Waren zuvor an einem Tatort bisher nur Blut oder Fingerabdrücke auswertbar, geben heute DNA-Analysen oft den entscheidenden Hinweis, um Kriminelle nach einem Verbrechen zu überführen. Sogar wenn Jahrzehnte seit dem Delikt vergangen sind, ist es heute dank moderner Labormethoden möglich, die alten Spuren zu analysieren. Das zeigt aktuell eine Reihe von spektakulären „Cold Cases“.
So beispielsweise der sogenannte Kölner „Karnevalmord“: Der Angeklagte wurde Anfang 2024 – ganze 36 Jahre nach seiner Tat – verurteilt. Ein Zeuge entschloss sich nach einer ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“ zu einer belastenden Aussage. Der Abgleich des DNA-Profils des vermeintlichen Täters mit Genspuren auf der Kleidung des Opfers Petra Noll ergab schließlich den zielführenden Treffer. Der Prozess endete mit einer lebenslangen Haftstrafe für den Angeklagten.
Von Spuren zum DNA-Profil
Mit der forensischen DNA-Analyse kann jetzt so ziemlich alles, was ein Mensch an einem Tatort an Körperzellen zurücklässt, in molekulargenetischen Laboren oder in der Gerichtsmedizin ausgewertet und verglichen werden. Das kann Blut, aber genauso gut menschliches Gewebe, Haut, Haare, Knochen, Zähne, Nägel sein sowie alles, was der Mensch ausscheidet. Dazu zählen unter anderem Schweiß, Speichel, Sperma, Nasensekret, Tränen und vieles mehr. Die Technik ist heute so ausgereift, dass schon geringe Mengen des biologischen Materials zu einem sicheren Ergebnis führen.
Spurensuche im TV-Krimi oft professionell daneben
Fachleute aus der Kriminaltechnik dürften pures Entsetzen empfinden, wenn ihre schauspielenden Kolleginnen und Kollegen im Fernsehkrimi ermitteln. Denn bei den TV-Krimiabenden wird doch recht häufig der Tatort verunreinigt, bevor die kriminaltechnischen Untersuchungen beendet sind. Zu anderen TV-Szenarien gehören: Angehörige des Opfers eilen weinend zum Verstorbenen und fassen ihn an.
Direkt am Ort des Verbrechens trinken die Ermittelnden Kaffee oder frühstücken. Solches Verhalten verunreinigt den Tatort und dürfte in der Realität die Spurensuche erheblich behindern. Auch die Chefin aus der gleichnamigen Polizeiserie dürfte im richtigen Leben jeden Ort des Verbrechens verunreinigen. Erst knackt sie im Büro zur Beruhigung der Nerven Erdnüsse, dann eilt sie zum Tatort. Bekanntlich haften Nussschalen hartnäckig an der Kleidung. Schutzkleidung trägt sie selten.
Verunreinigungen des Tatorts
Auch die Spurensicherung, im Film kurz „Spusi“ genannt, macht vor der Kamera einiges anders als in der Realität. Wie oft drängeln sich die Ermittelnden schon am Ort des Kriminalfalls dazwischen, verunreinigen den Tatort, bevor die Kriminaltechnik ihre Arbeit beendet hat? In der Realität tragen nicht nur die Leute von der Spurensicherung die weiße Schutzkleidung mit Mundschutz, sondern auch alle anderen am Tatort, solange er nicht freigegeben ist.
Dennoch ist auch unter realen Bedingungen nicht immer auszuschließen, dass ein Tatort oder Proben verunreinigt werden. Die Kontamination durch Fremd-DNA beispielsweise durch Handschuhe von Tätern oder der Polizei erforschte unlängst eine Doktorarbeit an der Universität Münster.
Schwerwiegende Panne: Das „Heilbronner Phantom“
Ein anderer bekannter Fall ist das sogenannte „Heilbronner Phantom“: Bei dem Attentat im Jahr 2007, bei der eine Polizistin starb und ihr Kollege schwer verletzt wurde, gab es plötzlich über 40 übereinstimmende „DNA-Fingerabdrücke“. Sie passten jedoch auch zu anderen Straftaten. Ein Zusammenhang zu Heilbronn war jedoch nicht erkennbar.
Erst im Jahr 2009 stellte sich heraus, dass es sich bei den in Heilbronn und an anderen Tatorten gefundenen Spuren um Verunreinigungen handelte. Denn die zur Spurensicherung verwendeten Wattestäbchen waren kontaminiert. So konnte die gefundene DNA einer Mitarbeiterin in der Herstellung der Abstrichstäbchen zugeordnet werden. Diese schwerwiegende Panne verzögerte die Aufklärung der NSU-Taten. Noch bis heute gibt es im Heilbronner Komplex des NSU-Terrors viele offene Fragen.
Was ist forensische DNA-Analytik?
Die forensische Molekulargenetik befasst sich mit der DNA-Untersuchung von biologischen Materialien, um bei Kriminalfällen juristische Beweise oder Ausschlüsse zur Verfügung zu stellen. Hierzu werden im Normalfall die variablen, nicht-kodierenden Bereiche der DNA untersucht.
Nicht-kodierend bedeutet, dass hier im Genmaterial keine Informationen gespeichert sind, die zum Beispiel Rückschlüsse auf Aussehen wie Haar- oder Augenfarbe, das Alter oder Veranlagungen für Krankheiten zulassen.
Typisierungsmuster: Das STR-Profil bei der Analyse
In der Regel werden sogenannte STR-Profile (Short Tandem Repeat) erstellt. Das sind bestimmte DNA-Abschnitte des Erbguts, die sich wiederholen. Vor der STR-Profilerstellung wird eine Vervielfältigung spezieller Stücke des Untersuchungsmaterials mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) angefertigt.
Dabei wird immer auf die Zahl der Wiederholungen an einer bestimmten Stelle des Genoms geachtet. Die Chance, dass ein so gewonnenes STR-Profil identisch ist mit dem bei einem anderen Menschen, gilt als fast ausgeschlossen. Außer, es handelt sich um Gene von eineiigen Zwillingen.
In der Praxis der Rechtsmedizin
So wird beispielsweise in der Rechtsmedizin an der Universitätsklinik Köln zur molekularbiologischen Untersuchung von biologischen Spuren eines Tatorts die DNA aus dem Spurenmaterial gereinigt und analysiert. Danach können anhand des DNA-Identifizierungsmusters Spuren verglichen werden. Die Vorteile: „Gibt es keine Übereinstimmung, kann zum Beispiel ein zu Unrecht Beschuldigter schon sehr früh vom Tatvorwurf entlastet werden.
Stimmen die Merkmale zwischen Spur und Beschuldigtem jedoch überein, so hat dieser Befund einen erheblichen Beweiswert, da eine zufällige Übereinstimmung so gut wie ausgeschlossen werden kann“, erklärt Prof. Cornelius Courts, Leiter Forensische Molekulargenetik UK Köln.
Ausweitung der Spurensuche
Wenn jedoch das STR-Profil keine Übereinstimmung mit einer typisierten Spur bietet, kann das Material zusätzlich an das Bundeskriminalamt weitergereicht werden. Dort besteht die Möglichkeit, das Profil in der DNA-Analyse-Datei (DAD) mit anderen dort gespeicherten abzugleichen. Das ist sogar international möglich.
Im zweiten Teil des Artikels geht es um die rechtliche Seite von DNA-Analysen bei Straftaten und wann phänotypische DNA-Analysen erlaubt sind.
Beatrix Polgar-Stüwe
Quellen:
- Ermittlungspanne: „Phantom-Mörderin“ ist ein Phantom; Spiegel
- Strafprozessordnung; Bundesamt für Justiz
- „Auch Polizisten können einen Tatort kontaminieren“: Rechtsmedizinische Doktorarbeit zur Fremd-DNA; Universität Münster
- Forensische Molekulargenetik; Uniklinik Köln
- Erkennungsdienst; BKA
- DNA-Analyse-Datei; BKA