Lysosomen sind kleine Zellorganellen, in denen größere Moleküle wie zum Beispiel Proteine mit Hilfe von Enzymen in ihre Einzelbestandteile, die Aminosäuren, zerlegt werden. Über spezialisierte Transportmoleküle gelangen diese „Baustoffe“ in andere Zellorganellen, wo sie für den Aufbau neuer Proteine benutzt werden. Ein solcher Transporter ist das Protein MFSD1 (Major Facilitator Superfamily Domain Containing 1).
Molekülkomplex identifiziert
„Wir haben diesen Transporter vor einigen Jahren identifiziert und herausgefunden, dass er einen engen Komplex mit einem anderen Membranprotein bildet“, erklärt Professor Markus Damme vom Biochemischen Institut an der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Wie dieser Molekülkomplex genau aussieht und welche Substanzen er aus den Lysosomen transportiert, war allerdings nicht bekannt.
In enger Kooperation mit der Hamburger Arbeitsgruppe um Professor Christian Löw und der Arbeitsgruppe um Professor Bruno Gasnier, Paris, Frankreich sowie Forschenden aus Stanford, USA und Gent, Belgien hat der Kieler Biochemiker Struktur und Funktion des Molekülkomplex entschlüsselt. Dabei kam heraus: Über diesen Transporter werden Dipeptide aus den Lysosomen geschleust. Dipeptide sind Eiweißbruchstücke, die aus zwei Aminosäuren bestehen. Die Ergebnisse der Studie sind jetzt in der Fachzeitschrift Nature Cell Biology erschienen.
Neue Erkenntnisse zu Lysosomenproteinen
Bereits seit einiger Zeit ist bekannt, dass Proteine in den Lysosomen nicht komplett in Aminosäuren zerlegt werden, sondern kleine Bruchstücke aus wenigen Aminosäuren übrigbleiben. Und auch für diese Peptide müssen Transporter in den Lysosomen existieren. Diese sind aber größtenteils nicht bekannt, da bisher hauptsächlich Aminosäuretransporter erforscht wurden. „In dieser Studie identifizieren wir einen neuen lysosomalen Peptidtransporter, den MFSD1-GLMP-Komplex“, berichtet Damme.
Ein Ziel der jetzt veröffentlichten Studie war, aufzuklären, welche Substanzen von dem Membranprotein MFSD1 transportiert werden. Um diese Frage zu beantworten, wurden gentechnisch veränderte (Knockout-) Mäuse erzeugt, denen das Protein fehlte. Anschließend wurde das Metabolom in den Lysosomen analysiert. Das Metabolom umfasst alle End- und Zwischenprodukte des Stoffwechsels in einer Probe.
Substrat des neu entdeckten Transporters
Beim Vergleich mit unveränderten (Wild-Typ) Mäusen kam heraus, dass verschiedene Dipeptide in den Lysosomen der Knockout-Mäuse stark angereichert sind. „Offensichtlich werden diese Dipeptide nicht aus den Lysosomen geschleust, wenn das MFSD1 Molekül fehlt. Das spricht dafür, dass Dipeptide das Substrat für den Transporter sind“, so Damme. Dass MFSD1 tatsächlich auch Dipeptide transportieren kann wurden durch die Pariser Arbeitsgruppe gezeigt und in Folgeexperimenten in-vitro-System validiert.
Professor Christian Löw und sein Team vom Centre for Structural Systems Biology (CSSB) am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg haben die Molekülstruktur des Proteins aufgeklärt und den Transport gemessen. Die Strukturstudie zeigte, dass die beiden Proteine – MFSD1 und GLMP – eng zusammenkommen und eine Einheit bilden. Außerdem kann aus der molekularen Architektur auch der mutmaßliche Mechanismus für den Transport von Dipeptiden gefolgert werden.
Lysosomen liefern Bausteine für Zellstoffwechsel
Wenn sich die Dipeptide in den Lysosomen anreichern, ist das ungünstig. Damme: „Die Knockout-Mäuse werden krank. Die Leber ist geschädigt und das Immunsystem ist geschwächt. Wie es dazu kommt, haben wir noch nicht richtig verstanden.“ In zukünftigen Studien möchte der Biochemiker daher untersuchen, wie der fehlende Dipeptid-Transporter dazu führt, dass die Tiere bestimmte Krankheitsmerkmale entwickeln.
Das ist auch deshalb relevant, weil es eine Erkrankung beim Menschen gibt, die ähnliche Krankheitszeichen hat und bei der ein Protein eine Rolle spielt, das mit dem MFSD1/GLMP-Komplex interagiert. Lysosomen sind wichtige Abbauorte in der Zelle.
Enzyme und Verdauung
Sie enthalten eine Vielzahl von Enzymen, um zellfremdes und zelleigenes Material zu „verdauen“. Eine Fehlfunktion führt dazu, dass sich Stoffe in den Lysosomen anreichern. Das ist die Ursache für schwere klinische Schäden bei Menschen mit lysosomalen Speicherkrankheiten, einer Gruppe von seltenen erblich bedingten Stoffwechselerkrankungen. Die Funktion der Lysosomen ist aber nicht nur im Zusammenhang mit diesen seltenen Erkrankungen relevant.
„Man weiß mittlerweile auch, dass der Abbau in den Lysosomen insgesamt für die Zelle extrem wichtig ist. Denn dadurch werden Substanzen generiert, die die Zelle weiter nutzen kann, um zum Beispiel neue Proteine zu bilden. Der komplette Stoffwechsel von Zellen hängt damit auch vom Abbau in den Lysosomen. Und das möchte ich besser verstehen“, erklärt Damme.
Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Originalpublikation: Katharina Esther Julia Jungnickel et al.; MFSD1 with its accessory subunit GLMP functions as a general dipeptide uniporter in lysosomes; Nature Cell Biology, 2024, DOI: 10.1038/s41556-024-01436-5