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Aktuelle Studien an der Professur Bewegungswissenschaft der TU Chemnitz zum Thema „Langes Sitzen" untersuchen den Einfluss von Sitzhaltung und regelmäßigen Muskelkontraktionen auf die Rückenmuskulatur

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Gesundheitliche Folgen: Wie sich langes Sitzen auf die Rückenmuskulatur auswirkt

Aktuelle Studien an der Professur Bewegungswissenschaft der TU Chemnitz zum Thema „Langes Sitzen" untersuchen den Einfluss von Sitzhaltung und regelmäßigen Muskelkontraktionen auf die Rückenmuskulatur

Noch nie wurde im Alltag so viel gesessen. Zu diesem Fazit kommt der aktuelle „DKV-Report 2021“. Im Schnitt sitzen Deutsche werktags 8,5 Stunden. Junge Erwachsene zwischen 18 und 29 Jahren sitzen sogar zwei Stunden mehr: durchschnittlich 10,5 Stunden. Damit setzt sich eine bedenkliche Entwicklung fort. Denn langes Sitzen kann sich negativ auf unseren Bewegungsapparat auswirken. Zu diesem Schluss kommen auch Alexander Kett und Dr. Freddy Sichting von der Professur Bewegungswissenschaft der Technischen Universität Chemnitz unter Leitung von Prof. Dr. Thomas Milani. In zwei aktuellen Untersuchungen konnten die Bewegungswissenschaftler zeigen, wie sich langes Sitzen auf die Rückenmuskulatur auswirkt und welche Rolle die Sitzhaltung und regelmäßige Muskelkontraktionen dabei spielen.

Steifigkeit der Rückenmuskulatur

In einer vorangegangenen Studie an der Professur Bewegungswissenschaft konnte bereits gezeigt werden, dass langes Sitzen über mehrere Stunden die Steifigkeit der Rückenmuskulatur deutlich erhöht. „Nun wollten wir herausfinden, ob diese Veränderung der Muskelsteifigkeit möglicherweise mit der Sitzhaltung in Verbindung steht“ erklärt Alexander Kett, der sich im Rahmen seiner Promotion mit dem Thema des langen Sitzens und seinen Auswirkungen auf den Bewegungsapparat beschäftigt. „Gleichzeitig vermuteten wir, dass der Anstieg der Muskelsteifigkeit in Verbindung mit der geringen Muskelaktivität während des Sitzens steht“, ergänzt der Promotionsstudent.

„Wir konnten erneut zeigen, dass sich die Steifigkeit der Rückenmuskulatur nach 4,5 Stunden sitzen deutlich erhöht, und das unabhängig von der Sitzhaltung“, resümiert Studienleiter Freddy Sichting die Ergebnisse der ersten Untersuchung. Auch Personen, die eine sehr aufrechte Sitzhaltung einnahmen oder häufig ihrer Sitzhaltung wechselten, zeigten den charakteristischen Anstieg in der Muskelsteifigkeit. Die Bewegungswissenschaftler vermuten, dass die Muskulatur während des langen Sitzens – unabhängig von der Haltung und Bewegung, unzureichend gefordert ist. „Fehlende Muskelkontraktionen könnten die Ursache für den Anstieg in der Muskelsteifigkeit sein“, kommentiert Kett die Ergebnisse.

Elektrostimulation als Intervention

Um diese Vermutung zu überprüfen, nutzen die Bewegungswissenschaftler in einer zweiten Studie eine gezielte Elektrostimulation der Rückenmuskulatur als Intervention. Durch die Elektrostimulation gelang es, die Rückenmuskulatur während des Sitzens zum Kontrahieren zu bringen, ähnlich der natürlichen Muskelaktivität beim Gehen. Dabei konnte gezeigt werden, dass sich die Steifigkeit der Rückenmuskulatur durch die regelmäßigen Kontraktionen selbst nach über vier Stunden sitzen nicht erhöhte. „Die Ergebnisse legen nahe, dass regelmäßige Aktivitäten dabei helfen können, sitzbedingte Rückenbeschwerden zu vermeiden“, erklärt Sichting.

In der Wissenschaft verdichten sich die Hinweise, dass langes Sitzen eine Ursache für chronische Rückenbeschwerden sein kann. Vor allem Personengruppen, die beruflich viel Sitzen müssen, sind häufig von Rückenproblemen betroffen, darunter Berufskraftfahrerinnen und -fahrer, Büroarbeiterinnen und -arbeiter oder Orchestermusikerinnen und -musiker. „Nicht selten führen diese Probleme zu Arbeitsausfällen oder Arbeitsunfähigkeit“, betont Kett die sozioökonomischen Folgen des langen Sitzens.

Lange Sitzperioden durch kurze Aktivitäten unterbrechen

Auch für Schülerinnen und Schüler oder Studierende können die Erkenntnisse der Untersuchungen von Bedeutung sein. Sichting ergänzt: „Unsere Ergebnisse stützen bestehende Empfehlungen, lange Sitzperioden durch kurze Aktivitäten zu unterbrechen. Ob nun der Gang zum Fenster, eine paar Kniebeuge oder einfach nur ausgiebiges Strecken, Hauptsache die Muskulatur wird regelmäßig aktiviert.“ Ein schönes Beispiel an der TU Chemnitz seien die im Rahmen des universitären Gesundheitsmanagements angeregten bewegten Pausen.

Die Bewegungswissenschaftler sind sich einig, dass mit den nun publizierten Arbeiten ein weiterer Schritt getan ist, um die Auswirkungen des langen Sitzens auf unseren Bewegungsapparat und seine Gesundheit besser erklären zu können. Gleichzeitig betonen sie, dass dieser Weg konsequent weitergegangen werden muss, um den Zusammenhang von Muskelsteifigkeit und Rückenschmerzen eindeutig nachweisen zu können. Zudem sollte das Potential der Elektrostimulation als Interventionsmaßnahme für Personengruppen, welche nicht regelmäßig aufstehen können, weiter erforscht werden.

Quelle: Technische Universität Chemnitz


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