„Unsere Studie zeigt, dass Narbengewebe im Herzen nicht einfach stört – es beeinflusst aktiv, wie das Herz arbeitet“, sagt Prof. Dr. Peter Kohl, Direktor des Instituts für Experimentelle Kardiovaskuläre Medizin am Universitätsklinikum Freiburg. „Das hilft uns, die elektrischen Ursachen von Rhythmusstörungen besser zu verstehen – und langfristig auch, Diagnose und Behandlung gezielter zu gestalten.“
Narben verändern elektrisches Herzsignal
Im Zentrum der Untersuchung standen Mäuse mit einer genetisch bedingten Form der Herzmuskelerkrankung, wie sie auch beim Menschen auftritt – insbesondere bei jungen Patient*innen mit hohem Risiko für plötzlichen Herztod. Mithilfe einer neu entwickelten Kombination aus hochauflösender 3D-Bildgebung und optischen Messungen der elektrischen Erregung konnten die Forschenden zeigen: Narbengewebe, das bei solchen Erkrankungen entsteht, verändert die Ausbreitung elektrischer Signale im Herzen nicht pauschal, sondern abhängig von der Herzfrequenz.
Bei normalem Herzschlag verliefen die elektrischen Impulse weitgehend ungehindert. Sobald das Herz jedoch schneller schlägt – etwa bei körperlicher Anstrengung oder emotionalem Stress – wurden die Signale durch das vernarbte Gewebe abgeschwächt oder blockiert.
Diese Wirkung ist vergleichbar mit einem technischen „Tiefpassfilter“: Schnelle Impulse werden gezielt gedämpft, langsamere bleiben unbeeinträchtigt. Dieser bislang unbekannte Mechanismus könnte erklären, warum Betroffene in Ruheuntersuchungen unauffällig erscheinen, obwohl bei Belastung ein hohes Risiko für gefährliche Rhythmusstörungen besteht.
Digitale Zwillinge des Herzens
Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie: Allein die Struktur des Herzens reicht nicht aus, um das Risiko für Rhythmusstörungen zuverlässig vorherzusagen. „Wir brauchen digitale Modelle, die nicht nur die Anatomie, sondern auch die elektrischen Eigenschaften der verschiedenen Herzzellen berücksichtigen“, erklärt Dr. Francesco Giardini, Wissenschaftler am Institut für Experimentelle Kardiovaskuläre Medizin des Universitätsklinikums Freiburg.
Genau dafür liefert die Studie wichtige Grundlagen. Ziel ist es, sogenannte digitale Zwillinge zu entwickeln – also individuelle Computermodelle, die für einzelne Patient*innen erstellt werden. Diese sollen es ermöglichen, Risiken besser einzuschätzen und gezielt zu behandeln, bevor es zu lebensbedrohlichen Ereignissen kommt.
Weg zur klinischen Anwendung
Die aktuellen Ergebnisse beruhen auf einem etablierten Tiermodell, das wesentliche Merkmale der menschlichen Erkrankung abbildet. Eine wichtige Einschränkung ist jedoch, dass die Daten bisher nur im Mausmodell erhoben wurden. In einem nächsten Schritt sollen daher größere Tiermodelle untersucht werden, um die Übertragbarkeit auf den Menschen weiter zu prüfen.
Langfristiges Ziel ist es, die Bildgebungsverfahren so weiterzuentwickeln, dass sie klinisch nutzbar werden – etwa für individuelle Risikoabschätzungen oder zur Therapieplanung bei Patient*innen mit Herzmuskelerkrankungen und Narbengewebe. Die Forschungsarbeiten wurden im Rahmen des Sonderforschungsbereichs SFB1425 „The Heterocellular Nature of Cardiac Lesions“ an der Universität Freiburg gefördert. Für die Weiterentwicklung der Methode wurde kürzlich ein ERC Advanced Grant an Dr. Leonardo Sacconi, Seniorautor der Studie und Gastwissenschaftler am Institut für Experimentelle Kardiovaskuläre Medizin, vergeben.
Quelle: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
Originalpublikation: Francesco Giardini et al.; Correlative imaging integrates electrophysiology with three-dimensional murine heart reconstruction to reveal electrical coupling between cell types; Nature Cardiovascular Research, Oktober 2025, DOI: 10.1038/s44161-025-00728-9





