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Bakteriophagen

Antibiotikaresistenzen erschweren das Management bakterieller Infektionskrankheiten. © MARHARYTA MARKO / iStock / Getty Images Plus

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Therapieoption: Bakteriophagen als Hoffnungsträger gegen Antibiotikaresistenzen

Bakteriophagen, auch bekannt als „Bakterienfresser“, gewinnen aufgrund der weltweiten Zunahme antimikrobieller Resistenzen zunehmend an Bedeutung. Sie ermöglichen eine alternative Therapie zu Antibiotika, um bakterielle Infektionen zu bekämpfen.

Bereits im letzten Jahr gab es auf dem MT-Portal eine Übersicht zu aktuellen Forschungen mit Bakteriophagen und ihrem therapeutischen Einsatz. Diese Viren greifen selektiv Bakterien an und töten sie ab. In ihnen wird eine Alternative in der Therapie bakterieller Infektionen gesehen oder zumindest eine ergänzende Therapie zu Antibiotika.

Forschung Phagentherapie

Antibiotikaresistenzen erschweren das Management bakterieller Infektionskrankheiten und führen zu einer Zunahme der Morbidität und Mortalität. Die Erforschung von Bakteriophagen als potenzielle Therapieoption erlebt aufgrund der Zunahme von Antibiotikaresistenzen ein Comeback. Phagen, die gezielt Bakterien angreifen, wurden bereits vor der Einführung von Antibiotika in den 1940er Jahren untersucht. In Frankreich wurden bis in die 1980er Jahre Phagen therapeutisch eingesetzt.

Doch erst die weltweite Zunahme von Antibiotikaresistenzen rückt die Phagen wieder in den Mittelpunkt des Interesses. In Deutschland werden Phagen an wenigen Kliniken eingesetzt, doch diese Behandlung unterliegt vielen Einschränkungen. Daher ist es wichtig, dass jetzt Rahmenbedingungen geschaffen werden, um das volle Potenzial dieser Therapie auszuschöpfen.

Zahlreiche Studien

Bevor Bakteriophagen großflächig zum Einsatz kommen, muss in Studien nachgewiesen werden, dass sie eine sichere und wirksame Therapieform darstellen. Zu Beginn des Jahres zeigte das Deutsche Ärzteblatt auf, dass in den letzten sieben Jahren 44 klinische Studien zu Bakteriophagen angemeldet, und bisher die Ergebnisse von 29 Fallstudien auch veröffentlicht wurden. Die bisherigen Studienergebnisse sind vielversprechend.

So zeigt eine Auswertung von 43 Artikeln im Jahr 2020 die hohe Effektivität vom Phageneinsatz: in 80,8 Prozent der Fälle konnte eine klinische Heilung erreicht werden, in 10,7 Prozent gab es eine Besserung und nur in 8,5 Prozent trat keine Besserung ein. Dies unterstreicht das Potenzial von Phagen in der Behandlung von bakteriellen Infektionen. Aussagekräftige randomisiert kontrollierte Studien, welche auch wiederholt werden können, fehlen aktuell noch. Die meisten Studien dazu befinden sich in der Phase I und II.

Die laufenden Forschungen zeigen bisher, dass eine an das individuelle bakterielle Patientenisolat angepasste Zusammensetzung von Phagen in den meisten Fällen die anzustrebende Therapieform sein wird. Genetisch modifizierte Phagen, die eventuell ein größeres Wirkspektrum zeigen und weniger schnell durch Resistenzentwicklung ineffektiv werden, werden zunächst keine wesentliche Rolle spielen.

Zulassungspflichtige Fertigarzneimittel, die eine breite Phagenmischung enthalten und daher patientenunabhängig sind, gibt es allerdings in der EU bisher nicht. Einzige Ausnahme ist das Arzneimittel Stafal®, das bereits vor dem EU-Beitritt in der Slowakei und Tschechien auf dem Markt war.

Arbeit an einer S2k-Leitlinie zur Phagentherapie

Neben der Forschung ist auch der rechtliche Rahmen von entscheidender Bedeutung. Bisher gibt es in der EU nur wenige gesetzliche Regelungen, die die Herstellung und den Einsatz von Phagen als Arzneimittel erlauben. Derzeit wird unter der Leitung der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie an einer S2k-Leitlinie zur Phagentherapie gearbeitet.

Diese Leitlinie, die bis 2025 fertiggestellt werden soll, wird eine rechtliche Grundlage für die Herstellung und den Einsatz von Phagen in Deutschland schaffen. Da es bisher keine aussagekräftigen Studien gibt, basiert die Leitlinie auf einer umfassenden Literaturrecherche. Zahlreiche Gesellschaften und Experten sind in die Erstellung der Leitlinie mit eingebunden. Ziel ist es, Empfehlungen zu geben, wie Bakteriophagen zur Behandlung von bakteriellen Infektionen hergestellt und eingesetzt werden können.

Im Blick befinden sich dabei die Therapie bakterieller Infektionen sowie chronische bakterielle Besiedlungen bei Kindern und Erwachsenen. Es wird auf verschiedenen Ebenen mit Hochdruck gearbeitet, um die Phagentherapie auf breiter Ebene zum Einsatz zu bringen. Dies ist auch wichtig, um der zunehmenden Ausbreitung multiantibiotikaresistenter Erreger zu begegnen.

Heike Lachnit 


Quellen: 

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