Lungenerkrankungen wie Mukoviszidose und COPD gehen mit einer starken Verschleimung und Entzündung der Atemwege einher. Normalerweise sind Entzündungsreaktionen ein wichtiger Teil des Heilungsprozesses. Bei Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose und COPD führen anhaltende Entzündungen jedoch zu einer fortschreitenden Zerstörung des Lungengewebes und verstärkten Infektionen. Forscherinnen und Forscher konnten sich die Ursache der dauerhaften Atemwegsentzündungen bisher nicht erklären.
„Selbst junge Kinder mit Mukoviszidose, bei denen keine Infektion der Lunge mit Krankheitserregern nachgewiesen werden kann, haben bereits chronisch entzündete Atemwege. Wir fragten uns also, wie diese chronischen Entzündungen ausgelöst werden und hatten den Schleim selbst in Verdacht“, sagt Prof. Marcus Mall, Direktor der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Co-Letztautor der Veröffentlichung.
Zäher Schleim verändert Eigenschaften von Atemwegsmakrophagen
Die TLRC Forscher am Universitätsklinikum Heidelberg und dem Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ) testeten, inwieweit die Verstopfung der Atemwege mit zähem Schleim bestimmte Immunzellen, Makrophagen, verändert. Makrophagen werden auch als „Fresszellen“ bezeichnet und beseitigen zum Beispiel Bakterien, Viren oder abgestorbene Zellen, womit sie einer chronischen Entzündung entgegenwirken. Überraschenderweise beobachteten die Forscher aber, dass Makrophagen aus den Atemwegen kranker Mäuse mit stark verschleimten Atemwegen entzündungsfördernde Eigenschaften besitzen. Die kranken Mäuse waren genetisch so verändert worden, dass sie vermehrt Atemwegsschleim produzieren. Sie dienen damit als Tiermodell für die Erforschung von Mukoviszidose und COPD beim Menschen.
„Die Makrophagen aus den Lungen dieser Mäuse erfüllten ihre Funktion als Fresszellen nicht mehr und produzierten entzündungsfördernde Botenstoffe“, erklärt Dr. Michelle Paulsen, Co-Erstautorin der Arbeit. Diese Ergebnisse wurden durch weitere Experimente bestätigt, bei denen Makrophagen gesunder Mäuse mit Schleim behandelt wurden. In Folge des Kontakts zeigten die Atemwegsmakrophagen die gleichen Veränderungen wie die aus den Lungen der genetisch veränderten Mäuse.
Atemwegsmakrophagen werden umprogrammiert
Um zu erklären, warum Atemwegsmakrophagen die in Kontakt mit zähem Atemwegsschleim gekommen sind andere Eigenschaften aufweisen als Makrophagen aus gesunden Atemwegen, schauten sich die Forscherinnen und Forscher das Erbgut der Immunzellen genau an. Dabei legten sie besonderes Augenmerk auf die Struktur der DNA im Zellkern. „Wir konnten zeigen, dass bestimmte Abschnitte der Makrophagen-DNA so verändert waren, dass Gene für entzündungsfördernde Botenstoffe vermehrt abgelesen werden“, fasst Prof. Christoph Plass, Abteilungsleiter am DKFZ und Co-Letztautor der Veröffentlichung zusammen. Bei den Veränderungen der DNA handelte es sich nicht um Veränderungen in der DNA-Sequenz, sondern um sogenannte epigenetische Veränderungen, die die Struktur der DNA beeinflussen. Die beobachteten Veränderungen an der Makrophagen-DNA bewirkten eine Lockerung der DNA-Struktur.
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die starke Verschleimung der Atemwege durch eine Umprogrammierung von Atemwegsmakrophagen zur chronischen Entzündung der Atemwege beiträgt und die Symptome von Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose und COPD verschlimmert. Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die Bedeutung schleimlösender Therapien zur Behandlung beider Lungenerkrankungen und öffnen neue Wege für die Forschung. „Zukünftig könnten die veränderten Atemwegsmakrophagen als Angriffspunkt für die Entwicklung zielgerichteter Therapien für Mukoviszidose und COPD dienen“, postuliert Dr. Joschka Hey, Wissenschaftler am DKFZ und Co-Erstautor der Arbeit.
Quelle: Deutsches Zentrum für Lungenforschung e.V.
Originalpublikation: Joschka Hey et al., Epigenetic reprogramming of airway macrophages promotes polarization and inflammation in muco-obstructive lung disease; Nature communications 12, 2021, DOI: 10.1038/s41467-021-26777-9