Im Interview stand Daniel Josef Möller B.A. Rede und Antwort zu den Neuerungen im MTA-Reformgesetz. Der Schulleiter der MTA-Schule für Laboratoriumsanalytik an der Lindenburg Akademie der Universitätsklinik Köln war Mitglied der Lehrplan-Kommission.
Die 37-köpfige Kommission der Berufsverbände DVTA und des DIW-MTA hatte die nicht leichte Aufgabe, analog der Reform die neuen Inhalte, Lernziele, Strukturen und die Prüfungsordnung der komplett modernisierten MT-Ausbildung auszuarbeiten.
Was beinhaltet die berufliche Handlungskompetenz in der MT-Ausbildung? Was ist neu bei den Abschlussprüfungen? Gibt es eine Übergangszeit? Ab wann heißt es nicht mehr MTA? Das Interview mit Daniel Möller, Gesundheitspädagoge, Schulleiter und ausgebildeter MTL führte Beatrix Polgar-Stüwe, Redaktionsmitglied von MTA – Das Portal.
Um was geht es im MTA-Reformgesetz?
Kurz gesagt: Das MTA-Reformgesetz beinhaltet zahlreiche Neuerungen. Angefangen bei der Ausbildungsvergütung über Teilzeitausbildung, Arbeitsverträge, neue Berufsbezeichnungen, kein Schulgeld bis hin zu mehr Praxiszeit sowie neue Curricula.
Begrüßen Sie als Schulleiter das neue MTA-Reformgesetz?
Natürlich begrüßen wir das neue Gesetz! Es war schon seit langer Zeit nötig. Die derzeit noch gültige Ausbildungs- und Prüfungsordnung ist von Anfang der 1990er Jahre. Die Ziele, die dort formuliert sind, entsprechen nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik und der Weiterentwicklung im medizinischen Bereich.
So hat unter anderem der laboratoriumsanalytische Bereich enorm zugenommen. Beispielsweise ist nun die molekulare Diagnostik ein wichtiger Bestand der Ausbildung. Hinzugekommen ist die Digitalisierung als zweite wichtige Säule.
Sie waren Mitglied der Rahmenlehrplankommission. Welche großen Änderungen gibt es?
Im alten MTA-Ausbildungsgesetz ging es vor allem um die Vermittlung der Fachkompetenz, also um reine Wissensvermittlung. Durch das neue Gesetz und die neuen Rahmenlehrpläne wird auf Ganzheitlichkeit gesetzt. Das heißt: Neben dem Fachwissen werden völlig andere Dimensionen der beruflichen Handlungskompetenz vermittelt.
Das sind unter anderem Methodenkompetenz, die Anleitung zum Lernen und viele weitere Fähigkeiten wie Empowerment-Strategien zur beruflichen Identifikation, Persönlichkeitsentwicklung und stärkung. Alles wichtige Kompetenzen, um sich als Azubi persönlich, aber auch gleichermaßen den Beruf in der Medizintechnologie zukunftsweisend weiterzuentwickeln.
Die Kommission nahm im August 2021 ihre Arbeit auf. Bereits im Juli 2022 wurden die Rahmenlehrpläne für die verschiedenen MT-Berufe veröffentlicht. Das klingt nach einem enormen Arbeitspensum! Wie lief das ab?
Es war viel Arbeit! Wir haben das nur geschafft mit einer großen Portion Teampower! Dazu muss man wissen: Alle Mitglieder der Kommission haben sich ehrenamtlich neben ihrem Job und anderen Verpflichtungen engagiert. Gut war, dass wir die ersten drei Monate alle Vorstellungen, Wünsche, Pro und Kontra in regelmäßigen grundständigen Treffen ausdiskutieren durften.
Nachdem alle Unklarheiten ausgeräumt waren, konnten wir im Dezember 2021 richtig loslegen. Das Team traf sich dann alle 14 Tage in Videokonferenzen für die drei MT-Fachrichtungen. Zudem gab es Treffen in einzelnen Fachgruppen, in denen es um die einzelnen Berufsfelder Laboratoriumsanalytik, Radiologie und Funktionsdiagnostik ging.
Warum musste es schnell gehen?
Gute Diskussion und Abwägen waren stets das gemeinsame Ziel, aber immer unter der Prämisse, zügig zu Ergebnissen zu kommen, damit wir frühzeitig die Rahmenpläne und Curricula veröffentlichen können. Dafür gab es verschiedene Gründe.
Alle staatlich anerkannten MT-Schulen müssen aufgrund der neuen Ausbildungs- und Prüfungsordnung ein eigenes schulinternes Curriculum erstellen. Im ersten Schritt haben wir daher die Rahmenlehrpläne formuliert, danach in der letzten Phase das Muster-Curriculum, damit die Schulen schnell in die Umsetzung gehen können.
Was war gänzlich neu an der Situation?
Es ist das erste Mal, dass wir ein Curriculum analog zu einem neuen Gesetz definieren und ausarbeiten und sogar der Behörde vorlegen müssen. Das war in der alten Prüfungsordnung nicht der Fall.
Gibt es nun eine bundesweit einheitliche MT-Ausbildung?
Die Länder sind jetzt in der Verantwortung, die Empfehlungen der Kommission zu legitimieren, damit die Rahmenlehr- und Ausbildungspläne auf Bundes- auf Länderebene verpflichtend werden. Erfreulich ist, dass durch die Kommissionsarbeit ein großes bundesweites Netzwerk entstanden ist mit Expertinnen und Experten aus allen Bundesländern.
Damit ist es gelungen, bundesweit eine grundständige, gleiche Ausbildung zu schaffen mit definierten Qualitätsstandards. Das hat den Vorteil, dass Azubis auch während ihrer Ausbildung beispielsweise von Köln nach Berlin wechseln können. Genauso wichtig ist es aber, dass sie später im Beruf ohne Probleme in Berlin, Dresden oder Düsseldorf arbeiten können, da sie eine gleiche fachliche Qualifikation mitbringen.
Was ist neu in den Ausbildungsschritten?
Am Zeitplan der einzelnen Ausbildungsschritte ist gut zu erkennen, dass in den neuen Plänen alles in Modulen systematisch strukturiert ist und aufeinander aufbaut. So gibt es auch nicht wie früher sogenannte Hauptfächer. Die Systematik in der Labor-Ausbildung beginnt mit den einzelnen Organ-Systemen und deren Störungen, wechselt dann später zu systemischen Erkrankungen und deren Laboranalytik, zum Beispiel in der Transplantationsmedizin, Endokrinologie, Onkologie oder Notfall-Diagnostik am Ende der Ausbildung.
Warum ist die berufliche Praxis noch wichtiger geworden?
Um den Ausbildungszielen gerecht zur werden und die nötigen Kompetenzen zu entwickeln, brauchen wir den Lernort berufliche Praxis. Deswegen ist auch der Praxis-Anteil erheblich höher als früher. Rein prozentual gesehen bietet die neue MT-Ausbildung etwa 53 Prozent schulischen Unterricht und 47 Prozent berufliche Praxis am Lernort.
Somit werden bestimmte Lerninhalte von der Schule an die Ausbildungsstätte abgegeben. Das Lernen in der beruflichen Praxis wird zudem intensiv unterstützt. Denn auch das regelt das MTA-Reformgesetz, und zwar in Form der pädagogischen Berufsbegleitung am Ausbildungsort durch geschulte praxisanleitende Betreuungskräfte.
Gibt es genügend pädagogisch geschulte Praxisanleitungskräfte?
Im Prinzip ja. Aber es gibt in unserem Berufsfeld Unterschiede in der Qualifikation im Bereich der Praxisanleitung. Allerdings lässt das Gesetz zu, die Befähigung zur Praxisanleitung anerkennen zu lassen. Noch bis Ende des Jahres besteht die Möglichkeit, dass erfahrene MT-Fachkräfte, die nachweisen können, dass sie über die pädagogische Kompetenz verfügen, automatisch als Praxisanleitungskraft anerkannt werden.
Das sind beispielsweise Kolleginnen und Kollegen, die eine Lehramt-Ausbildung oder eine entsprechende Weiterbildung absolviert haben. Es besteht ebenfalls die Möglichkeit zur Anerkennung als Praxisanleitung, wenn der Nachweis erbracht wird, dass eine solche Tätigkeit schon in der Vergangenheit durchgeführt wurde. Die Anerkennung muss aber bis zum Ende des Jahres erfolgen.
Gibt es bereits Verfahren zur Akkreditierung oder Zertifizierung für die Praxisanleitung?
Meines Wissens im Moment noch nicht. Im MTA-Reformgesetz sind die Aufgaben und Ziele der Praxisanleitung bereits erarbeitet. Das ist schon mal hilfreich. Zudem gibt es schon seit längerer Zeit Seminarangebote, die Praxisanleitungen als Weiterbildung anbieten, auch auf Berufsverbandsebene.
Wie bildet die Uniklinik Köln in der Praxisanleitung weiter?
Auch wir an der Uniklinik Köln haben seit letztem Jahr einen eigenen internen Praxisanleitungskurs. Hier schulen wir derzeit unsere eigenen Leute mit rund 200 Stunden im Jahr. Nächstes Jahr werden wir die Stundenzahl auf die gesetzlich definierten 300 Stunden erhöhen, aber momentan nur für Interne und Kooperierende. Aber prospektiv wollen wir uns auch gerne im Weiterbildungssektor mehr engagieren.
Was war das größte Problem der Lehrplankommission?
Das größte Problem war die knappe Zeit. Dafür haben wir ein großartiges Ergebnis zustande gebracht. Dankbar bin ich persönlich besonders für die Erfahrung, die ich selbst gemacht habe. Teamarbeit und gegenseitige Wertschätzung, auch bei unterschiedlichen Meinungen, standen im Vordergrund.
Natürlich war es nicht immer einfach, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Bei 37 Personen gibt es immer unterschiedliche Meinungen. So mag die eine Schule in bestimmten Punkten schon richtungsweisende Entwicklungen geleistet haben, die andere vielleicht noch nicht.
In unserem Onboarding-Prozess mit grundständigen Diskussionen in den ersten zwei Monaten haben wir aber diese Hürde gut gemeistert. Den Prozess habe ich auch als ein Stück pädagogische Arbeit empfunden. Nachdem wir ein gemeinsames Ziel formuliert hatten, verlief alles viel flotter und ohne Probleme.
Welche großen Unterschiede gibt es zwischen der neuen und der alten MTA-Ausbildung?
Der große Unterschied ist: Wir haben keine reine Wissensorientierung mehr, sondern eine Kompetenzorientierung in der neuen MT-Ausbildung. Es geht um Handlungskompetenz im jeweiligen MT-Beruf. Dazu zählen unter anderem: Technologie-/Fach-, Selbst- und Sozialkompetenz, Methodenkompetenz, kommunikative Kompetenz und die Kompetenz für das moderne Lernen.
Was macht berufliche Handlungskompetenz aus?
Die Kultusministerkonferenz KMK versteht Handlungskompetenz als die „Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten.“1 Hier ist klar definiert, wie sich die berufliche Handlungskompetenz entwickeln soll.
Ohne sozial kommunikative Methodenkompetenz bringt auch die reine Fachkompetenz nichts. Berufliche Handlungskompetenz ist erst da, wenn alle Dimensionen ausgebildet sind und in Problemsituationen auch angewendet werden. Genau das ist der große Unterschied. In den neuen Rahmenlehrplänen fallen daher auch die alten Fächer weg.
Es gibt nicht mehr die klassischen Hauptfächer in der Laboranalytik wie Histologie, Mikrobiologie, Klinische Chemie und Hämatologie. Neu ist ein modulares System, in dem sich diese Fächer wiederfinden. Auch die Prüfungen haben sich verändert.
Beispielsweise finden die praktischen Prüfungen nicht mehr an der Schule, sondern am Lernort in der beruflichen Praxis statt. Wobei das in der Radiologie und Funktionsdiagnostik schon teilweise früher der Fall war.
Wie werden Prüfungen in Zukunft ablaufen?
Der Prüfungsausschuss – bestehend aus Schulleitung, der Praxisanleitung (hauptamtliche Gesundheits-/Medizinpädagoginnen und Medizinpädagogen) und der behördlichen Prüfungsaufsicht – kommen an den Lernort ins Labor oder in die Klinik und nehmen dort die praktische Prüfung einzeln ab. Zum ersten Mal wird aber erst 2026 so die MT-Prüfung abgehalten.
Gibt es eine Übergangszeit bei den Prüfungen?
In den nächsten Jahren bis 2026 wird noch nach dem alten Konzept in der Schule geprüft. Denn erst 2023 – in den meisten MTA-Schulen beginnen die neuen Jahrgänge im Herbst – werden die ersten MT-Ausbildungen nach dem neuen Modell starten. Zwischenzeitlich müssen die Schulen noch die laufenden Jahrgänge ab 2020 nach altem Muster beenden. Die MT-Ausbildung dauert schließlich drei Jahre.
Dann ist es 2026 so weit, dass nach den neuen Vorgaben geprüft wird. Das ist schon ein ziemlicher Meilenstein, der etwas Zeit erfordert. Wir an der Uniklinik Köln werden nicht ab nächstem Jahr plötzlich im Labor prüfen. Vielmehr arbeiten wir sensibilisiert darauf hin. Es ist schon ein sportlicher Prozess in drei Jahren alles unter Dach und Fach zu bekommen, aber machbar.
Was gilt in der Übergangszeit bei der MT-Ausbildung?
Erst mit den neuen MT-Jahrgängen in der Regel im Herbst 2023 gelten die neuen Lehrpläne. Jedoch ist die Praxisbegleitung schon ab Januar 2023 vorgeschrieben. So sollen die Praxisanleitungskräfte, bei uns Angestellte unserer MTA-Schule, mindestens dreimal ihre Azubis am Lernort in der beruflichen Praxis besuchen und die didaktische Planung berücksichtigen.
Das ist natürlich nicht nur ein Hallo sagen, sondern wir nennen das Ausbildungs- und Lernberatung. Ich könnte mir vorstellen, dass dann am Lernort der beruflichen Praxis durchaus auch praktische Tests gemacht werden, die auf die Prüfung vorbereiten.
Beatrix Polgar-Stüwe