In der großen internationalen Studie hat ein Forschungsteam unter der Leitung der Universität Edinburgh und der Zhejiang University School of Medicine in Hangzhou (China) im Zeitraum zwischen 1990 und 2019 Daten aus 204 Ländern gesammelt und ausgewertet. Die Ergebnisse wurden im British Medical Journal Oncology (BMJ) 1 veröffentlicht. Die Studie umfasste Neuerkrankungen, Todesfälle, gesundheitliche Folgen und Risikofaktoren weltweit für Menschen im Alter von 14 bis 49 Jahren.
Die Zahl der weltweiten Fälle von Krebs ist demnach zwischen 1990 und 2019 von 1,82 auf 3,26 Millionen gestiegen, was rechnerisch einem Anstieg von fast 80 Prozent in dieser Zeit entspricht. Währenddessen habe international die Zahl der krebsbedingten Todesfälle bei Erwachsenen im Alter unter 50 um 27 Prozent zugenommen, so die Autoren der Studie. Bedeutet das: Ist Krebs längst keine Alterserkrankung mehr? Oder gibt es ganz andere Erklärungen?
Kritik an weltweiter Krebsstudie
Kritiker der weltweiten Studie führen jedoch an, dass das weltweite Bevölkerungswachstum gänzlich außer Acht gelassen wurde. Es wurde mit absoluten Fallzahlen gerechnet, aber nicht berücksichtigt, dass im Studienzeitraum die Weltbevölkerung in der Altersgruppe der 14- bis 49-Jährigen um 45 Prozent und in der Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen um 86 Prozent gestiegen ist.
Daher blieb außer Acht, dass mehr Menschen auf allen Kontinenten absolut gesehen auch für mehr Krebsfälle und die wiederum für mehr Todesfälle stehen.
Keine signifikante Zunahme von Krebs bei Jüngeren
Volker Arndt vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) merkt zudem zur weltweiten Studie an, dass vergleichende Aussagen zu Deutschland kaum möglich seien. Denn bundesweite Zahlen seien erst seit 1999, also seit 25 Jahren verfügbar.
Er bekräftig aber: „Bei der Anzahl der Neuerkrankungen ist bei den unter 50-Jährigen insgesamt über alle Krebsentitäten keine Zunahme während der letzten 20 Jahre in Deutschland feststellbar.“ Arndt leitet unter anderem die Arbeitsgruppe Cancer Survivorship am DKFZ in Heidelberg.
Ergebnisse auch auf Deutschland übertragbar?
In Deutschland gibt es derzeit keinerlei statistische Hinweise, dass insgesamt mehr junge Leute unter 50 an Krebs erkranken oder gar sterben. Denn pro Jahr werden in Deutschland etwas über 500 000 Krebserkrankungen diagnostiziert. Glücklicherweise liegt das Risiko einer Krebserkrankung bei unter 45-Jährigen bei etwa fünf Prozent.
Das Risiko einer Krebserkrankung steigt aber in Deutschland erst mit dem Alter. Der Großteil (64 Prozent) der Neuerkrankungen betrifft Personen über 65 Jahre. Das mittlere Durchschnittsalter für eine Krebserkrankung liegt in Deutschland bei circa 69 Jahren. So lag das mittlere Sterbealter bei einer Krebserkrankung in Deutschland in den Jahren 2019 und 2021 zwischen 75 und 78 Jahren.
Brustkrebs-Risiko steigt
Zwar hat die absolute Zahl der Krebserkrankten seit 1999 bis 2020/21 auch in Deutschland etwas zugenommen, aber „die altersstandardisierten Sterberaten von Krebs in Deutschland lagen im Zeitraum von 2019 bis 2021 bei Männern um 27 Prozent bei Frauen um 17 Prozent sogar niedriger als 20 Jahre zuvor.“
Eine leichte Zunahme des Krebsrisikos von 1999 bis 2019 bei Frauen unter 50 Jahren ist vom Brustkrebs beeinflusst. Hier stieg die Krebsrate in Deutschland im jüngeren Alter leicht an. Mit zuletzt insgesamt rund 70550 Neuerkrankungen jährlich ist Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung der Frau. Auf Basis der aktuellen Inzidenzraten erkrankt etwa eine von acht Frauen im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs.
Einfluss der Mammographie auf Tumorstadien
Eine von sechs betroffenen Frauen erkrankt sogar vor ihrem 50. Geburtstag. Die relative Fünf-Jahres-Überlebensrate betrug 88 Prozent, die Zehn-Jahres-Überlebensrate lag bei 83 Prozent. Ein relatives Fünf-Jahres-Überleben von beispielsweise 88 Prozent bedeutet demnach, dass fünf Jahr nach einer Krebsdiagnose der Anteil der Überlebenden 88 Prozent des Anteils beträgt, der in der Gesamtbevölkerung gleichen Alters und Geschlechts im gleichen Zeitraum beobachtet wird.
Die Neuerkrankungsraten zeigen nach Einführung des Mammographie-Screenings zwischen 2005 und 2009 einen deutlichen Anstieg zu Beginn des Programms mit anschließendem langsamen Rückgang. Jedoch waren zuletzt weniger Frauen an fortgeschrittenen Tumoren erkrankt als vor Einführung des Screenings. Seit Ende der 1990er Jahre gehen die Sterberaten an Brustkrebs bei Frauen kontinuierlich zurück.
Krebssterblichkeit sinkt in Deutschland
Aktuellen Schätzungen zufolge erkranken 52 Prozent aller Männer und etwa 45 Prozent aller Frauen im Laufe ihres Lebens an Krebs. Erfreulicherweise haben sich jedoch während der letzten Jahrzehnte die Langzeitüberlebensraten bei den meisten Krebserkrankungen deutlich verbessert. Schätzungsweise gibt es derzeit in Deutschland rund fünf Millionen Personen mit Krebserkrankung oder mit überstandener Krebserkrankung. Über 60 bis 70 Prozent davon sind Langzeitüberlebende, das heißt Personen, die fünf und mehr Jahre nach der Krebsdiagnose überlebt haben. Die bessere Früherkennung und die großen Fortschritte in der Krebsmedizin bringen Betroffenen eine immer höhere Überlebenschance
Doch gibt es nach wie vor Tumore wie beispielsweise Bauspeicheldrüsenkrebs oder das Lungenkarzinom, wo leider weniger als 20 Prozent die nächsten fünf Jahre überleben. Nicht jede Krebsart kann geheilt werden. Zudem hängt die Überlebensrate immer auch vom Tumorstadium ab. Ein metastasierter Tumor bedeutet eine deutlich schlechtere Prognose.
Zweithäufigste Todesursache in Deutschland
Im Jahr 2022 zählte das Statistische Bundesamt bundesweit 231 533 Todesfälle aufgrund von Krebs und anderen Neubildungen. Damit waren Krebserkrankungen die zweithäufigste Todesursache und für nahezu jeden vierten Todesfall in diesem Jahr verantwortlich. Lediglich an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben jährlich mehr Menschen in Deutschland.
Alter und Lebensweise gelten als Hauptrisiko
Das wichtigste Risiko für Krebs ist das Alter. Denn mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung krebsauslösender Genveränderungen in den Körperzellen an. Den Vorsorgeuntersuchungen kommt daher eine große und wichtige Rolle zu. Medizinischer Fortschritt sowie verbesserte Vorsorge und Früherkennung lassen die altersstandardisierte Krebssterblichkeit seit Jahrzehnten zurückgehen. Obwohl aufgrund der steigenden Lebenserwartung das Risiko einer Krebsdiagnose steigt, sinkt also die Wahrscheinlichkeit an einer Krebserkrankung zu sterben.
Zu den weiteren Hauptursachen von Krebs zählen Rauchen, Alkohol, Fettleibigkeit und Luftverschmutzung.
Beatrix Polgar-Stüwe
Quellen:
- Jianhui Zhao et al.; Global trends in incidence, death, burden and risk factors of early-onset cancer from 1990 to 2019; BMJ Oncology, 2023
- Arbeitsgruppe Cancer Survivorship;
- Übersichten zu den Krebsneuerkrankungs- und Krebssterbefällen; RKI
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Brustkrebs (Mammakarzinom); Zentrum für Krebsregisterdaten
- Jährliche Todesfälle aufgrund von Krebs in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2022; Statista