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Auf dem Weg zu neuen Antibiotika

Wirkstoffe gegen multiresistente Erreger sind enorm wichtig um steigende Todeszahlen zu vermindern. © Sasha Brazhnik / iStock / Getty Images Plus

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Wirkstoffforschung: Auf dem Weg zu neuen Antibiotika

Multiresistente Erreger breiten sich weltweit aus und könnten schon in der nahen Zukunft die sichere Behandlung von tödlichen Infektionskrankheiten bedrohen. Der dringenden Nachfrage an neuen antimikrobiellen Wirkstoffen steht jedoch ein eklatanter Mangel an Investitionen in ihre Erforschung gegenüber. Die internationale Forschungsallianz IRAADD stellt zukunftsweisende Strategien vor, mittels derer das Problem gelöst werden könnte. Forschende des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) sind federführend beteiligt.

„Bakterien, die gegen mehrere Medikamente resistent sind, können zu einer ebenso großen Bedrohung werden wie die aktuelle Corona-Pandemie, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird“, erklärt Prof. Dr. Rolf Müller, Direktor des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), einem Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung, und DZIF-Koordinator für Neue Antibiotika. „Die Frage ist nicht ob, sondern wann es passiert.“

In der „International Research Alliance for Antibiotic Discovery & Development“ (IRAADD) ist Rolf Müller Koordinator und einer von rund 40 international Forschenden, die gemeinsam diese drohende Gefahr der Resistenzen gegen antimikrobielle Wirkstoffe (kurz AMR: Antimicrobial Resistance) abwenden wollen.

In der Publikation präsentieren sie mit weiteren Partnern Konzepte, welche die Lücke zwischen der Grundlagenforschung und der industriellen Umsetzung nachhaltig überbrücken sollen und eine Pipeline schaffen, die neue, wirksame Antibiotika für die Zukunft generiert.

Problem der Resistenzen nachhaltig lösen

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Der Missbrauch von Antibiotika in der Medizin und der Tierzucht hat die Zahl an Erregern, die gegen mehrere Wirkstoffe unempfindlich, also resistent geworden sind, deutlich ansteigen lassen. Schon heute sterben geschätzt weltweit mindestens 700 000 Menschen an Infektionen durch multiresistente Erreger, weil die Medikamente nicht mehr wirken.

Ohne Forschung, so die Wissenschaftler, wäre man möglicherweise bis 2050 bei einer Zahl von zehn Millionen Toten. „Während derzeit fast 4000 Krebsmedikamente in der Entwicklung sind, befinden sich gegenwärtig nur 30 bis 40 neue antimikrobielle Wirkstoffe in der klinischen Prüfung. Weniger als ein Viertel dieser Medikamente in der Entwicklungspipeline stellen eine neue Klasse von Wirkstoffen dar oder weisen neue Mechanismen auf“, betont Müller.

Und keiner dieser Wirkstoffkandidaten sei gegen die von der WHO als prioritär eingestuften Erreger wirksam. Die internationale Allianz schlägt in ihrem Positionspapier sowohl kurzfristige als auch langfristige Lösungswege vor, um das Problem der Resistenzen nachhaltig anzugehen und die Pipeline zu füllen. Dabei sollen die Kräfte aus dem öffentlichen, dem akademischen und dem industriellen Sektor gebündelt werden.

Steigenden Todeszahlen entgegentreten

Drei große Themen werden im Positionspapier dargestellt: die Entdeckung von neuen Wirkstoffen auf der Basis von synthetischen, niedermolekularen Substanzen und ihre Optimierung bis hin zu klinischen Studien; als Zweites die Entwicklung von neuen Wirkstoffen auf Basis von Naturstoffen, deren Erfolg insbesondere von neuen innovativen Verfahren abhängen wird, und drittens die möglichen Hemmnisse und die Optimierungsmöglichkeiten vom Wirkstoffkandidaten zum Medikament.

„Was wir vorschlagen in diesem Positionspapier geht weit über einzelne Maßnahmen für die Forschung hinaus“, erklärt Rolf Müller. „Wir planen eine ganz neue Dimension der Interaktion zwischen den verschiedenen Stakeholdern und den akademischen Disziplinen rund um das Thema AMR.“ Nur so könne die Gefahr der steigenden Todeszahlen durch Infektionen gebannt werden.

Quelle: Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF)


Publikation: Marcus Meithke et al.; Towards the sustainable discovery and development of new antibiotics; Nature Reviews Chemistry, 2021; DOI: 10.1038/s41570-021-00313-1

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