Des Weiteren bemerkenswert: Zeitgleich mit dem Ausbildungsstart zur Röntgenfotografin gründete Marie Kundt zusammen mit ehemaligen Schülerinnen einen Club in Berlin. Dieser Club galt damals als einzige berufliche Vereinigung, in der (Foto)-technische Assistentinnen und Hilfskräfte von medizinischen Instituten vertreten waren.
Der Kreis ehemaliger Schülerinnen führte jedoch erst im Jahr 1919 zur Gründung der ersten berufsständischen Organisation der Technischen Assistentinnen (BOTAWI).
Marie Kundt gilt als die „Urmutter“ der MT-Berufs
Im Jahr 1912 bestand Marie Kundt ihre Meisterprüfung zur Fotografin und wurde sodann 1913 Direktorin der Photographischen Lehranstalt in Berlin. Marie Kund gilt damit als erste Frau in Deutschland, die eine berufsbildende Fachschule für männliche und weibliche Schüler leitete.1
Marie Kundt unterrichtete hier und auch an der Städtischen Fotoschule, schuf einen Ausbildungslehrplan, führte zudem Fortbildungskurse für die Handwerkskammern durch und hörte wohl auch Vorlesungen in Physik und Photochemie an der Universität zu Berlin. Seit 1949 trägt die Hochschule in Berlin den Namen Humboldt-Universität.
Für die Zeit ungewöhnlich: Marie Kundt hatte eine Lebensgefährtin, die Fotografin Carola Lohde, ebenso Absolventin der Photographischen Lehranstalt. Lohde gab Unterricht und leitete zudem Schulungen. Ab 1917 war sie überdies stellvertretende Schulleiterin. Nach dem Tod von Marie Kundt übernahm sie kommissarisch die Position als Direktorin der Photographischen Lehranstalt.
Als spätere Vorsitzende des Berufsverbandes BOTAWI, den sie 1919 mitgegründet hatte, war sie maßgeblich an der gesetzlichen Regelung der Ausbildung und Berufspraxis der Technischen Assistentinnen beteiligt.6
Ferner war Marie Kundt die Nichte des Professors August Kundt, der unter anderem an den Universitäten Zürich, Würzburg und Berlin lehrte. Bei ihrem Onkel studierte Conrad Röntgen Physik und war in Würzburg sein Hochschulassistent.7 8
Marie Kundt (*4.2.1870) starb jedoch früh im Alter von 62 Jahren. In ihrer langen Zeit als Lehrerin und spätere Direktorin der Photographischen Lehranstalt des Berliner Lette-Vereins prägte sie maßgeblich durch ihr engagiertes Wirken die gesamte Entwicklung der technischen Frauenberufe in der Radiologie und im Labor.
Ihre Engagement fand schon früh große Anerkennung. So wurde sie bereits Anfang des 20. Jahrhunderts von verschiedenen Seiten mit Auszeichnungen gewürdigt.
Des Weiteren gibt es beim jährlich stattfindenden Deutschen Röntgenkongress auch einen nach ihr benannten Versammlungsraum – den Marie-Kundt-Saal.1
Der nach ihrem Namen benannte Marie-Kundt-Preis wird jährlich im Rahmen des Röntgenkongresses für eine innovative wissenschaftliche Arbeit an eine MT-Fachkraft verliehen.
Anerkennung als Ausbildungsberuf im 20. Jhd.
Von einem anerkannten Ausbildungsberuf mit staatlicher Prüfung war man jedoch im 19. Jahrhundert noch weit entfernt. Das sollte noch einige Zeit dauern. Erst im Jahr 1921 wurde die MT-Ausbildung mit einer staatlichen Prüfung geregelt. Alsdann gab es die in Preußen erlassenen „Vorschriften für die staatliche Prüfung von medizinisch-technischen Assistentinnen an medizinischen Instituten“.7
Das hat Marie Kundt, die „Urmutter“ des Berufs noch erlebt.
Beatrix Polgar-Stüwe
Quellen:
- Biographie Marie Kundt
- Wilhelm Adolf Lette
- Photographische Lehranstalt des Lette Vereins
- Bildband „Wilhelm Conrad Röntgen – Photographien“
- Letteverein Berlin
- Marie Kundt / Biografie von Marie Kundt
- Berufsbild und Berufsgeschichte
- Entdecker der Röntgenstrahlen: 100. Todestag von Wilhelm Conrad Röntgen