Doch die Geschichte der MT-Ausbildung begann eigentlich schon früher, und zwar vor 135 Jahren. Sie spielte in Berlin. Denn hier bildete die Lette-Lehranstalt bereits seit 1890 als erste Schule Porträtfotografinnen aus. Nur wenige Wochen nach der bahnbrechenden Entdeckung der Röntgenstrahlen im Jahr 1895 starteten bereits die ersten Schülerinnen ihre Ausbildung zur Röntgenfotografin. Danach hieß eine Absolventin Röntgenschwester oder Röntgenassistentin, später MTA (Medizinisch-technische Assistentin) und heute Medizinische Technologin (MT). Doch nicht nur die Berufsbezeichnungen änderten sich in 130 Jahren, sondern auch das Berufsbild der MT-Fachkräfte.
Start der „Röntgenfotografie“-Ausbildung
Am 8. November 1895 machte Conrad Röntgen die revolutionäre Entdeckung der X-Strahlen – den nach seinem Namen benannten Röntgenstrahlen. Ein neues Zeitalter der Medizin begann, aber ebenso das der medizinisch-technischen Berufe.
Dann ging alles Schlag auf Schlag: Schon im gleichen Jahr führte die Photographische Lehranstalt des Berliner Lette-Vereins das Lehrfach „Röntgenfotografie“ ein – die neue Ausbildung für Frauen. Bereits im Februar 1896 hatte die Lette-Schule eine eigene Röntgenanlage!1
Die Photographische Lehranstalt in Berlin war eine der ersten technischen Ausbildungseinrichtungen nur für junge, unverheiratete Frauen. Erst im 20. Jahrhundert wurden hier auch junge Männer ausgebildet. Rasant entwickelte sich der Beruf der Technischen Assistentin für Medizin, die in verschiedenen Spezialisierungen mit bildgebenden (MTR), aber auch labortechnischen Verfahren (MTL) arbeiten.
Vereinsgründungsvater Wilhelm Adolf Lette
Wilhelm Adolf Lette (1799-1868) war ein national-liberaler Sozialpolitiker und Jurist. Bereits 1866 war er in Berlin beteiligt an der Gründung des Vereins zur Förderung höherer Bildung und Erwerbstätigkeit von Frauen, später und bis heute bekannt als Lette-Verein.
Der Verein wollte Erwerbstätigkeit von Frauen fördern, um unverheiratete bürgerliche Frauen wirtschaftlich abzusichern. Als erste Einrichtung wurde der Lette-Verein Vorbild für weitere Berufsbildungsstätten in Deutschland. 2
Wandel zur Photographischen Lehranstalt
Nach dem Tod von Wilhelm Adolf Lette wurde ab 1872 unter der Leitung seiner Tochter Anna Schepeler-Lette der Berliner Verein Schulträger. 1890 gelang es der Vereinsvorsitzenden Schepeler-Lette, die Zeichenschule des Vereins in eine Photographische Lehranstalt umzuwandeln. 3
Im Jahr 1895 war dann mit der Entdeckung der Röntgenstrahlen auch der Grundstein für die Ausbildung für medizinisch-technisches Assistenzpersonal als Röntgenfotografin in Berlin gelegt.
Was haben Röntgenaufnahmen mit Fotos zu tun?
Thematisch passte alles an der Berliner Schule gut zusammen: Denn zuvor unterrichtete die Photographische Lehranstalt die Kunst und vor allem die Techniken der Fotografie.
Auch Conrad Röntgen war der Fotografie sehr verbunden. Zum einen machte er die X-Strahlen per Foto sichtbar und konnte sie so der breiten Öffentlichkeit präsentieren. Zudem nahm Conrad Röntgen im Dezember 1895 ein berühmtes Foto auf: Es zeigt die Hand seiner Frau Bertha mit Ehering und dokumentierte damit die Geburtsstunde der Radiologie.
Zum anderen: Der Physiker Conrad Röntgen war, was nur wenige wissen, auch begeisterter Amateurfotograf. So finden sich in seinem Nachlass über 2000 Fotos.4
Die Schulen des Lette-Vereins befinden sich seit 1902 in Berlin-Schöneberg am Viktoria-Luise-Platz. Die Berufsfachschulen bilden bis heute junge Menschen in den Bereichen Gesundheit und Technik, Design sowie Ernährung aus. 5
Bedarf an Medizinisch-technischen Fachkräften
Aufgrund der rasanten Weiterentwicklung der Röntgengeräte und der Anmeldung neuer technischer Patente entstand sehr schnell ein großer Bedarf an Fachpersonal und gleichzeitig auch das Berufsbild der Röntgenassistentin beziehungsweise der medizinisch-technischen Fachkraft.
Doch sollte es nicht nur bei der Radiologie bleiben: Schon kurze Zeit später entstand ein ebenso großer Bedarf an geschulten Laborgehilfinnen für bakteriologische, mikroskopische und klinisch-chemische Untersuchungen.
Damit war der Weg frei für den Beruf der medizinisch-technischen Assistentin (heute Medizinische Technologin/MT) sowohl für das Röntgen und als auch für das Labor.
Beatrix Polgar-Stüwe
Quellen: