Mittlerweile gibt es bei medizinischen Behandlungen zahlreiche Anwendungen, bei denen sich Künstliche Intelligenz bereits bewährt hat – so beispielsweise in der Radiotherapie, im Labor oder beim Hautkrebs, aber auch bei der Verifizierung einer Diagnose.
Überdies kann sich der Einsatz von KI in der Medizin über unterschiedliche medizinische und technische Bereiche erstrecken. Dazu zählen unter anderem Robotik, Bildgebung und Diagnostik, aber auch die Wartung medizinischer Geräte, Laborverfahren oder die Entwicklung von Medikamenten.
Vorbehalte gegen KI in der Medizin
Dennoch gibt es auch diverse Vorbehalte gegen den Einsatz der KI, besonders hinsichtlich der „vertrauensvollen“ Zusammenarbeit von Mensch und KI. Wie verlässlich ist Künstliche Intelligenz? Des Weiteren sind längst noch nicht alle ethischen und moralischen Fragen geklärt, die der Einsatz Künstlicher Intelligenz mit sich bringt.
Mensch versus Maschine
Wie können Ärztinnen und Ärzte die Entscheidungen der Algorithmen besser oder überhaupt nachvollziehen? Hierzu hat Titus Brinker, Studienleiter, Hautarzt und Wissenschaftler am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) ein hilfreiches Unterstützungssystem programmiert, das vom Prinzip her auch auf andere medizinische Bereich übertragbar ist.
Das Team entwickelte ein auf die diagnostisch-medizinische Sichtweise von Dermatologen bei der Melanom-Erkennung abgestimmtes System, das die Entscheidungs- und Handlungsfindung der KI für den Menschen erklärt. Das ist eine Art nachvollziehbare, erläuternde KI (XAI = explainable artificial intelligence), die fundierte Erklärungen liefert, warum die KI jene Diagnose gestellt hat. Die Erklärungen steigern damit das Vertrauen der Medizinerinnen und Mediziner in die Entscheidungen der Maschine und damit auch in ihre eigenen Diagnosen.1
Datenschutz und KI in der Medizin
Datenschutz ist ein weiteres Problemfeld. Die Anonymisierung der Patienten- und Erkrankungsdaten ist gesetzlich bei jeder Datenaufbereitung geregelt. Die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) lässt die Verwendung von Patientendaten nur unter strengen Regeln zu. Dabei werden alle Merkmale und Daten, die eine Person erkennbar machen, gelöscht, getrennt oder verfälscht. Aber dadurch fehlen der KI auch wichtige allgemeine Daten, um die Diagnose oder eine Auswertung noch treffsicherer machen zu könnten.
Am 21. Mai 2024 verabschiedeten die Mitgliedstaaten der EU den sog. „AI-Act“, das KI-Gesetz. Das Gesetz soll unter anderem sicherstellen, dass KI-Systeme transparent, nachvollziehbar, nicht diskriminierend und umweltfreundlich sind. Ein wichtiger Aspekt ist, dass die KI-Systeme von Menschen überwacht werden und nicht nur von weiteren Technologien. Die Meinungen zum Gesetz gehen jedoch zwischen Politik und Interessengruppen auseinander. Ob KI in Deutschland einen Schub erhalte oder ob neue Hindernisse gestellt werden, hängt davon ab, wie die Regelungen in Deutschland umgesetzt werden.
Was, wenn die KI irrt?
KI-Systeme sind nicht fehlerfrei. Sie können auch falsche Diagnosen stellen oder ungenaue Vorhersagen treffen. Das kann zu falschen Behandlungen und gesundheitlichen Risiken für Erkrankte führen. Wer ist beispielsweise verantwortlich, wenn eine KI-gestützte Diagnose falsch ist? Wie lässt sich sicherstellen, dass der Einsatz von KI den medizinischen Ethikkodex nicht verletzt?
Was kann KI besonders gut in der Onkologie?
Künstliche Intelligenz (KI) ist gut darin, bestimmte wiederkehrende Muster bei Erkrankungen zu erkennen: Wenn man das System mit Tausenden Krebs-Fallbeispielen trainiert, kann es sich zu einem Expertise-System für Krebserkennung etablieren. Das könnte in Zukunft dem menschlichen Urteil ebenbürtig, vielleicht in Zukunft sogar überlegen werden.
Bekannt ist, dass sich vor allem bei Haut-, Brust- und Darmkrebs, aber auch bei Prostata- und Lungenkrebs bestimmte Muster ergeben. Bei allen verbreiteten Tumorarten leisten heute computergestützte Techniken und Programme Hilfestellung bei der Diagnose. Dabei stützen sie sich beispielsweise auf Aufnahmen aus dem Ultraschall, Röntgengerät, Computertomografen, MRT oder aus dem Mikroskop, die bei Untersuchungen von Gewebeproben im Labor zum Einsatz kommen. Des Weiteren können molekularbiologische Informationen, Sequenzangaben aus DNA-Analysen oder Literaturdatenbanken ausgewertet, miteinander verglichen und in Beziehung gesetzt werden. Aber genauso können auch medizinische Befunde digital eingespeist und mittels KI ausgewertet werden.
Strahlentherapie bei Krebserkrankungen
Künstliche Intelligenz verändert die Krebsmedizin in vielen Bereichen. Die Strahlentherapie ist eine der zentralen Therapiemöglichkeiten in der Behandlung von Krebs. „Etwa die Hälfte aller Krebspatienten erhält während der Erkrankung eine Strahlentherapie. Bei all diesen Schritten kann Künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt werden, um die Präzision, Effizienz und Personalisierung der Strahlentherapie zu erhöhen,“ schreibt PD Dr. med. Alexander Rühle vom Universitätsklinikum Leipzig. 2
Die Integration von KI in die Strahlentherapie sei in den letzten Jahren deutlich vorangeschritten. Sie gehöre bereits bei einigen Arbeitsschritten zur klinischen Routine. Bei richtigem Einsatz erhöht KI nach Überzeugung Rühles die Qualität der Therapie. 2
Wie KI die Dermatologie unterstützt
Das Melanom ist weltweit für die meisten hautkrebsbedingten Todesfälle verantwortlich. Melanome im Frühstadium sind jedoch nur schwer von anderen Hauttumoren zu unterscheiden. Jüngste Fortschritte im Bereich der auf Künstlicher Intelligenz basierenden Diagnose-Unterstützungssysteme können Hautärztinnen und Hautärzten helfen, Melanome und Muttermale genauer zu diagnostizieren, wenn ihnen digitalisierte Bilder verdächtiger Läsionen gezeigt werden. 3
An der Schnittstelle von Informatik und Medizin
Wie erläutert, Künstliche Intelligenz hat ihre Stärken, wenn es darum geht, große Datenmengen auszuwerten. Besonders in der Krebsbehandlung fallen riesige Mengen an Daten, Bildern, Gewebeuntersuchungen und Befunden an. Ein interdisziplinäres Forscherteam arbeitet in Dresden daran, diese Daten besser zu nutzen – und am Ende dabei zu helfen, Krebspatienten zu heilen. „Künstliche Intelligenz kann eine wichtige Hilfestellung für Medizinerinnen und Mediziner sein, erklärt Professor Jakob Nikolas Kather.“4
Er ist verantwortlich für die „Clinical Artificial Intelligence“ an der TU Dresden, arbeitet als Internist am Krebszentrum des Universitätsklinikums und leitet eine Forschungsgruppe am Else-Kröner-Fresenius-Zentrum für Digitale Gesundheit (EKFZ). Patientinnen und Patienten mit Darmkrebs können von Jakob Kathers Forschung bereits jetzt profitieren. So erkennt eine KI genetische Veränderungen an Darm-Gewebeproben und identifiziert diese Menschen, die dann von einer sehr wirksamen Immuntherapie profitieren können.4
Fazit zu KI in der Medizin
Den Blick und die Erfahrung eines Arztes oder einer Ärztin macht Künstliche Intelligenz auf keinen Fall überflüssig. Die KI-Programme sind vorerst vor allem eine Unterstützung für Profis. KI ist im medizinischen Alltag jedoch längst angekommen: Big Data und Algorithmen helfen bei der Früherkennung verschiedener Krebsarten und anderer Diagnosen. Doch gilt es noch zahlreiche Herausforderungen für vertrauenswürdige KI in der Medizin zu überwinden, stellt das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS fest.5 Dazu zählen u.a. der kritische Blick auf die Datenbasis, die Qualität der Algorithmen-Entwicklung und nicht zuletzt die Erklärbarkeit der Daten, welche für die Entscheidung der KI relevant waren.
Beatrix Polgar-Stüwe
Quellen:
- KI-basierte Unterstützung für die Hautkrebsdiagnostik erklärt ihre Entscheidungen; Deutsches Krebsforschungszentrum
- Künstliche Intelligenz in der Strahlentherapie; Deutsche Krebsgesellschaft
- Unterstützung durch Künstliche Intelligenz verbessert Melanomdiagnose; aerzteblatt.de
- Clinical Artificial Intelligence; EKFZ Digital Health
- Künstliche Intelligenz in der Medizin; Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS