenannten Transposonen oder springenden Genen in epigenetisch zugänglichen DNA-Bereichen gestoßen“, beschreibt Dr. Lisa Schmidleithner, eine der Erstautorinnen der Studie.
Genregulation durch mobile DNA
Springende Gene wurden von Viren ins Genom eingebaut und haben im Laufe der Evolution durch spontane Integration in das Genom („Springen“) tausende Kopien an unterschiedlichen Stellen im Genom hinterlassen. Dadurch machen sie heute fast 50 % der menschlichen DNA aus. Lange Zeit dachte man, diese springenden Gene hätten keine Funktion.
Auch wenn die meisten springenden Gene heute nicht mehr mobil sind, haben neuere Studien gezeigt, dass sie eine wichtige Rolle bei der Genregulation spielen. „Unsere Daten zeigen eine Anreicherung bestimmter Familien springender Gene in geweberesidenten Immunzellen in zugänglichen Enhancer-Regionen, die die Gewebeanpassung von Immunzellen regulieren könnten. Darüber hinaus besitzen diese springenden Gene Motive für Bindungsstellen sogenannter Transkriptionsfaktoren, die für die Funktion von Enhancern wichtig sind“, erklärt Dr. Malte Simon, einer der Erstautoren der Studie.
Anpassungsprogramme der Zellen
Damit stellen springende Gene eine bislang unterschätzte Art der Genregulation dar, die die gemeinsamen Anpassungsprogramme erklären könnte, die unterschiedliche Immunzellen während der Entwicklung von Blut- zu funktionellen geweberesidenten Immunzellen durchlaufen. Um dieses neue Gebiet der Gewebeimmunologie besser zu verstehen, sind nun weitere Forschungsarbeiten erforderlich.
„Ein umfassendes Verständnis des Immunsystems im Gewebe ist Voraussetzung für gewebespezifische Behandlungsansätze, um Entzündungen oder Tumorerkrankungen mit Hilfe genetisch verbesserter Immunzellen zu therapieren“, erklärt Professor Markus Feuerer, der Erstautor der Studie.
Quelle: Leibniz-Institut für Immuntherapie
Originalpublikation: Malte Simon et al.; Single-cell chromatin accessibility and transposable element landscapes reveal shared features of tissue-residing immune cells; Immunity, 2024, DOI: 10.1016/j.immuni.2024.06.015