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Wenn das mikrobielle Ökosystem sich ändert

Zellstress und Mikrobiota begünstigen das Krebswachstum. © Mohammed Haneefa Nizamudeen / iStock / Getty Images Plus

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Darmkrebs: Wenn das mikrobielle Ökosystem sich ändert

Auf ein unerwartetes Ergebnis ist das Team von Professor Dirk Haller an der Technischen Universität München (TUM) bei der Untersuchung von auslösenden Faktoren des Dickdarmkrebses gestoßen: Zellstress treibt in Kombination mit einer veränderten Mikrobiota im Dickdarm das Tumorwachstum an. Zuvor herrschte die Annahme, dass diese Kombination lediglich zu entzündlichen Darmerkrankungen beiträgt.

„Wir wollten mit unserer Studie ursprünglich klären, welchen Beitrag Bakterien im Darm an der Entstehung von Darmentzündungen haben“, erklärt Professor Dirk Haller vom Lehrstuhl für Ernährung und Immunologie am Wissenschaftszentrum Weihenstephan der TUM.

„Das für uns überraschende Ergebnis war jedoch, dass Änderungen im mikrobiellen Ökosystem (Mikrobiota) zusammen mit Stress in den Darmzellen zur Entstehung von Tumoren führt und zwar ausschließlich im Dickdarm und ohne Beteiligung von Entzündung.“ Die Untersuchungen fanden zunächst am Mausmodell statt.

In keimfreien (d.h. sterilen) Tieren, bei welchen zwar der aktivierte Transkriptionsfaktor ATF6 für eine Stressregulation in der Darmschleimhaut (Darmepithel) sorgt, konnte jedoch keine Veränderung beobachtet werden. Sobald aber die Mikrobiota, also die Gesamtheit der Mikroorganismen im Darm, in keimfreie Tiere zurück transplantiert wurden, entwickelten sich im Dickdarm der Mäuse Krebsgeschwulste.

Daten von 541 Dickdarmkrebs-Patienten untersucht

Menschen in Labor © A. Heddergott / TUMNicht der Zellstress allein führt zum Tumorwachstum, sondern die Zusammenarbeit von Stress und Mikrobiota, fand Prof. Dirk Haller mit seinem Team heraus – hier bei der Analyse von Gewebeschnitten mit den Wissenschaftlerinnen Sandra Bierwirth (li.) und Olivia Coleman. © A. Heddergott / TUM

Hier konnte das Team um Haller entlang der Koch’schen Postulate zeigen, dass Mikroorganismen an der Krebsentstehung im Dickdarm beteiligt sind. Der Transkriptionsfaktor ATF6 reguliert den Stress in der Zelle, wobei die Intensität und Dauer der Aktivierung mit Erkrankungen verstärkt wird.

„Es ist aber nicht der Zellstress allein, der zu dem Tumorwachstum führt, sondern die Zusammenarbeit von Stress und Mikrobiota, welche das Krebswachstum begünstigt“, sagt Haller, Leiter des ZIEL – Institute for Food & Health der TUM.

Später wurden in Zusammenarbeit mit dem Klinikum rechts der Isar (Prof. Janssen) die Daten von 541 Patienten mit Dickdarmkrebs untersucht. Bei denjenigen, wo der Transkriptionsfaktor ATF6, der Zellstress auslöst, signifikant erhöht war, steigerte dies die Rückfallquote nach einer Operation: Etwa zehn Prozent der Patienten waren gefährdet, ein zweites Mal Dickdarmkrebs zu bekommen.

„In bestimmten Patienten könnte das Protein ATF6 als diagnostischer Marker für ein erhöhtes Dickdarmkrebsrisiko dienen, um dann frühzeitig mit einer Therapie beginnen zu können“, sagt Prof. Haller – „eine mikrobielle Therapie wäre vorstellbar, wenn wir noch mehr wissen über die Zusammensetzung der Bakterien. Was nun jedoch deutlich wurde: Chronische Entzündungen nehmen auf die Krebsentwicklung im Dickdarm keinen Einfluss.“

Quelle: Technische Universität München (TUM)


Publikation: Dirk Haller et al.; Activated ATF6 Induces Intestinal Dysbiosis and Innate Immune Response to Promote Colorectal Tumorigenesis; Gastroenterology, 2018; DOI: 10.1053/j.gastro.2018.07.028

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