Überall im Körper befinden sich Nozizeptoren, freien Nervenendigungen, welche für die Weiterleitung von schmerzhaften Reizen über das Rückenmark an das Gehirn verantwortlich sind. Von chronischen Schmerzen spricht man, wenn diese ihre Leit- und Warnfunktion verloren haben und einen selbstständigen Krankheitswert erlangen.
Bei Patienten, bei denen sich dann durch Medikamente, chirurgische Eingriffe und physikalische Behandlungen keine Erfolge erzielen lassen, führt die Methode der Neurostimulation unter Umständen zu einer Linderung der Beschwerden. Es existieren externe oder implantierbare Varianten der Neurostimulation.
Aufbau des therapeutischen Systems
Das Verfahren der Neurostimulation wird beispielhaft anhand der Spinal Cord Stimulation (SCS; Rückenmarkstimulation) erklärt. Das Verfahren ist seit Ende der sechziger Jahre des vorherigen Jahrhunderts bekannt und wird seit Mitte der achtziger Jahre eingesetzt.
Es handelt sich um eine neurologische Therapie zur Behandlung chronischer Schmerzen. Das System besteht aus einer Elektrode, einem Impulsgeber sowie einer Energiequelle, also einer Batterie. Moderne Geräte verfügen über einen Akku, der von den Patienten selbst von außen aufgeladen werden kann.
Wirkweise der Rückenmarkstimulation
Im Rahmen der SCS wird der betroffene Nerv durch elektrische Stimulation gereizt und die Schmerzinformation durch angenehmere Kribbelreize ersetzt. Die Impulse werden an das Rückenmark gesendet und von dort an das Gehirn weitergeleitet, wo sie die vorhandenen Schmerze „überlagern". Das Gehirn registriert die neuen Signale stärker als die Schmerzreize, sodass Betroffene die Beschwerden weniger oder gar nicht mehr spüren.
Zunächst wird für einige Tage eine Probestimulation initiiert und der Impulsgeber bei einem erfolgreichen Versuch (über 50 Prozent Schmerzreduktion und eventuell auch eine Verminderung des Arzneimittelverbrauchs) unter die Bauchhaut implantiert. Dieser steuert die kleine Elektrode im Rücken, während die Einstellung des Impulsgebers über einen Sender erfolgt, den der Patient selbst bedient.
Nachgewiesene Wirksamkeit
Verschiedene klinische Untersuchungen belegen die positiven Effekte der Neurostimulation. Besonders gut schlägt das Verfahren bei folgenden Krankheitsbildern an:
- Nervenwurzelschädigungen
- neuropathischen Schmerzsyndromen mit Brennen oder Taubheitsgefühlen
- Phantom- und Stumpfschmerzen
- komplexen regionalen Schmerzsyndromen
- Rückenschmerzen
- inkompletter Querschnittssymptomatik
- Zoster- oder Postzosterneuralgien sowie
- bei Durchblutungsstörungen.
Weniger Schmerzen ohne Nebenwirkungen
Die Neurostimulation geht mit verschiedenen Vorteilen einher: Zunächst ist zu erwähnen, dass sie reversibel ist, da keine schmerzleitenden Nerven vernichtet oder durchtrennt werden. Der vorherige Zustand ist demnach beim Abstellen des Stroms wiederherstellbar, eine vorherige Testphase vor dem eigentlichen Einsatz ist möglich.
Nebenwirkungen auf die unterschiedlichen Organsysteme, wie sie bei der Einnahme einiger Medikamente auftreten, sind nicht zu erwarten. Klinische Studien belegen, dass die Neurostimulation chronische Schmerzen um bis zu 50 Prozent lindern kann, sodass ein aktiveres Leben durch schmerzlose Bewegung für Betroffene wieder möglich wird.
Martina Görz
Quellen:
- Schandry, R. (2006). Biologische Psychologie. Weinheim: Beltz.
- Neurostimulation gegen chronische Schmerzen; Ärzte Zeitung online, 2010
- Schmerztherapien: Neurostimulation bei chronischen Schmerzen; BVMed, 2014
- Schmerzlich, aber unabdingbar; dasgehirn.info, 2011
- Neurostimulation; Deutsche Gesellschaft für Neuromodulation e.V. (DGNM)
- Spinal Cord Stimulation; DocCheck Flexikon
- Neurostimulation – Medizinische Experten; leading medicine guide