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Journalistin mit Mikrofon in der Hand.

Was bringt die MTA-Reform für Fachkräfte? © Mihajlo-Maricic / iStock / Getty Images Plus

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Ausbildung: Interview mit Daniel Möller zum MTA-Reformgesetz – Teil 2

Beatrix Polgar-Stüwe hat mit Schulleiter Daniel Möller von der Schule für Medizinisch-Technische Laborassistenz am Campus der Uniklinik Köln unter anderem über die Zukunft der Ausbildung, neue Perspektiven für Fachkräfte und die Akademisierung des Berufes gesprochen.

Was ändert sich an den Unterrichtsinhalten?

Die vielen, vielen Stunden in Physik und Chemie sind reduziert auf berufsrelevante Inhalte. Sie wurden integriert in den unterschiedlichen Modulen, aber nicht als „klassische“ Naturwissenschaften. Zuvor hatten die Labor-Lehrpläne 180 Stunden Chemie und knappe 100 Stunden Physik als Vorgabe. Das war teils mühselig und teils nicht alles mehr berufsrelevant. Dafür brauchen wir unter anderem mehr Stunden im Bereich des Qualitätsmanagements, was im Endeffekt auch das Lern-Management ausmacht, aber auch Empowerment und die Stärkung der Persönlichkeitskompetenz der Azubis. Auch Reflexionsfähigkeit ist wichtig.

Natürlich wurden Chemie und Physik nicht komplett gestrichen. Die Lehrplankommission hat auf das Relevante hin reduziert, aber immer in Kombination und in einem aufeinander aufbauenden Setting. Wir haben bewusst an den Anfang ein Modul gesetzt, worin es um den grundlegenden Kontext von Gesundheit und Krankheit geht.

Gibt es etwas, was Sie sich persönlich zusätzlich gewünscht hätten?

Da muss ich erst überlegen. Das Schöne ist, dass wir als Schule immer noch ein bisschen Freiraum haben in der Umsetzung. So hat jede Schule ihr eigenes Steckenpferd und eigene Individualität. Ich hätte mir teilweise ein bisschen mehr Ethik und das Thema Diversität im Gesundheitswesen gewünscht, weil das auch wesentlich und in der Zukunft besonders relevant sein wird.

Ansonsten bin ich mit dem Lehrplan sehr zufrieden. So ist auch mein Schwerpunkt Qualitätsmanagement enthalten. Das sind die Module zur Überwachung der Qualität und der Prozesse.

Zu den neuen Berufsbezeichnungen: Wie schaffen wir den alten Namen MTA ab?

Das „A“ zu vergessen, das wird ganz schnell in die Köpfe gehen. Die neue Berufsbezeichnung heißt Medizinische Technologin/Medizinischer Technologe mit dem Berufszusatz R, L, F oder V. Das ist zwar alles etwas lang und sperrig, aber es gibt gute Abkürzungen, die sich etablieren werden. So war ich letztens im Rahmen einer Praxisbegleitung bei uns in der Klinik. Die Laborleiterin stellte mich als Herrn Möller von der MTL-Schule vor. Von daher sind wir schon sehr weit.

Was machen nun die Schulen, die doch fast alle MTA-Schule heißen?

Die Schulen werden sich nach und nach umbenennen, vielleicht mit einem weiteren Zusatz wie Köln oder Wiesbaden. Namensänderungen machen viel Arbeit, es müssen Logos, Briefpapier, Webseiten und vieles mehr geändert werden. Auch die Suchmaschinen wie Google müssen noch lernen.

Was bringt die neue Berufsbezeichnung mit sich?

Definitiv mehr Aufmerksamkeit und mehr Wertschätzung! Alle unsere aktuellen Azubis begrüßen die neue Berufsbezeichnung, ebenso meine Kolleginnen und Kollegen im Team. Jede Schulleitung, die ich aus der Zusammenarbeit kenne, findet diese neue Berufsbezeichnung gut. Wir brauchen einfach ein Empowerment, besonders für unsere berufliche Profession.

Wir sind nicht die Assistenz! Wir sind eben eine relevante berufliche Profession, die drittgrößte im Gesundheitswesen, neben der Pflege. Damit sind MT-Fachkräfte essenziell für die Gesundheitsversorgung in unserem System zuständig. Also von daher ist es eine Wertschätzung, uns eben nicht mal Assistent*innen zu benennen.

Was tun, um die neue Berufsbezeichnung zu führen? Einen Antrag stellen?

Meines Wissens dürfen sich ab 2023 durch das MTA-Reformgesetz alle automatisch als MT mit dem Berufszusatz bezeichnen. Vielleicht muss das noch genauer recherchiert werden. Das Problem ist jedoch nicht neu: Es dürfte ähnlich sein wie bei dem damaligen Begriff Krankenschwester, heute Pflegefachfrau oder der Arzthelferin, die jetzt Medizinische Fachangestellte heißt. Nur eines darf niemand ändern: Die Urkunde mit staatlicher Prüfung. Im Klartext: Es braucht nichts umgeschrieben oder beantragt werden.

Wie sieht es in der Praxis mit der neuen Teilzeitausbildung aus?

Die Möglichkeit der Teilzeitausbildung in der Medizin-Technologie beinhaltet heute ein wichtiges gesellschaftliches Ziel. Ob die Teilzeitausbildung für jede Schule bereits 2023 das wichtigste Ziel ist, das ist fraglich. Jedoch ist die Teilzeitausbildung nun viel besser umsetzbar als in der Vergangenheit aufgrund der Modularisierung im Lehrplan.

Die Pflege ist hier schon ein wenig weiter, wobei es auch hier noch Schwierigkeiten in der Umsetzungsphase gibt. Wenn die Umsetzung in der MT zunächst holprig erscheint, werden Zusammenhalt und gute Konzepte gefragt sein. Ich könnte mir vorstellen, dass dann auch wieder in Fachgruppen der Austausch gesucht wird.

Es sind nicht nur junge Schulabgänger*innen, die in den Beruf einsteigen. Die Medizin-Technologie ist auch für Quereinsteigende oder Personen, die schon eine Familie gegründet haben, interessant. Für die Fachkräftesicherung ist ein Teilzeitangebot essenziell.

Sehen Sie Schwierigkeiten bei der Teilzeitausbildung?

Die könnte es organisatorisch geben, zumindest in kleineren Krankenhäusern oder an manchen Schulen. Wo sollen Teile des Lehrplans untergebracht werden, wenn beispielsweise ein Azubi nur den halben Tag da ist? Aber ich könnte mir vorstellen, dass es dann so ähnlich laufen könnte wie im Hochschulstudium, sodass zuerst bestimmte Module erfolgreich abgeschlossen werden müssen.

Wie steht es um den Fachkräftemangel?

Leider besteht ein großer Fachkräftemangel, der sich durch Corona verschärft hat. Wir wissen, dass der Bedarf speziell im Labor noch sehr viel größer geworden ist. Es gibt nicht genügend MT-Fachkräfte. In der Radiologie ist es genauso. Ein großes Problem! Gewiss ist der Beruf nun durch die neue Berufsbezeichnung und durch das monatliche Gehalt attraktiver. Allerdings müssen die Azubis auch ein gewisses Interesse für Chemie und Physik, für die Naturwissenschaften, für das Technische und für die Medizin haben. Und daran mangelt es manchmal leider auch.

Was tun für die Nachwuchswerbung?

Dafür gibt es viele neue Wege, also gerade was Social Media angeht. So sollte das Azubi- Recruiting noch moderner sein und muss die Generation Z ansprechen. Aber ich glaube, dass wir mit dem neuen Berufsweg in der Medizinischen Technologie diese Generation besser erreichen, weil die Digitalisierung in der Wissensgesellschaft die Generation Z ausmacht. Die älteren Generationen gehörten eher der Arbeitsgesellschaft an. Deshalb ist die Wahl der richtigen Kommunikationskanäle wichtig.

Wie gestaltet die Uniklinik Köln ihre Nachwuchswerbung?

Wir haben eine sehr gute Marketingabteilung. Unter anderem hat sie Imagefilme entwickelt, es gibt verschiedene Tage der offenen Tür und Veranstaltungen, in den wir auf die MT- Ausbildung hinzuweisen. Auch sind wir in den Social Media aktiv.

Wird es durch das MT-Reformgesetz mehr Azubis geben?

Allein nur vom neuen Gesetz her? Das eher nicht. Vielmehr sollten wir als beruflicher Tätigkeitsbereich aktiver werden. Besonders die Arbeitgeber müssen aktiv werden und rekrutieren. Als Klinik machen wir das auch schon. So gehen wir direkt an die Schulen und auf Bildungsmessen. In der Vergangenheit bin ich auch mit dem einen oder anderen Labor zusammen auf einer Messe gewesen.

Das Recruiting liegt aber nicht allein in der Verantwortung der Schulen, sondern definitiv auch in der Verantwortung der einzelnen Laboratorien und Arbeitgeber. Die Azubis verlassen unsere Schule, wenn sie mit ihrer Ausbildung fertig sind. Sie gehen als Angestellte in die Praxis als MT-Fachkraft.

Wie steht es um die Ausbildung in niedergelassenen Laboren?

Daniel Möller
Pflegedirektion, Schule für Medizinisch-Technische Laborassistenz, Dozent © Michael Wodak / MedizinFotoKöln

Eine Schule kann erheblich mehr MT-Azubis ausbilden als ein niedergelassenes Labor oder medizinisches Institut. In einem großen Labor sind es vielleicht zwei bis drei Azubis pro Jahr. Die Ausbildung dauert schließlich drei Jahre, die Azubis müssen bezahlt und auch gut betreut werden. Arbeitsplätze kosten Geld. Natürlich auch in einer Klinik.

Leider besteht immer noch der Konflikt bei der Finanzierung für den niedergelassenen Bereich. Deshalb drücke ich für die niedergelassenen Labore und die Schulen, die nicht an ein Krankenhaus angeschlossen sind, die Daumen, dass es bald andere Finanzierungsmöglichkeiten geben wird.

Möglich wären Ausbildungsfonds oder auch die Fortsetzung der Finanzierung durch die Länder. In beiden Fällen kann sich der niedergelassene Bereich leichter an der Ausbildung beteiligen. Wobei die fertigen MT-Labor-Fachkräfte größtenteils im niedergelassenen und nicht im stationären Bereich arbeiten werden.

Welche Vorteile gibt es für ausbildende Labore?

Ein großer Vorteil für niedergelassene Labore: Ihre Azubis sind an den eigenen Geräten mit den eigenen Methoden ausgebildet. Sie kennen sich damit zu 100 Prozent aus und müssen nicht neu eingearbeitet werden. Das macht sie sehr wertvoll.

Wie geht es jetzt weiter mit den Rahmenlehrplänen?

Ich bin optimistisch, dass die Umsetzung der Rahmenlehrpläne durch die Länder bald erfolgen wird. Sonst müsste in jedem Bundesland eine neue Lehrplankommission gebildet werden. Die Ausbildungs- und Prüfungsordnung beschreibt die Kompetenzen, und so muss es auch einen Lehrplanrahmen dafür geben. Das ist nichts Neues. Rahmenlehrpläne gibt es in weiteren Gesundheitsfachberufen wie zum Beispiel in der Pflege.

Was halten Sie von der Akademisierung?

Viele möchten heute studieren, weil es gesellschaftlich als angesehen gilt. Leider stellen einige nach zwei, drei Semestern fest, dass das Studium nicht das Richtige war. Sie brechen ab, Frustrationen sind programmiert. Nicht jeder Beruf muss per se akademisiert sein. Gerade die modernisierte MT-Ausbildung bietet eine gute Basis, sich für diesen Beruf zu entscheiden.

Lehre plus ein späteres Studium bieten gute Chancen, im Berufsfeld der MT zu bleiben. Zwei oder sogar mehr Qualifikationen, eben das macht das lebenslange Lernen aus! Ich kenne zahlreiche MT-Fachkräfte, die nach ihrer Ausbildung studiert haben und in der Medizintechnologie geblieben sind. Auch ich habe das so gemacht. Zuerst die Ausbildung fürs Labor und dann berufsbegleitend den Bachelor in Gesundheitspädagogik. Jetzt studiere ich ebenfalls berufsbegleitend für meinen Master.

Die Medizintechnologie und die Schulen benötigen kontinuierlich gutes und qualifiziertes Personal, aber auch Aufstiegschancen. Erst eine grundständige Ausbildung, danach Berufstätigkeit und dann die Möglichkeit zur Akademisierung, so kann die Ausbildung der künftigen MT-Fachkräfte noch besser werden. Die Idee, einen Bachelor für leitende MT-Fachkräfte einzurichten, klingt zukunftsorientiert und sinnvoll. Aber die Fachkräfte sollen im Berufsfeld bleiben und nicht abwandern.

Wir danken Ihnen, Herr Möller, für das aufschlussreiche Gespräch.

Das Interview führte Beatrix Polgar-Stüwe.


Quellen:

Teil 1 des Interviews verpasst? Hier nachlesen!

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