Branche
on
Späte Phase der Vermehrung von Retroviren untersucht

Viren sind perfekte molekulare Maschinen. Ihr einziges Ziel ist es, ihr Erbgut in gesunde Zellen einzuschleusen und sich so zu vermehren. © Bihlmayer Fotografie / iStock / Getty Images Plus

|

Virusforschung: Späte Phase der Vermehrung von Retroviren untersucht

Um Viren besser bekämpfen zu können, ist es wichtig, jeden Schritt in ihrem Lebenszyklus zu verstehen. Wissenschaftler am Institute of Science and Technology (IST) Austria konnten nun zeigen, wie ein Virus aus der Familie der Retroviren, zu der auch das HI-Virus gehört, seine genetische Information schützt und infektiös wird. Außerdem zeigen sie, dass das Virus deutlich flexibler ist als gedacht.

Viren sind perfekte molekulare Maschinen. Ihr einziges Ziel ist es, ihr Erbgut in gesunde Zellen einzuschleusen und sich so zu vermehren. Mit tödlicher Präzision können sie dadurch Krankheiten verursachen, die Millionen von Menschenleben kosten und die Welt in Atem halten. Ein Beispiel für ein solches Virus, das jedoch zurzeit weniger Beachtung findet, ist HIV. Trotz der Fortschritte in den letzten Jahren starben in der andauernden globalen AIDS-Epidemie allein im Jahr 2019 690 000 Menschen an den Folgen der Virusinfektion.

„Wenn man den Feind kennen will, muss man alle seine Freunde kennen", sagt Martin Obr, Postdoc in der Schur-Gruppe am IST Austria. Gemeinsam mit seinen Kolleg_innen erforscht er deshalb ein Virus, das zur gleichen Familie wie HIV gehört – das Rous-Sarkom-Virus, das bei Geflügel Krebs verursacht. Mit Hilfe des Virus konnte er nun zeigen, wie wichtig ein kleines Molekül für den Aufbau dieser Art von Viren ist.

Weiter Weg bis zum reifen Viruspartikel

In ihrer Studie hat sich das Team gemeinsam mit Kolleg_innen der Cornell University und der University of Missouri auf die späte Phase der Vermehrung von Retroviren konzentriert. „Es ist ein weiter Weg von einer infizierten Zelle bis zum reifen Viruspartikel, das eine andere Zelle infizieren kann“, erklärt Erstautor Martin Obr. Wenn sich ein neues Viruspartikel aus einer Zelle löst, ist es vorerst noch unreif, also nicht infektiös. Anschließend bildet es eine Schutzhülle, ein sogenanntes Kapsid, um seine genetische Information und wird infektiös. Diese Schutzhülle besteht aus einem Protein, das in Hexamere und einigen Pentamere gegliedert ist. Das Team entdeckte, dass ein kleines Molekül namens IP6 entscheidend ist, um diese Proteinhülle im Rous-Sarkom-Virus zu stabilisieren.

„Ist die Schutzhülle nicht stabil, könnte die genetische Information des Virus vorzeitig entweichen und zerstört werden, ist sie aber zu stabil, kann das Genom gar nicht austreten und wird somit nutzlos", so Assistenzprofessor Florian Schur. In einer früheren Studie konnten er und seine Kolleg_innen nachweisen, dass IP6 bedeutend für den Aufbau von HIV ist. Nun hat das Team gezeigt, dass es auch in anderen Retroviren eine Rolle spielt und somit überaus wichtig im Lebenszyklus dieser Viren ist. „Wenn man ein Auto baut, gibt es viele große Metallteile, wie die Motorhaube, das Dach und die Türen, und es gibt die Schrauben, die alles verbinden. In unserem Fall sind die großen Teile die Kapsidproteine und die IP6-Moleküle sind die Schrauben", sagt Obr.

Analyse mit Kryo-Elektronentomographie

Um die Viren im Detail betrachten zu können, entwickelte Martin Obr die Kryo-Elektronentomographie weiter, eine Technik, die es Forschenden erlaubt, sehr kleine Proben in ihrem natürlichen Zustand zu betrachten. So konnte das Team sehen, wie vielseitig die Formen sind, die die Kapsidproteine einnehmen. „Nun fragen wir uns: Warum verändert das Virus die Form seines Kapsids? Woran passt es sich an?“, so Postdoc Martin Obr. Unterschiedliche Kapsidformen innerhalb desselben Virustyps könnten darauf hinweisen, dass nicht alle Viruspartikel gleich ansteckend sind. „Was auch immer geschieht, hat einem Grund, aber es gibt noch keine klare Antwort", sagt Florian Schur. Die Weiterentwicklung der Technik, um diesen hochoptimierten Erregern auf den Grund zu gehen, bleibt für die Wissenschafter eine herausfordernde und faszinierende Aufgabe.

Quelle: Institute of Science and Technology Austria


Originalpublikation: Martin Obr et al.; Structure of the mature Rous sarcoma virus lattice reveals a role for IP6 in the formation of the capsid hexamer; Nature Commmunications, 2021, DOI: 10.1038/s41467-021-23506-0

Newsletter abonnieren

Newsletter Icon MTA Blau 250x250px

Erhalten Sie die wichtigsten MT-News und Top-Jobs bequem und kostenlos per E-Mail.

Mehr zum Thema

Menschliches Kopfprofil mit Händen, die die Schläfen berühren
Zwei Laboranten im Labor

Das könnte Sie auch interessieren

Lunge
Corona-Viren
Rote Blutkörperchen