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Die HIMSS beleuchtet Trendthemen

Das diesjährige Motto „Where the brightest minds in Health and IT meet" brachte Besucher aus aller Welt zusammen. © Mirjam Bauer

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Gesundheits-IT: Die HIMSS beleuchtet Trendthemen

Der weltweit größte Jahreskongress der Healthcare IT, die HIMSS 2017, tagte mit 1300 Ausstellern vom 19. bis 23. Februar in Orlando, Florida. Mehr als 42 000 Teilnehmer informierten sich über Trends wie Interoperabilität, IT Sicherheit, Wertbeitrag der IT für Krankenhäuser aus Unternehmenssicht, Big Data, Künstliche Intelligenz und Cloud-Lösungen.

Die HIMSS, Healthcare Information and Management Systems Society, wechselt ihre Veranstaltungsorte im Süden der USA; wie häufig fand sie 2017 wieder im Orange County Convention Center Orlando, Florida, mit über 300 Sessions, zahlreichen Keynotes, Posterausstellungen und Networking Events statt. Das diesjährige Motto „Where the brightest minds in Health and IT meet" brachte Besucher aus aller Welt zusammen. So fanden sich auch zahlreiche Delegationsmitglieder aus Europa und aus den DACH-Ländern ein, die sich über neue Lösungen und den Stand der Umsetzung aus den USA informieren wollen. Der Blick über den Tellerrand brachte ihnen folgende Eindrücke:

Intransparente Rahmenbedingungen

Die Diskussionen waren bestimmt von der aktuellen politischen Situation: Bislang dominierten „Obamacare", die Gesundheitsversorgung mit Versicherungsschutz für alle Bürger, und „Meaningful Use", Subventionen für die Implementierung prozessunterstützender IT, die Szene in den USA. Keiner der Akteure im Gesundheitswesen kann einschätzen, wie die neue Regierung tatsächlich die bestehende Gesetzgebung in Hinblick auf den Gesundheitsmarkt verändern wird. Dies schafft Unsicherheit bei Leistungserbringern, Kostenträgern, Patienten und Industrie. „Business as usual" ist bis auf weiteres die Devise.

Interoperabilität

Portrait Leftwich © Mirjam BauerFHIR-Experte Dr. Russell B. Leftwich © Mirjam Bauer

Das Zusammenspiel zwischen IT-Systemen ist ausschlaggebend für die Kommunikation über die Handlungskette hinweg. Sie bestimmt somit die Umsetzung eines Trends, der in den nächsten Jahren eine zentrale Rolle im Gesundheitssystem spielen wird: die Vernetzung. Zu den wichtigsten Beiträgen in diesem Zusammenhang zählte auf der „HIMSS" der entstehende Standard Fast Healthcare Interoperability Resources (FHIR).

Er unterstützt den Datenaustausch zwischen Softwaresystemen im Gesundheitswesen vor allem im Hinblick auf die Vielzahl von Datenquellen und für mobile Anwendungen. So präsentierte der FHIR-Experte Dr. Russell B. Leftwich, Senior Clinical Advisor von Intersystems, die Entwicklung von Kommunikationsstandards der Initiative Health Level 7 (HL7) bis hin zu diesem neuen Standard.

FHIR zielt darauf ab, die Implementierung des Datenaustausches so einfach wie möglich zu gestalten und eine Brücke zu den bestehenden Standards zu schlagen. Er soll die Einbindung von Apps und Wearables ermöglichen und Patienteninformationen bequem an den Point of Care bringen – unter dem Schlagwort „mHealth".

Dr. Leftwichs Referate fanden großen Anklang bei den IT-Leitern und Anwendern. Auch die Initiative „Integrating the Healthcare Enterprise" (IHE) war auf dem Kongress stark vertreten, etwa im Interoperability Showcase mit zahlreichen Anwendungsbeispielen auf Basis von Interoperabilität.

IT Sicherheit

Cyberangriffe verunsichern inzwischen die Leistungserbringer auch in Deutschland; das Vorjahr brachte hier zahlreiche erschütternde Beispiele. Krankenhäuser wie das Lukaskrankenhaus in Neuss* mussten Operationen verschieben und manuell mit Stift und Papier arbeiten.

Die Dunkelziffer nicht gemeldeter Angriffe liegt deutlich höher. Rahmengeber fordern inzwischen verstärkt Vorsorge, beispielsweise durch das IT-Sicherheitsgesetz. In den USA, so Steve Lieber, Präsident und CEO der HIMSS, nutzen die Akteure im Gesundheitswesen das Know-how von Softwareanbietern, die bislang im militärischen Sektor und für Banken und Versicherungen aktiv waren.

Wertbeitrag der IT

Portrait Smith © Mirjam BauerCarla Smith, Executive Vice President der HIMSS © Mirjam Bauer

Welchen Beitrag kann IT Krankenhäusern aus Unternehmenssicht bieten? Die HIMSS hat ein Beurteilungsraster mit Kriterien geschaffen, die den Nutzen messbar machen sollen. Carla Smith, Executive Vice President der HIMSS, ging in Orlando auf Umfragen der Fachgesellschaft ein, die auf dieser Grundlage die Situation der US-Krankenhäuser beurteilen.

Einrichtungen, deren IT-Umsetzungen in den Arbeitsprozessen eine besonders hohe Wertschöpfung gebracht haben, erhalten Auszeichnungen. Das „EMR Adoption Model" (EMRAM), eine Analysemethode der HIMSS zur Durchsetzung elektronischer Patientenakten, zählt zu dem Instrumentarium, das die HIMSS in diesem Zusammenhang bereithält.

Moderne Gesundheitssysteme richten ihre Leistungen auf den Nutzen für den emanzipierten Patienten aus; dieser Ansatz sollte daher in der Beurteilung der Wertschöpfung durch IT eine zentrale Rolle spielen, so Kathleen Aller, Direktorin Healthcare Business Development bei Intersystems, auf dem Kongress.

So schafft die eindeutige Identifikation von Patienten beispielsweise die Voraussetzung für Ergebnisqualität und für die orts- und zeitunabhängige Verfügbarkeit klinischer Informationen auch für Patienten im Entscheidungsprozess, erläuterte die Expertin. Dieses Ziel scheint einfacher erreichbar als es sich in der Realität herausstellt: Der „Master Patient Index" für die Identifikation von Patienten über Klinikverbünde und die Behandlungskette hinweg ist ein komplexes Projekt.

Big Data und Künstliche Intelligenz

Aussagestarke, analysierbare Daten sollten über „Deep Learning" für Forschung und Routine verfügbar gemacht werden und so zu besseren Therapieergebnissen beitragen. Dies funktioniert über Algorithmen. Im Bereich der Befundung auf Basis diagnostischer Bilder hält dieser Schlüsseltrend längst Einzug – so bei der automationsgestützten Befundung von Bildern aus dem Lungenscreening in den USA.

Auch in Deutschland wächst die Akzeptanz für diese Form der klinischen Entscheidungsunterstützung. In diesem Zusammenhang hatte unter anderem IBM mit seinem Supercomputer „Watson" eine starke Präsenz. Bereits vor zwei Jahren wurde diese Art der „künstlichen Intelligenz" als Partnerschaft zwischen Mensch und Technologie vorgestellt und seitdem rasant weiterentwickelt.

Bereits wenige Tage nach der HIMSS stellte Watson Health, das kognitive System für die Gesundheitsbranche, seine neue „Value-Based-Care-Management"-Lösung vor. Das neue System auf Basis des Supercomputers wird analysieren, Schlüsse ziehen und Prognosen liefern, die es aufgrund von Daten aus elektronischen Patientenakten, administrativen Informationen, klinischen Datenbanken, Schadenfällen und weiteren Quellen ermittelt hat. 

In Orlando wurden im Übrigen auch weitere Kooperationen großer Medizintechnikhersteller mit IBM vorgestellt. Die Herausforderung auf dem Weg zur Perfektionierung dieses Ansatzes und der entsprechenden Lösungen besteht in strukturierten Befundung und der Vereinheitlichung der Terminologie.

Cloud

In Deutschland herrschen im Hinblick auf diesen Begriff enorme Datenschutz-Vorbehalte. Sichere Lösungen wie etwa getunnelte „Private Clouds" bieten hier jedoch alltagtaugliche Ansätze. Diskutiert wurden die sichere Datenbereitstellung und deren Austausch, weltweite Zusammenarbeit in der Entwicklung und die Verbesserung von Workflows. All dies hilft Leistungserbringern, ihre Angebote künftig zu erweitern.

Cloud Computing eröffnet kosteneffiziente Möglichkeiten, das benötigte höhere Maß an Flexibilität und „Agilität" – Flexibilität im Handeln – zu erreichen. Ein wichtiges Beispiel sind hier die hochsensiblen Patientenakten. Sie werden auf einem gesicherten, elektronischen Weg weitergeleitet, um schnelleren Zugriff auf Patienteninformationen zu ermöglichen. In den USA nutzen zahlreiche Krankenhäuser, Verbünde und Versicherer bereits Clouds.

Fazit

Was ist die nächste Generation der IT im Gesundheitswesen? Für Steve Lieber ist die Entwicklung klar: Über die letzten Jahrzehnte ist mit Krankenhaus-Informationssystemen und elektronischen Patientenakten das Fundament geschaffen worden; künftig bestimmen Apps, Wearables und weitere Quellen für Daten im Rahmen der „Vernetzten Medizin" das Bild. Die Voraussetzungen hierfür schafft Interoperabilität. Im nächsten Jahr wird der HIMSS Jahreskongress in Las Vegas dazu ein spannendes Update bieten.

Mirjam Bauer


Weitere Informationen:

*Quelle: Jürgen Berke; Cyberangriff auf Krankenhaus: Das Ende der Geheimniskrämer; WiWo, 2016 

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