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Wie Hirnblutungen ursächlich vermieden werden könnten

Bisher galt der Einsatz von Blutverdünnern als Risikofaktor und potentieller Auslöser einer Hirnblutung. © Shidlovski / iStock / Getty Images Plus

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Antikoagulation: Wie Hirnblutungen ursächlich vermieden werden könnten

In Zusammenarbeit mit dem University College London hat das Inselspital, Universitätsspital Bern in zwei gekoppelten Studien die Rolle einer Blutverdünnung bei Hirnblutungen geklärt. Dem Team ist es gelungen die zerebrale Mikroangiopathie, eine Erkrankung der kleinen Blutgefäße im Hirn, als primäre Ursache nachzuweisen. Die Verhinderung von Hirnblutungen muss sich also auf die Lokalisierung und Therapie von Mikroangiopathien konzentrieren.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in der Regel komplex und betreffen mehrere Organe gleichzeitig. Behandlungen von Gefäßkrankheiten im Hirn können deshalb Auswirkungen auf die Behandlung von Herzerkrankungen haben. Es ist deshalb wichtig, die jeweiligen Ursachen und Wirkungen genau zu verstehen.

Die vorliegende Studie geht den Ursachen von Hirnblutungen auf den Grund und stellt einen Zusammenhang mit dem Risiko von Hirnschlag bei Vorhofflimmern her. Sie regt eine grundsätzliche neue Einschätzung der Wirkungen von Blutverdünnung auf Hirnblutungen an.

In der Schweiz werden pro Jahr etwa 1000 Patientinnen und Patienten mit Hirnblutungen an Stroke-Zentren behandelt. Hirnblutungen verlaufen öfter tödlich, als andere Formen von Hirnschlägen und ihre Häufigkeit hat in den vergangenen 30 Jahren nicht abgenommen. Bisher galt der Einsatz von Blutverdünnern als Risikofaktor und potentieller Auslöser einer Hirnblutung.

Eine Hirnblutung vorhersagen

Die vorliegende Publikation schließt die Ergebnisse von zwei Studien ein. Sie stellt den Beitrag einer Blutverdünnung mit demjenigen einer Mikroangiopathie im Gehirn bei Hirnblutungen gegenüber. Es zeigt sich, dass eine mittlere bis schwere Erkrankung der Kleinstgefäße im Hirn eng mit dem Auftreten von Hirnblutungen einhergeht.

David Seiffge fasst die Ergebnisse der Studien so zusammen: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Vorhandensein von Mikroangiopathien eine Grundvoraussetzung für eine Hirnblutung unter Blutverdünnern ist. Der Grad der Mikroangiopathie im Gehirn eignet sich zur Vorhersage einer Hirnblutung. Ohne Mikroangiopathie ist dagegen das Hirnblutungsrisiko verschwindend gering. Daraus folgert, dass Blutverdünnung nicht mehr als primäre Ursache für Hirnblutungen angesehen werden sollte."

Blutverdünnung ist ein wichtiger Schutz vor ischämischem Hirnschlag bei Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern. Antikoagulation senkt das Risiko eines ischämischen Hirnschlages hier um zwei Drittel. Bisher wurde bei einer Hirnblutung sofort die Antikoagulation abgebrochen und die Patientinnen und Patienten waren dem Risiko eines Hirnschlages schutzlos ausgeliefert.

Grundlagen der Publikation

Die neuen Studienergebnisse weisen nun einen neuen Weg: Durch die Therapie der Erkrankung der Kleinstgefäße im Hirn können Hirnblutungen ursächlich vermieden werden und dank einer angepassten Fortsetzung der Blutverdünnung kann ein gewisser Schutz vor Hirnschlag aufrechterhalten werden.

Das genaue zeitliche Vorgehen und die Abstufung der beiden Therapien ist Gegenstand weiterer Untersuchungen. Der Publikation liegen zwei unabhängige, multizentrische Observationsstudien zugrunde. Zum einen wurde eine Querschnittstudie mit 1030 Patientinnen und Patienten mit Hirnblutungen ausgeführt. Mittels CT und MRI wurden Marker für Mikroangiopathien im Hirn gesucht.

In einer zweiten, prospektiven Studie wurden 1447 Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern und Durchblutungsstörungen des Hirns aufgenommen. In dieser Gruppe wurde das Auftreten von Hirnblutungen und ischämischem Hirnschlag in Abhängigkeit zur Blutverdünnung betrachtet. Mit diesem Ansatz konnte gezeigt werden, dass eine Mikroangiopathie eine Voraussetzung für eine Hirnblutung darstellt.

Blutverdünnung nicht alleine ursächlich für Hirnblutungen

Patienten ohne eine solche Erkrankung hatten keine einzige Hirnblutung im Rahmen der Studie, trotzdem sie mit einer Blutverdünnung behandelt wurden. Dagegen war das Risiko bei einer mittleren bis schweren Mikroangiopathie bei 1,56 Prozent pro Jahr deutlich erhöht. Die Studienergebnisse legen nahe, dass Blutverdünnung alleine nicht mehr als Ursache für Hirnblutungen angesehen werden kann.

Prof. Marcel Arnold streicht heraus: „Neu sollten zur Verhinderung von Hirnblutungen daher Mikroangiopathien systematisch gesucht und gezielt behandelt werden. Geeignete Spezialsprechstunden stehen heute zur Verfügung. So würde das Risiko von Hirnblutungen bei Vorhofflimmern ursächlich und wirksam vermindert."

Derzeit läuft eine große, internationale, randomisierte Studie (ENRICH-AF), die in der Schweiz von David Seiffge koordiniert wird, mit dem Ziel, die Therapien der Antikoagulation und der Behandlung von Mikroangiopathien aufeinander abzustimmen.

Quelle: Inselspital, Universitätsspital Bern


Originalpublikation: Seiffge DJ, et al.; Small vessel disease burden and intracerebral haemorrhage in patients taking oral anticoagulants; J Neurol Neurosurg Psychiatry, 2021; doi:10.1136/jnnp-2020-325299

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