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Einblicke in die MTA-Ausbildung in Europa – Teil 2

Das deutsche Berufsbildungssystem schneidet im europäischen Vergleich sehr gut ab. © SeventyFour / iStock / Getty Images Plus

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Strategien gegen den Fachkräftemangel: Einblicke in die MTA-Ausbildung in Europa – Teil 2

In Teil 1 der Reihe hat sich Autor Bernd Wilczek mit dem Fachkräftemangel im Bereich MTA beschäftigt und näher beleuchtet, wie sich die Ausbildungssituation im EU-Vergleich darstellt. In Teil 2 geht er nun auf die Besonderheiten der deutschen Berufsausbildung und die Stärken unseres Berufsbildungssystems ein.

Im Unterschied zu den meisten europäischen Nachbarländern werden in Deutschland die berufszulassenden Abschlüsse für Medizinische Technologinnen und Technologen in den humanmedizinischen Fachrichtungen nicht an Hochschulen, sondern im sekundären Bildungssektor erworben. Grund hierfür dürften nicht zuletzt die Besonderheiten des deutschen Systems der beruflichen Bildung sein, das in dieser Form einzigartig in Europa ist. In Deutschland hat die Berufsausbildung zweierlei zu leisten: Auf der einen Seite hat sie den Auftrag, berufliche Handlungsfähigkeit zu gewährleisten, d.h. sie muss die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten in einem geordneten Ausbildungsgang vermitteln und zugleich den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen ermöglichen (§1(3) BBiG 2005).

Andererseits wird der Berufsausbildung ein Bildungsauftrag zugeschrieben. Sie zielt also auch auf die Persönlichkeitsentwicklung ab, zur „Stärkung berufsbezogener und berufsübergreifender Handlungskompetenz“1. Diese wird als Bereitschaft und Fähigkeit des Einzelnen definiert, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten.2 In den europäischen Nachbarländern hingegen ist die berufliche Bildung entweder eher an den konkreten Anforderungen des Arbeitsmarktes oder eher an den gesellschaftlichen und persönlichen Entwicklungszielen orientiert.

MTA-Ausbildung im Kontext der deutschen Berufsbildung

Insgesamt absolvierten im Jahr 2018 in Deutschland 47 Prozent aller Schülerinnen und Schüler im Sekundarbereich II eine berufliche Aus- und Weiterbildung; womit dieser Anteil über dem OECD-Durchschnitt (42 Prozent) lag. Besonders bemerkenswert ist dabei die Tatsache, dass der Anteil der Erstausbildung im dualen System bei 89 Prozent lag (OECD-Schnitt: 34 Prozent).3 Dies ist ein mehr als deutlicher Hinweis auf die herausragende Rolle, die die duale Berufsausbildung in Deutschland im Vergleich zu allen anderen europäischen Staaten spielt.

Die Ausbildung in den humanmedizinischen MTA-Berufen nimmt innerhalb des Systems der beruflichen Bildung eine Sonderstellung ein. Sie ist auf der Grundlage des Berufsbildungsgesetzes weder dem dualen System noch bundesweit einheitlich dem Schulberufssystem zuzuordnen, da sie an staatlich anerkannten Berufsfachschulen stattfindet, die in der Regel räumlich und organisatorisch mit Krankenhäusern verbunden sind. Dennoch ähnelt sie zugleich deutlich den Ausbildungen des dualen Berufsbildungskonzepts: Typischerweise kooperieren die betreffenden Schulen mit den gesundheitlichen Einrichtungen (insbesondere Krankenhäusern) und der Lehrplan sieht einen hohen Stundenumfang für die praktische Ausbildung vor, wobei die Schulen die Gesamtverantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung der Ausbildung innehaben.

Anders als in den europäischen Nachbarländern ist der Begriff der Berufsbildung in Deutschland ausschließlich solchen Ausbildungsprozessen vorbehalten, die qualifizierte Berufsbildungsabschlüsse unterhalb der Hochschulebene, also auf Sekundarstufe II gewährleisten. In der überwiegenden Mehrzahl der europäischen Länder erfährt die berufliche Bildung unterhalb der Hochschulebene im Vergleich zur allgemeinen Bildung traditionell eine gesellschaftliche Minderbewertung.

Die Stärken des deutschen Berufsbildungssystems

Das deutsche Bildungs- und Berufsbildungssystem gilt dagegen im internationalen Vergleich als eines, das nicht zuletzt wegen des besonderen Stellenwerts der dualen Ausbildung auf das mittlere und untere Qualifikationsniveau ausgerichtet ist. Dieses System darf insofern als Erfolgsmodell bezeichnet werden, weil seine Stärke – und damit auch die Stärke der Ausbildung in den humanmedizinischen MTA-Berufen – unzweifelhaft darin besteht, der überwiegenden Mehrheit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine qualifizierte Ausbildung zu vermitteln, die ihnen Beschäftigungschancen und ein eigenständiges Handeln auf dem Arbeitsmarkt eröffnet.

Ein vergleichender Blick auf die Jugenderwerbslosigkeit in der Europäischen Union belegt dies hinreichend. Im Februar 2020 lag die Jugendarbeitslosenquote (also der 15- bis 24-Jährigen) in der EU bei 14,9 Prozent. Die niedrigsten Quoten verzeichneten mit je 5,3 Prozent Tschechien und Deutschland, während in Frankreich und Portugal jeweils 19,5 Prozent, in Italien 29,6 Prozent und in Spanien mit 30,9 Prozent sowie Griechenland mit 34,7 Prozent die höchsten Quoten registriert wurden.4

Die weniger positiven Folgen der betonten Trennung zwischen beruflicher und allgemeiner Bildung für die humanmedizinischen MTA-Berufe, ein Vergleich der Kompetenzprofile auf europäischer Ebene und mögliche Lösungswege zur Behebung des Fachkräftemangels werden Thema des abschließenden Teils dieses Artikels sein.

Bernd Wilczek

Teil 1 hier lesen.


Quellen:

1 Kultusministerkonferenz, Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe, Berlin 2018. S. 14.

2 vgl. ebenda.

3 Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 345 vom 9. September 2020

4 Eurostat, Pressemitteilung 53/2020 vom 1. April 2020

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