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Tabletten und Kapseln

In Deutschland werden über eine Milliarde Euro für Präparate ausgegeben, um die eigene Ernährung zu verbessern. © Valentyna Yeltsova / iStock / Getty Images Plus

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Nährstoffversorgung: Wann Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sind und wann nicht

Nahrungsergänzungsmittel gibt es viele: Vitamine für die Abwehrkraft und die Augen, Magnesium für Muskeln und guten Schlaf, Algen für den Stoffwechsel, Probiotika für eine gute Verdauung oder Biotin für eine schöne Haut.

Viele erhoffen sich durch die Einnahme solcher Nahrungsergänzungsmittel (NEM) bessere Gesundheit, Fitness und allgemein mehr Wohlgefühl. Muss jedoch ein gesunder Mensch seine Ernährung mit Tabletten, Pulvern oder Flüssigkeiten ergänzen? Wer benötigt diese Präparate wirklich? Kann ein Zuviel sogar gefährlich sein?

Wann sind Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll?

Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmittel oder bestimmten Nährstoffen in konzentrierter Form ist immer dann sinnvoll, wenn es einen nachgewiesenen Mangel auszugleichen gilt. Ein Mangel an bestimmten Vitaminen, Mineralstoffen oder Spurenelementen kann im Labor mit einer gezielten Blut-Diagnostik nachgewiesen werden.

Eine ärztlich verordnete Labordiagnostik kann für Menschen sinnvoll sein, die über die normale Nahrung nicht genügend Vitamine, Mineralstoffe oder Spurenelemente bekommen oder sich in einer bestimmten gesundheitlichen Situation befinden. Auch eine Ernährungsberatung kann helfen, Mängel bei der Ernährung festzustellen. Jedoch kommt es immer auf die individuellen Bedürfnisse und Umstände an.

Ein festgestellter Mangel bedeutet auch nicht automatisch, dass Nährstoffe zugeführt werden müssen. Eine ausgewogene Ernährung liefert in Deutschland in der Regel bei gesunden Menschen ausreichend Nährstoffe, darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hin.

Beispiele, wann Nahrungsergänzungsmittel empfohlen sind

Sinnvoll sind beispielsweise Nahrungsergänzungsmittel für bestimmte Risikogruppen. Die Belege für die Wirksamkeit wurden mit wissenschaftlichen Methoden erhoben, sie sind also evidenzbasiert:

  • Ernährungsdefizite: Wenn Menschen Schwierigkeiten haben, die notwendigen Nährstoffe aus ihrer Ernährung zu beziehen, können Nahrungsergänzungsmittel helfen, eine Lücke zu schließen. Das gilt unter anderem für Leute, die streng eine bestimmte Diät einhalten müssen, beispielsweise wegen einer Unverträglichkeit oder Allergie. Auch Menschen, die sich rein vegan ernähren, können einen Nutzen von der Einnahme von beispielsweise Vitamin B12 haben. Schwangeren wird Folsäure empfohlen, da diese für die gesunde Entwicklung des Embryos wichtig ist und über die Nahrung oft nicht genügend aufgenommen wird.
  • Gesundheitsstatus: Bei bestimmten Erkrankungen oder gesundheitlichen Abweichungen kann es notwendig sein, zusätzlich Nährstoffe zu ergänzen. So wird zum Beispiel Vitamin D empfohlen besonders für Menschen, die wenig in der Sonne sind, aber außerdem für Säuglinge, die noch nicht ausreichend Vitamin D für den Knochenaufbau bilden können.
  • Sport & Aktivität: Leistungssporttreibende profitieren manchmal von zusätzlichen Nährstoffen in bestimmten Situationen, um ihre Leistungsfähigkeit zu unterstützen und die Regeneration zu fördern. Das sind zum Beispiel Kohlenhydrat-Protein-Mischungen unmittelbar nach der sportlichen Belastung oder Kreatin-Präparate, Coffein sowie Natriumbicarbonat.
  • Salz mit Jodzusatz: Für alle Menschen, die nicht an einer Schilddrüsenüberfunktion leiden, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung Speisesalz ergänzt mit Jod und Fluorid zu nutzen, wenn sie Lebensmittel salzen.

Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln? Evidenzbasierte Erkenntnisse sind rar

In Deutschland werden über eine Milliarde Euro für Präparate aus der Drogerie, der Apotheke oder aus dem Internet ausgegeben, um die eigene Ernährung zu verbessern. Oft steht der persönliche Wunsch dahinter, eine einseitige Ernährung, den Zeitmangel fürs Kochen und Einkaufen oder Stress auszugleichen. Einige möchten ihr schlechtes Gewissen beruhigen, wenn sie glauben, dass sie sich nicht ausgewogen ernähren. Andere wiederum wollen ihre Abwehrkräfte gegen Infektionen stärken. Manche hoffen bei der Einnahme von Tabletten und Pulvern auf mehr allgemeine Fitness, Schönheit, Gewichtsreduktion, innere Ruhe, aber auch Linderung bei Schmerzen der Knochen und Gelenke.

Motto: „Viel hilft viel“ durch die Extra-Dosis Gesundheit?

Bahnt sich eine Erkältung an? Vitamin C und Zink sollen sie im Keim ersticken. Dem ist wissenschaftlich leider nicht so. Auch in der Praxis nicht, das wissen die meisten aus eigener Erfahrung. Ein „banaler“ Schnupfen dauert nach alter Regel rund sieben Tage. Bewiesen ist auch nicht, dass bestimmte freiverkäufliche Tabletten die Fettverbrennung unterstützen.

Leider beruht der Nutzen von bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln – bis auf wenige oben genannte Ausnahmen – nicht auf evidenzbasierten Studien oder wissenschaftlichen Beweisen. Ein Zuviel kann sogar schädlich sein oder unerwünschte Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten haben.

Viele Nahrungsergänzungsmittel haben fragwürdige Werbeversprechen

In bestimmten Fällen ist eine gezielte Ergänzung der Nahrung mit einzelnen Nährstoffen unbestritten sinnvoll. Aber das Angebot an freiverkäuflichen Nahrungsergänzungsmitteln als Lifestyle-Produkt wächst beständig. Ein Blick ins Internet, ins Regal des Discounters oder der Drogerie zeigt: Es gibt unzählige Produkte für große, eher allgemeine Zielgruppen wie Männer, Mütter, Schulkinder oder für die Generation 50 plus.

Zudem finden sich im Regal – meist alphabetisch geordnet – zahlreiche „individuellere“ Produkte beispielsweise gegen Haarausfall, dünne Haare, Falten oder fürs Immunsystem von A-Z und für die „schlanke Linie“.

Worauf Verbraucherinnen und Verbraucher achten sollen

Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sich jedoch im Klaren sein, dass die angepriesene Wirkung auf Gesundheit und Wohlbefinden nicht über das hinausgehen kann, was Lebensmittel wie etwa Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch, Kräuter oder Vollkornprodukte leisten können.

Nahrungsergänzungsmittel sind keine Arzneimittel, sondern Lebensmittel!

Rechtlich betrachtet sind Nahrungsergänzungsmittel keine Medikamente, sondern Lebensmittel, wie es der Name schon sagt. Die Inhalte und Stoffe unterliegen deshalb keiner Zulassungspflicht. Der Hersteller ist nur für die Sicherheit seines Produktes verantwortlich und nicht für die Wirkung. Damit gibt es keine behördliche Kontrolle der Inhaltsstoffe und ihrer Wirkung. Bislang gibt es auch keine Gesetze für verbindliche Höchstmengen für alle Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln.

Den Lebensmittelbehörden fallen jedoch immer wieder Produkte auf, die dann zurückgerufen werden, beispielsweise wegen Salmonellen, einem zu hohen Jodgehalt in Algen-Tabletten oder einer Überdosierung von Vitaminen in einer Tablette. Die Verbraucherzentrale NRW hat hier aktuelle Rückrufe veröffentlicht (vgl. Quellen mit Link).

Apotheken sind leider auch kein Garant für eine besondere Qualität eines Nahrungsergänzungsmittels, anders als bei den hier erhältlichen geprüften Arzneimitteln. Aber die Beratung hinsichtlich des Präparates und der Dosierung ist in der Apotheke erheblich kompetenter als im Einzelhandel.

Überdosierung von Nahrungsergänzungsmittelen kann manchmal schaden

Nicht alle Vitamine werden bei einem Überangebot einfach ausgeschieden. Wer beispielsweise die empfohlene Höchstmenge von Vitamin A, das für die Sehkraft eingenommen wird, wesentlich überschreitet, kann Kopfschmerzen und Übelkeit bekommen, im schlimmsten Fall sich sogar vergiften. Nur wasserlösliche Vitamine (z.B. alle B-Vitamine und Vitamin C) bleiben nicht lange im Körper und werden über die Nieren ausgeschieden, sofern die Nieren gesund sind. Dagegen kann eine Überdosierung von fettlöslichen Vitaminen (wie A, D, E und K) zu ernsten gesundheitlichen Störungen und bei Überdosierung zur Belastung unter anderem der Nieren und Leber führen.

Fazit Nahrungsergänzungsmittel: Wer braucht sie, wer nicht?

In der Regel benötigt in Deutschland kaum jemand Nahrungsergänzungsmittel, wer sich einigermaßen ausgewogen ernährt, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Das sieht jedoch mitunter anders aus bei bestimmten Ernährungsweisen, manchen Erkrankungen, Lebensphasen und einer Mangelernährung. Dann müssen möglicherweise bestimmte Nahrungsbestandteile ergänzt werden. Um festzustellen, ob womöglich eine Unterversorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen vorliegt, sind Arztinnen und Ärzte und auch Ernährungsberatungen erste Ansprechpartner.

Beatrix Polgar-Stüwe


Quellen:

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