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Röntgenaufnahme des Thorax.

Die Röntgendiagnostik entwickelt sich stets weiter. © utah778 / iStock / Getty Images Plus

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50 Jahre Computertomographie: Wende in der Röntgendiagnostik – Teil 1

Die Computertomographie, kurz CT, läutete ein neues Zeitalter in der Röntgendiagnostik ein. Denn bereits vor 50 Jahren ging der erste kommerzielle Computertomograph, der EMI Mark 1, dank seines Erfinders Godfrey Hounsfield im Londoner Atkinson Morley Hospital in Betrieb.

Der als CT-Scanner bezeichnete Computertomograph revolutionierte im Jahr 1972 die Medizin. Die Computertomographie gilt heute als das A & O der Röntgendiagnostik. Sie hat zahlreiche Verfahren wie beispielsweise das strahlenintensive Durchleuchten beim Röntgen komplett abgelöst.

Im Gegensatz zur „klassischen“ Röntgentomographie, die bereits in den 1930er Jahren entwickelt wurde, wird bei der Computertomographie ein Computer benutzt. Damit können aus den Absorptionswerten von Röntgensignalen, die aus verschiedenen Richtungen durch den Körper treten, digitale Schnittbilder berechnet werden. Erst mittels CT-Technologie waren dreidimensionale Ansichten von Körperstrukturen möglich.

Zudem bietet eine CT-Aufnahme im Gegensatz zu einer Röntgenaufnahme eine überlagerungsfreie Darstellung der Organe. Erstmals konnten Gewebearten mit unterscheidender Schwächung für Röntgenstrahlung dargestellt werden, was bis dahin nur sehr schwierig war.

Die ersten verfügbaren Computertomographen von EMI (Electric and Musical Industries Ltd.) erfüllten im Vergleich zu heutigen Geräten nur sehr eingeschränkte Funktionen. Sie waren in den 1970er Jahren noch sehr langsam, umständlich und verursachten eine deutliche Strahlenbelastung. Jedoch faszinierte die neue CT-Technik sofort einhellig Ärztinnen und Ärzte.

Quantensprung durch Computertomographie

Anfang der 1970er Jahre dauerte eine CT noch rund eine Stunde. „Die Qualität der Bilder war vergleichbar mit der pixeligen Auflösung auf einem alten Game Boy“, erzählt Dr. Kurt Heger, pensionierter Chefarzt der Radiologie eines Kölner Krankenhauses. Damals fing aber alles erst mit CT-Aufnahmen des Schädels an, der sich nicht bewegt wie die Lunge oder das Herz. Der Grund dafür lag auf der Hand: Das erste CT-Gerät von EMI benötigte pro Schnittbild mehre Minuten. So lange kann niemand die Luft anhalten.

Portraitbild Dr. med. Kurt Heger

Dr. med. Kurt Heger © Brigitte Heger

Vor der Erfindung der CT mussten Betroffene bei einem Verdacht auf einen Gehirntumor oder auf eine Blutung im Gehirn quälende Untersuchungen oder letztlich gar die chirurgische Öffnung des Schädels erleiden. Das alles blieb ab 1972 Patient*innen erspart. Die erste Patientin legte sich für einen Gehirnscan bei der ersten CT-Untersuchung im Atkinson Morley Hospital in eine Röhre. Aber das war keinesfalls so mühelos wie heute. Denn die Daten auf den Magnetbändern des Tomographen mussten mit dem eigens entwickelten Computerprogramm von Ingenieur Godfrey Hounsfield in Bilder umgewandelt werden.

Bearbeitung und Berechnung von damals maximal zehn Schnittbildern dauerten gut zwei Stunden und fanden nicht im Krankenhaus statt. Hiernach fotografierte Hounsfield den Befund mit einer Polaroid-Kamera und eilte mit seinen Fotos wohl ins Londoner Hospital bei Wimbledon zurück. Die Ärzteschaft war von der Genauigkeit der Darstellung des erkrankten Gehirnareals sofort begeistert. Bei der ersten CT-Patientin wurde ein bösartiger Gehirntumor vermutet. Doch hatte sie großes Glück. Das CT-Bild zeigte lediglich eine kreisrunde Zyste.

Was haben die Beatles mit der Computertomographie zu tun? Es war die gleiche Firma, die damals sowohl Musik als auch Medizin- und militärische Technik produzierte. Der bei EMI angestellte Ingenieur und im Zweiten Weltkrieg ausgebildete Radarttechniker Godfrey Hounsfield leitete dort schon ab 1958 eine Entwicklungsgruppe. Er baute den ersten aus Transistoren bestehenden Computer EMIDEC 1100 in England. Hounsfield legte mit der Entwicklung eines Computers den eigentlichen Grundstein für das moderne CT. Aber erst später brachte er die Computertomographie zur Marktreife.

EMI im britischen Hayes war auch als Plattenfirma überaus erfolgreich. Denn sie hatte schließlich die berühmte Pilzköpfe-Band unter Vertrag und vermutlich ein solides finanzielles Polster auch für Forschungsarbeiten. Aber der finanzielle Beitrag durch die britische Regierung aus dem damaligen Department of Health and Social Security (DHSS) zur Entwicklung des CT-Scanners war deutlich größer als der von EMI.

„Dementsprechend ist britischen Steuerzahlenden und Staatsangestellten des britischen DHSS für den CT-Scanner zu danken“, hob Radiologie-Professor Zeev V. Maizlin bereits 2012 in einem wissenschaftlichen Beitrag hervor.1 Somit nicht den Beatles.

Meilensteine in der Entwicklung der Computertomographie

Anders gesagt: Ohne EMI, ohne den vom englischen Königshaus geadelten Sir Godfrey Hounsfield, gleichermaßen aber auch ohne die viel frühere Entdeckung der mathematischen Grundlagen durch Johann Radon, ohne die Entwicklung des Computers in den 1950er Jahren in England durch Alan Turing und ohne die Forschungsergebnisse des Physikers Alan MacLeod Cormack zur Röntgenabsorption in den 1960er Jahren hätte es keine Computertomographie gegeben.

Daher wird Godfrey Hounsfield (* 28. August 1919 in Nottinghamshire; † 12. August 2004 in Kingston upon Thames) als einer der Väter der Computertomographie bezeichnet. Die beiden Nicht-Mediziner Hounsfield und Cormack erhielten im Jahr 1976 zusammen den Nobelpreis für „Physiologie oder Medizin“.

Überraschenderweise zog sich EMI bereits im Jahr 1976 komplett aus dem CT-Geschäft zurück. Firmen wie General Electric (GE) und Siemens ließen sich zunächst ihre Geräte von EMI lizenzieren. Sie bauten die CT-Sparte aus und entwickelten neue Techniken und Einsatzbereiche. Der erste CT-Scanner in Deutschland wurde 1976 im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg bereits als Ganzkörper-Computertomograph in Betrieb genommen.

Auch der diesjährige Röntgenkongress widmete sich unter anderem dem Thema „50 Jahre Computertomographie: Das ‚Arbeitspferd der Radiologie‘ wird ein halbes Jahrhundert alt“.

Von Beatrix Polgar-Stüwe

Hier geht es zu Teil 2 des Beitrags.


Quellen:
1 Maizlin ZV, Vos PM.; Do we really need to thank the Beatles for the financing of the development of the computed tomography scanner?; J Comput Assist Tomogr., 2012; doi: 10.1097/RCT.0b013e318249416f


Weiterführende Links:
50 Jahre Computertomographie am Menschen; die-radiologen.com
Jubiläum: 50 Jahre Computertomographie“, Michael Wiertz, Schulleiter der MTRA-Schule im Universitätsklinikum der RWTH Aachen
50 years ago, the first CT scan let doctors see inside a living skull – thanks to an eccentric engineer at the Beatles’ record company; theconversation.com
Die verrückte Idee eines Gentleman; medmuseum.siemens-healthineers.com
Computertomographie; flexikon.doccheck.com

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