Die derzeit verwendeten mikrobiologischen Tests auf Colistin-Resistenz und andere Antibiotika-Resistenzen ließen keine genauen Rückschlüsse hinsichtlich der Verbreitung von Resistenzen bei verschiedenen Enterobacter-Arten zu. Das lag zum einen daran, dass die taxonomische Einordnung der klinischen Enterobacter-Isolate ungenau war, zum anderen war die Fehlerquote bei der Bestimmung der Resistenzen hoch. Hier konnte die groß angelegte DZIF-Studie nun einen Durchbruch erzielen und sowohl die Verwandtschaftsbeziehungen der zahlreichen Enterobacter-Arten aufklären als auch die Resistenztestung optimieren.
Bestimmung der Antibiotika-Resistenzprofile
Dazu haben DZIF-Wissenschaftler:innen am Institut für Medizinische Mikrobiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen (Deep-iAMR-Projekt) und am Forschungszentrum Borstel Leibniz Lungenzentrum gemeinsam drei Jahre lang Enterobacter-Isolate analysiert, die an deutschen Universitätskliniken gesammelt wurden. Bei den taxonomischen Studien erwies sich Enterobacter xiangfangensis als die am häufigsten vorkommende Art in deutschen Kliniken: Aus einem Pool von über 3246 Isolatdaten – weltweit gesammelt in mehr als zwanzig Jahren – machte diese Spezies im weltweiten Vergleich 68,7 Prozent aus.
Die Bestimmung der Antibiotika-Resistenzprofile mithilfe phänotypischer Assays, die vom Europäischen Komitee für antimikrobielle Empfindlichkeitstestung (EUCAST) empfohlen sind, ergab unklare Ergebnisse im Hinblick auf Colistin-Resistenz. „Es zeigte sich, dass viele Isolate in den Tests nicht oder kaum resistent waren, obwohl die Bakterien alle Gene enthielten, die für die Colistin-Resistenz benötigt werden“, erklärt der Erstautor der Studie, Dr. Swapnil Doijad, Friedrich-Schiller-Universität Jena. Ein Ergebnis, das Fragen aufwarf. Eine erste Antwort darauf erhielten die Forscher:innen, indem sie die Isolate, bei denen eine Resistenz nicht klar nachweisbar war, mit Hilfe der Massenspektrometrie weiter untersuchten.
Modifikationen von Lipid A
„Abhängig von der jeweiligen Enterobacter-Art entdeckten wir in Colistin-freiem Medium geringe Mengen von modifiziertem Lipid A,“ erklärt Dr. Nicolas Gisch vom Forschungszentrum Borstel, Co-Erstautor der Studie. „Lipid A ist die Ankerstruktur von Lipopolyschariden (LPS), die einen entscheidenden Bestandteil der bakteriellen Membran darstellen und wesentlich für die Colistin-Resistenz sind. „Diese Modifikationen von Lipid A scheinen jeweils von der Bakterien-Art abhängig zu sein, ihre Expression unterliegt einem komplexeren Mechanismus und wird nicht alleinig durch Colistin ausgelöst.“
„Das Ergebnis deutet darauf hin, dass es eine Arten-abhängige Variation in der Heteroresistenz von Enterobacter gibt: In Routine-Testsystemen sind sie mal resistent, mal nicht“, so erklärt es PD Dr. Can Imirzalioglu, Co-Autor der Studie und Direktor für Klinische Mikrobiologie und Diagnostik am Institut für Medizinische Mikrobiologie der JLU Gießen.
Phänomen der Heteroresistenz
Mit weiteren ausgeklügelten Methoden konnten die Autor:innen für die Gattung Enterobacter dieses Phänomen der Heteroresistenz aufklären. „Unsere Analysen ergaben, dass diese Bakterien auf der Oberfläche einen Sensor haben, der auf den pH-Wert, also den Säuregrad in der Umgebung reagiert und dementsprechend die Gene hoch- oder herunterreguliert, die für die Colistin-Resistenz zuständig sind“, erklärt Prof. Dr. Trinad Chakraborty, Senior-Autor und ehemaliger Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der JLU Gießen. Genetische Variationen und Wechselwirkungen mit dem pH-Wert der Umgebung führten in den herkömmlichen Testsystemen zu Spezies-abhängigen und unzuverlässigen Aussagen über das Ausmaß der Colistin-Resistenz verschiedener Enterobacter-Arten.
Basierend auf diesen Ergebnissen konnten die Forscher:innen ein einfaches, neues Testsystem entwickeln, das diese Ungenauigkeit der Heteroresistenz ausschaltet und die Colistin-Resistenz für jedes Isolat eindeutig misst. Damit schaffen sie die Voraussetzung für eine zielgenaue und sparsame Behandlung von Enterobacter-Arten mit dem Reserve-Antibiotikum. Ein Ergebnis, das nicht zuletzt durch die translationale Zusammenarbeit im Rahmen des DZIF zustande gekommen ist.
Quelle: Deutsches Zentrum für Infektionsforschung
Originalpublikation: Swapnil Prakash Doijad et al.; Resolving colistin resistance and heteroresistance in Enterobacter species; Nat Communications, 2023 Jan 10, DOI: 10.1038/s41467-022-35717-0